EuGH Urteil v. - C-593/14

Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Steuervorschriften im Bereich der Unterkapitalisierung der Tochtergesellschaften – Einbeziehung der von einer Darlehen nehmenden nicht gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlten Darlehenszinsen in den steuerpflichtigen Gewinn einer Darlehen gebenden Gesellschaft – Steuerbefreiung der von einer Darlehen nehmenden gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen – Ausgewogene Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten – Notwendigkeit, der Steuerfluchtgefahr vorzubeugen

Leitsatz

Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach einer gebietsansässigen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlte Zinsen gewährt wird, soweit Letztere die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht hat abziehen können, aber die Steuerbefreiung, die sich aus der Anwendung der eigenen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über die Unterkapitalisierung ergibt, ausschließt, wenn die Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

Gesetze: EG Art 43, EG Art 48, AEUV Art 49, AEUV Art 54

Instanzenzug:

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 54 AEUV.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Masco Denmark ApS und der Damixa ApS auf der einen und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) auf der anderen Seite wegen der Entscheidung der nationalen Steuerbehörde, in den steuerpflichtigen Gewinn einer Darlehen gebenden Muttergesellschaft mit Sitz in Dänemark die von einer Darlehen nehmenden Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland gezahlten Zinsen einzubeziehen, die nach den deutschen Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung vom steuerpflichtigen Gewinn dieser Tochtergesellschaft nicht abgezogen werden können.

Rechtlicher Rahmen

Dänisches Recht

3 Gemäß § 4 Buchst. e des Lov om Indkomst- og Formueskat til Staten (Gesetz über die staatliche Einkommen- und Vermögensteuer) muss eine dänische Gesellschaft Zinseinkünfte grundsätzlich versteuern.

4 Dänische Gesellschaften können nach § 6 Buchst. e dieses Gesetzes Zinsaufwendungen generell abziehen.

5 Das Recht der Gesellschaften, die Zinsaufwendungen abzuziehen, ist jedoch nach § 11 des Lov om indkomstbeskatning af aktieselskaber m.v. (Selskabsskattelov) (Körperschaftsteuergesetz, im Folgenden: SSL) im Fall der Unterkapitalisierung beschränkt. § 11 Abs. 1 sah in seiner auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerjahre anwendbaren Fassung vor:

„Wenn eine Gesellschaft oder eine Vereinigung

  1. unter § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 2a, 2d bis g und 3a bis 5b fällt[, d. h. für steuerliche Zwecke in Dänemark ansässig ist];

  2. Verbindlichkeiten gegenüber in § 2 Abs. 1 des [Lov om påligningen af indkomstskat til staten oder Ligningslov (Steuerbemessungsgesetz)] aufgeführten juristischen Personen[, d. h. eine Verbindlichkeit gegenüber Gesellschaftern oder Gesellschaften desselben Konzerns, im Folgenden: kontrollierte Verbindlichkeiten,] hat;

  3. und das Fremdkapital (die Verbindlichkeiten) der Gesellschaft oder der Vereinigung im Verhältnis zum Eigenkapital der Gesellschaft am Ende des Steuerjahrs einen Betrag erreicht, der das Verhältnis von 4:1 zum Eigenkapital übersteigt;

können Zinsaufwendungen oder Verluste für den überschießenden Teil der kontrollierten Verbindlichkeiten nicht abgezogen werden … Darlehen von Dritten, für die die kontrollierenden Gesellschafter oder die mit ihnen verbundenen Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar Sicherheit geleistet haben, gelten als kontrollierte Verbindlichkeiten. Der Ausschluss des Abzugs entfällt in dem Umfang, in dem die Gesellschaft oder die Vereinigung nachweist, dass eine vergleichbare Finanzierung zwischen unabhängigen Parteien erlangt werden kann. Der Abzug ist nur dann ausgeschlossen, wenn die kontrollierten Verbindlichkeiten mehr als 10 Mio. [dänische Kronen (DKK) (etwa 1 344 528 Euro)] betragen. Der Abzug ist allein für den Teil der kontrollierten Verbindlichkeiten ausgeschlossen, der in Eigenkapital umgewandelt werden kann, damit das Verhältnis zwischen Fremdkapital (Verbindlichkeiten) und Eigenkapital am Ende des Steuerjahrs 4:1 beträgt.“

6 Die Vorschriften über Unterkapitalisierung wurden mit dem Gesetz Nr. 432 vom eingeführt, das eine Anwendung nur dann vorsah, wenn der Gläubiger nicht in Dänemark steuerpflichtig war. Mit dem Gesetz Nr. 221 vom (im Folgenden: Gesetz zur Änderung des SSL) wurde die Regelung in § 11 SSL indes geändert, so dass diese nunmehr auch dann anwendbar ist, wenn sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger in Dänemark steuerpflichtig sind.

7 In diesem Zusammenhang wurde § 11 Abs. 6 SSL eingeführt. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„Zinsen oder Kursgewinne werden bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte Steuerpflichtiger [(steuerpflichtige Gesellschaften und steuerpflichtige Betriebsstätten steuerpflichtiger Gesellschaften)] nicht berücksichtigt, wenn der Schuldner die entsprechenden Beträge nicht nach Abs. 1 abziehen kann.“

8 Aus den Vorarbeiten zu dem Gesetz zur Änderung des SSL geht hervor, dass „[a]ls Konsequenz aus dem Ausschluss des Abzugs für dänische Gesellschaften … im Gegenzug vorgeschlagen [wird], dass in Dänemark steuerpflichtige Gesellschaften die Zinsen, die der Darlehensnehmer nach den neuen Vorschriften nicht abziehen kann, nicht versteuern müssen, genauso wie Dänemark Gesellschaften in anderen Unionsländern in Bezug auf solche Zinsen nicht besteuert“.

