Online-Nachricht - Donnerstag, 08.04.2021

Verfahrensrecht | Bestimmung des Inhaltsadressaten einer Prüfungsanordnung (BFH)

Zur Inhaltsbestimmung eines Verwaltungsakts ist zwar der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften; allerdings ist ein in seinem Ausspruch eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern keiner Auslegung zugänglich (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt eine Ablaufhemmung durch eine Außenprüfung u.a. voraus, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde (vgl. z.B. , BStBl II 2000, 306, unter II.3.c, Rz. 21 sowie v. - I R 76/15, BStBl II 2017, 1159, Rz. 21).

Sachverhalt: Streitig ist u.a. die Auslegung einer Prüfungsanordnung. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Prüfungsanordnung wegen einer fehlerhaften Adressierung ihr gegenüber nicht wirksam bekannt gegeben wurde und Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Das FG der ersten Instanz wies die Klage ab (, ausführlich hierzu Gehm, ).

Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück:

  • Zur Inhaltsbestimmung eines Verwaltungsakts ist zwar der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

  • Allerdings ist ein in seinem Ausspruch eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern keiner Auslegung zugänglich.

  • Eine Außenprüfung, die aufgrund einer gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht wirksam gewordenen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen.

  • Ist Festsetzungsverjährung eingetreten, ermöglicht es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Steueranspruch wieder auflebt.

  • Dies gilt unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung "vorwerfbar" ist oder nicht.

  • Im zweiten Rechtsgang wird das FG Feststellungen dazu zu treffen haben, ob aufgrund einer Steuerhinterziehung eine verlängerte Festsetzungsfrist gilt.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung kann von besonderer Bedeutung sein, wenn eine Betriebsprüfung durchgeführt wird und das Mehrergebnis nicht mehr im Rahmen der regulären Festsetzungsverjährung durch Änderungsbescheide umgesetzt werden kann. Tritt in einer solchen Situation keine Ablaufhemmung der regulären Verjährungsfrist dadurch ein, dass eine wirksame Prüfungsanordnung erlassen wurde, können die Mehrergebnisse nicht mehr verfahrensrechtlich geltend gemacht werden. Ohne wirksame Prüfungsanordnung - so bereits vorhandene Rechtsprechung des BFH - kommt eine Ablaufhemmung nicht in Betracht.

Im Besprechungsfall lag - so die Entscheidung des BFH - keine gegenüber der Klägerin erlassene wirksame Prüfungsanordnung vor. Nach Auffassung des Senats war der Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung nicht die Klägerin, sondern die KG, die als Rechtsnachfolgerin der Klägerin bezeichnet wurde. Da aber die Klägerin durch Übertragung ihres gesamten Vermögens auf die KG gegen Gewährung einer Kommanditbeteiligung an der KG nicht untergegangen war, hätte der Verwaltungsakt an die Klägerin gerichtet werden müssen. Eine Gesamtrechtsnachfolge war nicht eingetreten.

Diese Ansicht des Senats war nicht von der Vorinstanz vertreten worden. Sie war noch von einer Mehrdeutigkeit der Bezeichnung des Inhaltsadressaten ausgegangen. Aber selbst wenn man dies annehmen würde, wäre die Prüfungsanordnung m.E. nicht i.S.d. § 119 AO bestimmt gewesen. Es sprachen Argumente dafür, dass der Verwaltungsakt an die Klägerin gerichtet worden ist. Es lagen aber auch Umstände vor, die zur Auslegung geführt hätten, dass die KG Inhaltsadressat gewesen war. In einer solchen Situation war es aus der Sicht eines objektiven Empfängerhorizontes nicht eindeutig klar, ob die KG oder die Klägerin Inhaltsadressat war, so dass auch aus dieser Sicht der Verwaltungsakt nicht bestimmt war und damit keine Wirkung einer Ablaufhemmung gegenüber der Klägerin auslösen konnte.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB IAAAH-75589