Online-Nachricht - Donnerstag, 10.12.2020

Verfahrensrecht | Erlass eines "Erstattungsbescheids" nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BFH)

Im Streitfall stellt sich die Frage, ob ein Steuerbescheid über einen eine Insolvenzforderung betreffenden Steueranspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen und dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben werden kann, wenn sich nach Abzug der Anrechnungsbeträge (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) von der festgesetzten Einkommensteuer ein Erstattungsbetrag ergibt. Der BFH hat das BMF zum Beitritt zu diesem Verfahren aufgefordert (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B. B war im Kalenderjahr 2014 (Streitjahr) Alleingesellschafter und Geschäftsführer der C GmbH, die wiederum Alleingesellschafterin der D GmbH war.

Ende 2014 meldete die D GmbH Insolvenz an; das Insolvenzverfahren wurde am eröffnet. Die am beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die C GmbH wurde durch Beschluss vom mangels Masse abgelehnt. Über das Vermögen des B wurde auf Grund seines Antrags vom am das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt.

Im August 2015 reichte der Kläger eine von ihm selbst sowie von B und dessen Ehefrau unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim FA ein. Das FA setzte die Einkommensteuer 2014 mit Bescheid vom erklärungsgemäß in Höhe von 28.942 € fest. Unter Berücksichtigung einbehaltener Lohnsteuer sowie Kapitalertragsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 2.454 €. Das FA gab den Bescheid u.a. dem Kläger bekannt. Der vom Kläger eingelegte Einspruch und seine Klage blieben erfolglos.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Nach seiner Auffassung dürfe das FA nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich keine Bescheide mehr erlassen. Gleichwohl erlassene Bescheide seien nichtig.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Frage der Wirksamkeit eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt gegebenen Steuerbescheides, durch den eine positive Steuer festgesetzt wird und bei denen sich - wie im Streitfall - eine Steuererstattung nur unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen ergibt, ist umstritten.

  • Teile des Schrifttums sind der Auffassung, dass Steuerbescheide auch dann wirksam sind, wenn die Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen zu einem Erstattungs- oder Vergütungsanspruch führt.

  • Nach anderer Ansicht sollen Steuerbescheide, in denen eine positive Steuer festgesetzt wird, stets unwirksam sein.

  • Die Finanzverwaltung hatte Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird und bei denen sich eine Erstattung unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen ergibt, im AEAO ursprünglich nicht ausdrücklich erwähnt.

  • Seit der Änderung des AEAO durch das (BStBl I 2017, 1257) werden diese nunmehr explizit im neu eingefügten Abs. 4 des AEAO zu § 251 Nr. 4.3.1 behandelt: Danach habe eine Steuerfestsetzung zu erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter ausdrücklich die Erteilung eines Steuerbescheids beantragt, auch wenn sie sich auf anzumeldende Steuerforderungen auswirken könne. Ein solcher Antrag, der jedoch grundsätzlich nicht in der Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung zu sehen sei, sei erforderlich, wenn der Insolvenzverwalter die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und/oder Vorauszahlungen begehre mit dem Ziel ihrer (teilweisen) Erstattung zu Gunsten der Insolvenzmasse.

  • Der Senat erachtet zunächst eine Stellungnahme des BMF mit Blick auf die gängige Praxis der Finanzverwaltung zur Bekanntgabe von Steuerbescheiden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (für vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche) für sinnvoll. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob durch die Änderung des AEAO zu § 251 Nr. 4.3.1 Abs. 4 die bisherige Verwaltungspraxis bestätigt oder geändert wurde und welche Beweggründe hierfür eine Rolle gespielt haben.

  • Zudem ist unklar, wie die durch den AEAO konsolidierte Verwaltungspraxis aussieht, wenn - wie vorliegend - (lediglich) eine Steuererklärung ohne (ausdrücklichen) Antrag auf Erteilung eines Steuerbescheids abgegeben wurde.

  • Angesichts der Komplexität der angesprochenen Fragen erscheint es sachgerecht, das BMF in den Entscheidungsprozess einzubinden. Das BMF wird deshalb aufgefordert, gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Revisionsverfahren beizutreten.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB DAAAH-66205