BGH Urteil v. - VI ZR 449/20

Streitwert des Revisionsverfahrens: Beschränkung der Revision durch die Revisionsanträge

Leitsatz

Zur Beschränkung der Revision durch die Revisionsanträge.

Gesetze: § 551 Abs 2 ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 1 ZPO, § 47 Abs 1 S 1 GKG

Instanzenzug: Az: 7 U 199/19 Urteilvorgehend LG Aachen Az: 10 O 585/18

Tatbestand

1Der Kläger erwarb im August 2011 einen VW Passat mit einem Dieselmotor EA189, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung versehen war. Den Kaufpreis (32.278,97 € zzgl. 500 € "Selbstabholerpaket") überwies der Kläger am . Mit seiner Klage hat er von dem beklagten Fahrzeughersteller Schadensersatz in Höhe des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen seit dem Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie Deliktszinsen auf den vollen Kaufpreis seit dem bis zum verlangt und Feststellung des Annahmeverzugs ebenfalls seit dem beantragt.

2Das Landgericht hat der Klage bei Anrechnung einer Nutzungsentschädigung bis auf das sogenannte Selbstabholungspaket und zusätzlich geltend gemachte Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Höhe des anzurechnenden Nutzungsersatzes um die während des zweitinstanzlichen Verfahrens gefahrenen weiteren Kilometer angepasst; die weitergehende Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte, nachdem der Kläger seine Klage hinsichtlich der Deliktszinsen zwischenzeitlich mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, allein gegen die Feststellung des Annahmeverzugs.

Gründe

I.

3Nach Auffassung des Berufungsgerichts, das die Hauptforderung des Klägers aus §§ 826, 31 BGB zugesprochen hat, befindet sich die Beklagte infolge der nicht erfolgten Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß §§ 298, 293 BGB seit dem in Annahmeverzug. Der Kläger habe die Beklagte mit Schreiben vom erfolglos unter Fristsetzung bis zum zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs aufgefordert.

II.

4Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.

51. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision in zulässiger Weise allein gegen die Feststellung des Annahmeverzugs.

6a) Der Ausspruch über die Feststellung des Annahmeverzugs ist von der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nicht ausgenommen. Zwar hat das Berufungsgericht die Revision im Tenor der angegriffenen Entscheidung lediglich "in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen" und dort ausgeführt, dass die Revision zugelassen werde, weil angesichts der divergierenden Rechtsprechung zum Anspruchsgrund und der in der obergerichtlichen Rechtsprechung kontrovers erörterten Frage der Zinspflicht aus § 849 BGB "insoweit" die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorlägen. Da die Entscheidung über den Annahmeverzug aber nur ein rechtlich unselbständiges Element der Hauptleistungsverpflichtung (vgl. zuletzt , juris Rn. 7 zur Streitwertrelevanz) und damit - auch - von dieser abhängig ist, ist sie von der insoweit ausgesprochenen Zulassung der Revision erfasst (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4; , NJW-RR 2006, 877 Rn. 14).

7b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte ihre Revision nicht willkürlich auf die Frage des Annahmeverzugs beschränkt, nachdem der Kläger die Klage hinsichtlich der Deliktszinsen während der noch laufenden Revisionsbegründungsfrist zurückgenommen hatte. Die Beklagte hat vielmehr lediglich die ihr gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO für die Erklärung, inwieweit das Berufungsurteil angefochten wird, zustehende Überlegungsfrist (vgl. BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom - GSZ 1/77, BGHZ 70, 365, 370, juris Rn. 16) genutzt.

82. Der Angriff der Revision hat auch in der Sache Erfolg.

9Das Berufungsgericht hätte den Annahmeverzug nicht feststellen dürfen. Der Kläger hat sein Angebot auf Rückgabe des Fahrzeugs von dem vorgerichtlichen Schreiben vom bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz als dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt an eine unberechtigte Bedingung geknüpft, nämlich an die Zahlung von Deliktszinsen (§ 849 BGB) seit Kaufpreiszahlung. Dies schließt einen Annahmeverzug der Beklagten aus (vgl. , juris Rn. 4; vom - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 30; vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 85 m.w.N.). Dass der Kläger die Deliktszinsen unter einer gesonderten Ziffer seines Klageantrags aufgeführt hat, ändert an der Zuvielforderung nichts.

III.

10Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

11Der Streitwert des Revisionsverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beschränkung des Revisionsverfahrens auf die Frage des Annahmeverzuges für die Streitwertberechnung nicht außer Betracht zu lassen. Die Beklagte hat ihre Überlegungsfrist (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO) im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179) sinnvoll genutzt, die Revision auf die Frage des Annahmeverzugs beschränkt und das Revisionsverfahren erfolgreich zu Ende geführt. Ein Ausnahmefall der willkürlichen Beschränkung des Rechtsmittels allein aus Kostengründen ohne Interesse an dessen Durchführung (vgl. hierzu BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom - GSZ 1/77, BGHZ 70, 365, 372, juris Rn. 21) ist offensichtlich nicht gegeben.

12Die Kostenverteilung für das Berufungsverfahren erfolgt unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Deliktszinsen, bezüglich derer der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, im Berufungsverfahren teilweise - nämlich soweit keine entsprechende Hauptforderung mehr im Streit stand, sie also keine Nebenforderung gewesen sind - streitwertrelevant waren.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:020221UVIZR449.20.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 10 Nr. 9
NJW 2021 S. 2120 Nr. 29
NJW-RR 2021 S. 316 Nr. 5
XAAAH-71112