Online-Nachricht - Donnerstag, 07.01.2021

Umsatzsteuer | Steuerbefreiung medizinischer Telefonberatung (BFH)

Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sog. Gesundheitstelefons können einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" fallen (; Nachfolgeentscheidung zu , "X-GmbH").

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen u.a. ein sog. Gesundheitstelefon zur Beratung von Versicherten in medizinischer Hinsicht. Die wurden durch Krankenschwestern und Arzthelfer erbracht, die größtenteils auch als „Gesundheitscoach“ ausgebildet waren. In ca. einem Drittel der Fälle wurde ein Arzt hinzugezogen, der die Beratung übernahm bzw. bei Rückfragen Anweisungen oder eine Zweitmeinung erteilte.

Das FA weigerte sich die Beratungsleistungen gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG von der Umsatzsteuer zu befreien. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 5.11.2015). Der BFH zweifelte ebenfalls daran, dass für die telefonischen Beratungsleistungen der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL eröffnet sei und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor (, s. hierzu u.a. Mann, NWB Online, Stand 19.2.2019 sowie Rennar, ).

Der EuGH urteilte, dass auch telefonisch erbrachte Beratungsleistungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheiten unter die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL fallen können, wenn sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgen. In Bezug auf die Qualifikationsanforderungen an das eingesetzte Personal stellt der EuGH fest, dass die Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum haben und für die telefonische Beratung eine Zusatzqualifikation unter Beachtung der steuerlichen Neutralität gefordert werden könne. Die Prüfung beider Punkte obliege den nationalen Gerichten (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.3.2020, sowie Grambeck, )

Der BFH hob nun die Entscheidung des FG Düsseldorf auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:

  • Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sog. Gesundheitstelefons können einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" fallen.

  • Telefonische Beratungen im Rahmen von Patientenbegleitprogrammen können Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein, wenn diese als Patientenschulungen im Rahmen der ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation nachgewiesen einen therapeutischen Zweck erfüllen.

  • Für die nicht unter einen der Katalogberufe des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallenden Unternehmer kann sich die erforderliche Berufsqualifikation entweder aus einer berufsrechtlichen Regelung oder daraus ergeben, dass die betreffenden heilberuflichen Leistungen in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.

  • Es obliegt nun dem FG, Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu den von der Klägerin mit dem Betrieb des Gesundheitstelefons erbrachten Leistungen zu treffen und diese gemäß den Rechtsgrundsätzen des EuGH-Urteils X-GmbH (EU:C:2020:169, Rz 31 bis 33) rechtlich einzuordnen.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke , Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung betrifft insbesondere telefonische Beratungsleistungen, deren Kosten von Krankenkassen übernommen wurden. Der BFH hatte mehrere Fragen in diesem Zusammenhang an den EuGH in einem Vorlagebeschluss gestellt. Der EuGH hat in der als X-GmbH bezeichneten Rechtssache entschieden und klar zum Ausdruck gebracht, unter welchen Bedingungen Beratungen per Telefon "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL darstellen. Sie müssen – und das ist vom Rechtsanwender auch nach nationalem Recht zu prüfen - einen therapeutischen Zweck verfolgen. Dies dürfte bei telefonischer Aufnahme eines Befundes m.E. schon zu bejahen sein, da dies schon therapeutischen Zwecken dient.

Der EuGH - und darauf verweist die Entscheidung auch - hat in seiner Entscheidung unter Rz. 32 und 33 Fälle dargelegt, in denen keine therapeutischen Zwecke festgestellt werden können. So ist die Erteilung von Auskünften über Erkrankungen oder Therapien nicht geeignet, von Maßnahmen zu sprechen, die therapeutischen Zwecken dienen. Auch die Erteilung von Auskünften administrativer Art (z.B. für die bestimmte Behandlung ist Herr Dr. X zuständig) reicht nicht aus, um von Beratungen zu sprechen, die therapeutischen Zwecken dienen.

Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, damit es u.a. insoweit auch die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB GAAAH-68077