Online-Nachricht - Donnerstag, 01.04.2021

DBA | Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz (BFH)

Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1971/2010 setzt keine Eintragung der Funktion des Steuerpflichtigen in das Handelsregister voraus. Die anders lautende Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV v. verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit bei einer Schweizerischen AG. Der Kläger lebt in Deutschland und ist in der Schweiz bei einer AG nichtselbständig beschäftigt. Er wurde mit „Kollektivunterschrift zu zweien“ ohne Funktionsbezeichnung im Handelsregister eingetragen. Im Streitjahr kehrte der Kläger an mehr als 60 Arbeitstagen nicht an seinen Wohnsitz in Deutschland zurück, sodass er kein Grenzgänger i. S. des Art. 15a DBA-Schweiz war. Er übte seine Tätigkeit an 63 von 240 Arbeitstagen in Drittstaaten und im Inland aus. Das FA unterwarf den im Streitjahr erzielten Arbeitslohn des Klägers der inländischen Besteuerung, soweit er auf eine Tätigkeit für die Schweizerische AG in Drittstaaten oder im Inland entfiel. Der Kläger brachte vor, dass seine Einkünfte nicht der Besteuerung in Deutschland unterliegen, da er „leitender Angestellter“ i. S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz sei. Das FA teilte diese Ansicht nicht, da keine vom Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz umfasste Funktion oder Prokura im Handelsregister eingetragen wurde.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (). (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.10.2017)

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Der Kläger war gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 ESG in der für das Streitjahr geltenden Fassung unbeschränkt steuerpflichtig. Er hatte einen Wohnsitz im Inland und unterlag daher mit sämtlichen im Streitjahr erzielten Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer.

  • Hinsichtlich der streitigen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) war die Ausübung des Besteuerungsrechts aber durch Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA Schweiz 1971/2010 eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift werden bei einer in Deutschland ansässigen Person die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen i. S. des Art. 15 DBA Schweiz 1971/2010, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA Schweiz 1971/2010 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, sofern sie nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden können und die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

  • Das Besteuerungsrecht der Schweiz für die von der Schweizerischen AG an den Kläger gezahlten Vergütungen i. S. des Art. 15 DBA Schweiz 1971/2010 hat das FG rechtsfehlerfrei aus Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1971/2010 abgeleitet. Danach können vorbehaltlich des Art. 15a DBA Schweiz 1971/2010 die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, können sie in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA Schweiz 1971/2010).

  • Das FG hat unter Berücksichtigung der Statuten der Schweizerischen AG und des im Streitjahr gültigen Unterschriftenreglements der AG rechtsfehlerfrei geschlossen, dass der Kläger im Außenverhältnis die organschaftliche Vertretungsmacht eines Direktors, mindestens aber die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht eines Prokuristen erlangt hat. Dies folgt insbesondere aus der in das Handelsregister eingetragenen "Kollektivunterschrift zu zweien", da eine Handlungsvollmacht i. S. des Art. 462 OR, die nicht zur Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1971/2010 ausgereicht hätte, keine eintragungsfähige Tatsache gewesen wäre.

  • Die fehlende Eintragung der Funktion des Klägers in das Handelsregister führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV, nach dessen Wortlaut Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1971/2010 nur für diejenigen Personen anwendbar sein soll, "deren vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasste Funktion oder Prokura im Handelsregister eingetragen ist".

  • Zwar kann § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV - entgegen der Auffassung des FG - nicht dahin ausgelegt werden, dass jede Eintragung in das Handelsregister genügt, die auf eine entsprechende Leitungs- und Vertretungsmacht schließen lässt; dies widerspricht dem klaren Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich eine Eintragung der "Funktion oder Prokura" fordert. § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV verstößt aber gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist daher als unwirksam zu verwerfen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB RAAAH-75239