Einkommensteuer | Begriff der erzieherischen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (BFH)
Eine erzieherische Tätigkeit i.S.
des
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist - über
die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten hinaus - auf die umfassende
Schulung des menschlichen Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im
Ganzen gerichtet. Keine erzieherische Tätigkeit liegt demgegenüber vor, wenn
eine im Rahmen ambulanter Eingliederungshilfe gewährte Unterstützung für
behinderte oder erkrankte Menschen darauf zielt, gemeinsam erkannte,
individuelle Defizite einer Person auszugleichen (; veröffentlicht am
).
Hintergrund: Nach ständiger Rechtsprechung des BFH und herrschender Meinung in der Literatur ist Erziehung die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen (u.a. , BStBl II 2017, 911 sowie u.a. Korn in Korn, § 18 EStG Rz 53; Pfirrmann in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 18 Rz 53).
Sachverhalt: Streitig ist, ob die Einkünfte der Klägerin aus ihrer betrieblichen Tätigkeit im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe im Streitjahr 2010 der Gewerbesteuer unterliegen. Die Klägerin ist Diplomsozialarbeiterin und unterstützte im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe hilfsbedürftige Menschen bei einer selbstbestimmten Lebensführung. Die Unterstützung erfolgte durch Beratungs-, Begleitungs-, Betreuungs- und Förderleistungen auf der Grundlage eines mit dem Klienten erarbeiteten, individuellen sog. Hilfeplans. Ziel war es, den Klienten einen eigenständigen Alltag und die Eingliederung in das soziale Leben zu ermöglichen.
Das FA vertrat die Auffassung, die Klägerin sei gewerblich tätig. Die Klägerin ist dagegen der Ansicht, eine erzieherische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszuüben. Dabei sei sie auch leitend und eigenverantwortlich tätig. Jedenfalls aber sei ihr die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, die § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. in der bis zum geltenden Fassung entspreche, zu gewähren.
Der BFH wies die Klage, ebenso wie die Vorinstanz (), ab:
Die Klägerin hat weder einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich aufgeführten Katalogberufe ausgeübt, noch ist sie - mangels Vergleichbarkeit von Ausbildung und Tätigkeit - in einem ähnlichen Beruf tätig gewesen.
Die Klägerin ist auch nicht erzieherisch tätig geworden.
Eine erzieherische Tätigkeit ist - über die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten hinaus - auf die umfassende Schulung des menschlichen Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen gerichtet.
Demgegenüber ist eine Tätigkeit, die darauf zielt, Klienten darin zu unterstützen, bestimmte individuelle Verhaltensprobleme und "Persönlichkeitsdefekte" zu überwinden, keine erzieherische Tätigkeit (z.B. , BStBl II 1997, 687).
Ausgehend davon ist die Vorinstanz ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht erzieherisch ist.
Das FG hat maßgeblich darauf abgestellt, die Tätigkeit der Klägerin ziele auf eine Hilfestellung und Unterstützung im Alltag bei der allgemeinen Lebensführung ab. Die Klienten erarbeiteten gemeinsam mit der Klägerin und ihren Mitarbeitern Ziele und versuchten diese umzusetzen. Die hieran anknüpfende Würdigung, die Tätigkeit der Klägerin ziele zwar auf eine Hilfestellung im Alltag bei der allgemeinen Lebensführung ab, wirke jedoch nicht auf die Persönlichkeit der Klienten im Ganzen ein, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG hat im Ergebnis ebenfalls zutreffend erkannt, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG im Streitjahr nicht erfüllt. Als Diplomsozialarbeiterin ist sie keine ausgebildete Pflegefachkraft.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
JAAAH-72385