Online-Nachricht - Donnerstag, 11.02.2021

Umsatzsteuer | EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding (BFH)

Der BFH hat dem EuGH zwei Fragen zum Vorsteuerabzug einer Funktionsholding aus bestimmten Eingangsleistungen zur Vorabentscheidung vorgelegt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH und Gesellschafterin zweier Kommanditgesellschaften (KGs). Die KGs erwarben Grundstücke und errichteten hierauf Wohngebäude mit dem Ziel, die bebauten Grundstücke zu veräußern. Insoweit handelte es sich um eine typische Bauträger-Tätigkeit. Neben der Klägerin waren jeweils noch Dritte an den KGs beteiligt, wobei die Klägerin jeweils die Mehrheit der Kommanditanteile hielt.

Bei beiden KGs wurde die Erbringung eines Aufgelds der Gesellschafter zur Finanzierung der Bautätigkeit vereinbart. Während die übrigen Gesellschafter ihren jeweiligen Anteil an den Aufgeldern in Geld erbrachten, hatte die Klägerin ihren Anteil durch Erbringung unentgeltlicher Dienstleistungen (Architektenleistungen, statischen Berechnungen, Vertrieb u.a.) zu leisten.

Zudem hatte die Klägerin für die KGs Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen zu erbringen. Hierzu gehörten die Ein- und Ausstellung von Personal, der Materialeinkauf, die Aufstellung des Jahresabschlusses sowie die Wahrnehmung der steuerlichen Deklaration und Kommunikation gegenüber dem Finanzamt. Im Gegensatz zu den o. g. Leistungen im Zusammenhang mit den Aufgeldern wurden die Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen entgeltlich erbracht. Die geschuldeten Gesellschafterbeiträge (Aufgeld) erbrachte die Klägerin nicht nur mit eigenem Personal, sondern auch mit Hilfe von dritten Unternehmen, die der Klägerin die von ihnen erbrachten Leistungen (zutreffend) mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in Rechnungen stellten.

Die Klägerin begehrte diese in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge im Rahmen des Vorsteuerabzugs. Das FG der ersten Instanz ließ einen Vorsteuerabzug in vollem Umfang zu (; ausführlich hierzu ).

Der BFH hat dem nun folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  • Sind unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG dahin gehend auszulegen, dass einer geschäftsleitenden Holding, die steuerpflichtige Ausgangsumsätze an Tochtergesellschaften ausführt, das Recht auf Vorsteuerabzug auch für Leistungen, die sie von Dritten bezieht und gegen die Gewährung einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn in die Tochtergesellschaften einlegt, zusteht, obwohl die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den (weitgehend) steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, die bezogenen Eingangsleistungen in den Preis der (an die Tochtergesellschaften erbrachten) steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören?

  • Falls die Frage 1 bejaht wird: Stellt es einen Rechtsmissbrauch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH dar, wenn eine geschäftsleitende Holding derart in den Leistungsbezug von Tochtergesellschaften "zwischengeschaltet" wird, dass sie die Leistungen, für die den Tochtergesellschaften bei unmittelbarem Leistungsbezug kein Recht auf Vorsteuerabzug zustünde, selbst bezieht, in die Tochtergesellschaften gegen Beteiligung an deren Gewinn einlegt und anschließend unter Berufung auf ihre Stellung als geschäftsleitende Holding den vollen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen geltend macht, oder kann diese Zwischenschaltung durch außersteuerrechtliche Gründe gerechtfertigt werden, obwohl der volle Vorsteuerabzug an sich systemwidrig ist und zu einem Wettbewerbsvorteil von Holding-Konstruktionen gegenüber einstufigen Unternehmen führen würde?

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung ist von besonderer praktischer Bedeutung. Sollte der EuGH die nationale Sichtweise aufgrund der vorhandenen Grundsätze der bisherigen EuGH-Rechtsprechung befürworten, würde dies dazu führen, dass Gestaltungen in Holdingstrukturen aus umsatzsteuerlicher Sicht in Fällen, in denen der Vorsteuerabzug bei der Tochtergesellschaft daran scheitert, dass deren Ausgangsumsätze (teilweise) steuerfrei sind, sinnvoll wären.

Es spricht jedoch gegen eine solche mögliche Rechtsprechung des EuGH, dass er im Fall C&D Foods Acquisition () selbst nicht zwingend zu dem Ergebnis gekommen ist, dass alle Aufwendungen als Allgemeinkosten zu berücksichtigen sind, sondern es auf den ausschließlichen Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes ankommt. Der EuGH hat somit selbst seine Grundsätze der Holding-Rechtsprechung relativiert und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie evtl. nicht auf die Fälle - wie die des Besprechungsfalles - anzuwenden sind. Auch außerhalb der „Holdingfälle“ bringt der EuGH in verschiedenen Urteilen zum Ausdruck, dass es zu einer Unterbrechung des Zusammenhangs zwischen den Eingangs- und Ausgangsumsätzen kommen kann.

Es bleibt den betroffenen Steuerpflichtigen nichts anderes übrig als entweder entsprechende Gestaltungen mit dem Risiko vorzunehmen, dass der EuGH diese nicht "honoriert", oder von vornherein auf solche Gestaltungen zu verzichten bzw. die Entscheidung des EuGH abzuwarten, um dann erst evtl. Gestaltungen wie die des Besprechungsfalles vorzunehmen.

Der Senat hat zwei Fragen an den EuGH gerichtet. Damit hat der EuGH die Möglichkeit, auf zwei verschiedenen Wegen solche Gestaltungen auszuhebeln, entweder als Ausnahmen von den Grundsätzen der Besteuerung von Holdingesellschaften oder als Deklarierung als rechtsmissbräuchlich.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB WAAAH-70953