DBA | Besteuerungsbefugnis für Geschäftsführervergütungen und -abfindungen nach dem DBA-Polen 2003 (BFH)
Die vom OECD-Musterabkommen abweichende Sonderregelung des Art. 16 Abs. 2 DBA Polen 2003, in der die Besteuerungsbefugnis für Vergütungen einer Person in ihrer Eigenschaft als "bevollmächtigter Vertreter" geregelt wird, gilt auch für Geschäftsführer einer deutschen GmbH. Sie erfasst auch Abfindungen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach der deutschen Sprachfassung des Art. 16 Abs. 1 DBA Polen 2003 können "Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen" und ähnliche Zahlungen, die eine in Polen ansässige Person "in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats" einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft bezieht, in Deutschland besteuert werden. Art. 16 Abs. 2 DBA Polen 2003 erweitert diese Regelung auf Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in Polen ansässige Person "in ihrer Eigenschaft als bevollmächtigter Vertreter" einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft bezieht.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über einen Haftungsbescheid, durch den die Klägerin für Lohnsteuer ihrer ehemaligen Geschäftsführerin, der Beigeladenen, in Anspruch genommen wird. Im Streit ist insbesondere die abkommensrechtliche Behandlung des laufenden Arbeitslohns und einer Abfindung.
Die Klägerin, eine inländische GmbH, bestellte die Beigeladene zum Mitglied der Geschäftsführung. Sie hatte ihren Wohnsitz ausschließlich in Polen. Ihre Tätigkeit übte sie teilweise in Deutschland, zum überwiegenden Teil aber in Polen und anderen Staaten aus. Im Juli 2013 wurde die Beigeladene von ihren Tätigkeiten freigestellt. Die Beigeladene erhielt für das Jahr 2013 u.a. ihr anteiliges Festgehalt, eine variable Vergütung sowie einen Betrag zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen. Zudem wurde in dem Aufhebungsvertrag eine Abfindung vereinbart. Das FA nahm die Klägerin hinsichtlich derjenigen Vergütungen und geldwerten Vorteile, für die bisher keine Lohnsteuer angemeldet und abgeführt worden war, mit dem Haftungsbescheid vom gem. § 42d EStG in Anspruch.
Die gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Deutschland hat als Ansässigkeitsstaat der Klägerin gem. Art. 16 DBA Polen 2003 das Besteuerungsrecht für sämtliche Geschäftsführervergütungen der Beigeladenen (einschließlich der Abfindung).
Die polnische Sprachfassung des Art. 16 Abs. 1 DBA Polen 2003 bezieht sich nicht auf den Verwaltungsrat, sondern auf die Geschäftsführung bzw. den Vorstand. Nach der Schlussklausel des DBA Polen 2003 sind die deutsche und die polnische Sprachfassung gleichermaßen verbindlich.
Auch wenn in der deutschen Sprachfassung des Art. 16 DBA Polen 2003 Geschäftsführer einer GmbH nicht ausdrücklich erwähnt werden, sind sie als "bevollmächtigter Vertreter" i. S. des Art. 16 Abs. 2 DBA Polen 2003 anzusehen.
Der Begriff "bevollmächtigter Vertreter" des Art. 16 Abs. 2 DBA Polen 2003 ist nicht in dem Abkommen definiert. Außerdem lässt sich unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Bedeutung dieses Begriffs aus dem Wortlaut keine Beschränkung auf rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Vertreter herleiten. Vielmehr handelt es sich um eine allgemeine Formulierung, die grundsätzlich auch diejenigen Vertreter erfassen kann, deren gesetzliche Vertretungsmacht auf einer organschaftlichen Stellung beruht.
Art. 16 Abs. 2 DBA Polen 2003 erfasst die gesamten Geschäftsführervergütungen der Beigeladenen einschließlich der Abfindung. Nach ihrem Wortlaut regelt die Vorschrift ein Besteuerungsrecht für "Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen", die von einer Person "in ihrer Eigenschaft als bevollmächtigter Vertreter einer Gesellschaft" bezogen werden. Aufgrund dieses Wortlauts ist die Rechtsprechung des BFH zur Behandlung von Abfindungen nach abkommensrechtlichen Regelungen, die Art. 15 OECD-MustAbk nachgebildet sind, nicht entsprechend anwendbar.
Nach Art. 16 Abs. 2 DBA Polen 2003 genügt es, wenn die Vergütung in der "Eigenschaft als bevollmächtigter Vertreter" bezogen wird. Damit knüpft die Vorschrift nicht an die konkrete Tätigkeit, sondern lediglich an den Status des Steuerpflichtigen an, im Streitfall also an den Status der Beigeladenen als Geschäftsführerin der Klägerin. Deshalb werden auch Abfindungen erfasst, die aufgrund der Beendigung dieses Status gezahlt werden (s. zum DBA-Frankreich).
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
SAAAH-69768