Deutsches Recht

9 Die in den Steuerjahren 2005 und 2006 geltenden deutschen Rechtsvorschriften über Unterkapitalisierung sind in § 8a des Körperschaftsteuergesetzes (im Folgenden: KStG) enthalten. Danach ist eine Gesellschaft unterkapitalisiert, wenn ihr Fremdkapital um mehr als eineinhalbmal ihr Eigenkapital übersteigt. In solchen Fällen besteht kein Recht auf Abzug von Zinsaufwendungen für Darlehen, es sei denn, die Gesellschaft weist nach, dass das betreffende Darlehen von einem Dritten zu entsprechenden Bedingungen aufgenommen werden könnte.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10 Damixa ist ein dänisches Unternehmen, das insbesondere Wasserhähne herstellt und vertreibt. In den Steuerjahren 2005 und 2006, in denen sie eine Tochtergesellschaft von Masco Denmark war, wurde Damixa auf dem deutschen Markt von ihrer 100%igen Tochtergesellschaft, Damixa Armaturen, repräsentiert.

11 Nach mehreren Jahren mit erheblichen Defiziten geriet Damixa Armaturen in den Steuerjahren 2005 und 2006 in finanzielle Schwierigkeiten. Zum betrug das akkumulierte Defizit 28 Mio. Euro, was ein negatives Eigenkapital von 22,8 Mio. Euro bedeutete. Zum belief sich das akkumulierte Defizit von Damixa Armaturen auf 30,9 Mio. Euro, so dass sie ein negatives Eigenkapital von 25,8 Mio. Euro verzeichnete.

12 Die Verluste von Damixa Armaturen wurden im Wesentlichen mit Darlehen von Damixa finanziert. Am Ende der Steuerjahre 2005 und 2006 schuldete Damixa Armaturen der Damixa 24,8 Mio. Euro bzw. 27,7 Mio. Euro.

13 Die Darlehen wurden von Damixa zum Diskontsatz zuzüglich 0,5 % verzinst. Daher fielen für jedes in Rede stehende Steuerjahr Zinsen in Höhe von 3 935 980 DKK (etwa 529 203 Euro) und 5 648 765 DKK (etwa 759 492 Euro) an.

14 Damixa Armaturen hat diese Zinsen in Deutschland nicht abgezogen, da sie die Zinsaufwendungen nach den deutschen Vorschriften über die Beschränkung des Abzugs im Fall einer Unterkapitalisierung als nicht abzugsfähige Gewinnausschüttungen angesehen hat.

15 Damixa hat in ihrer Steuererklärung die in Rede stehenden Zinseinkünfte nicht angegeben, da sie der Auffassung ist, dass die dänische Regelung über die Besteuerung von Zinseinkünften gegen Unionsrecht verstoße.

16 Mit Entscheidung vom stellte die dänische Steuerbehörde fest, dass die Zinseinkünfte aus den Darlehen von Damixa und Damixa Armaturen in den Jahren 2005 und 2006 in die steuerpflichtigen Gewinne von Damixa einzubeziehen seien.

17 Gegen diese Entscheidung wurde beim Landsskatteret (Nationale Steuerkommission, Dänemark) Einspruch eingereicht, den sie mit Entscheidung vom zurückwies.

18 Am erhoben Masco Denmark und Damixa Klage gegen diese zurückweisende Entscheidung beim Ret i Odense (Gericht in Odense, Dänemark), dann legten sie gegen das von diesem Gericht erlassene ablehnende Urteil Berufung beim Vestre Landsret (Berufungsgericht der Region West, Dänemark) ein.

19 Masco Denmark und Damixa machten beim vorlegenden Gericht geltend, dass die fraglichen dänischen Vorschriften gegen Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV verstießen, weil sie mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar seien und diese Unvereinbarkeit nicht gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang trugen sie vor, dass die in § 11 Abs. 6 SSL vorgesehene Steuerbefreiung nur anwendbar sei, wenn die Darlehen nehmende Tochtergesellschaft in Dänemark ansässig sei.

20 Dem widerspricht das Skatteministerium, das der Ansicht ist, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Damixa Armaturen habe ihre Zinsaufwendungen aufgrund der deutschen Steuervorschriften nicht abziehen können. Das Skatteministerium ist ferner der Ansicht, der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuernachteil sei Folge der parallelen Ausübung der Besteuerungsbefugnis durch das Königreich Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland.

21 Unter diesen Umständen hat das Vestre Landsret (Berufungsgericht der Region West) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Verwehrt es Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG (jetzt Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV) einem Mitgliedstaat, einer inländischen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für Zinseinkünfte in dem Fall zu versagen, dass eine verbundene Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die entsprechenden Zinsaufwendungen nach Vorschriften dieses Mitgliedstaats über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung (wie den hier vorliegenden) steuerlich nicht abziehen kann, wenn der Mitgliedstaat einer inländischen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für Zinseinkünfte in dem Fall gewährt, dass eine verbundene Gesellschaft, die im Inland ansässig ist, die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den nationalen Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung (wie den hier vorliegenden) steuerlich nicht abziehen kann?

Zur Vorlagefrage

22 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach einer gebietsansässigen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlte Zinsen gewährt wird, soweit Letztere die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht hat abziehen können, eine solche Steuerbefreiung jedoch ausschließt, wenn die Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

23 Es ist daran zu erinnern, dass mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Unionsbürgern gewährt, gemäß Art. 54 AEUV für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, das Recht verbunden ist, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , A, C‑123/11, EU:C:2013:84, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24 Auch wenn die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, verbieten sie es doch ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft – insbesondere durch eine Tochtergesellschaft – in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Timac Agro Deutschland, C‑388/14, EU:C:2015:829, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25 Die Niederlassungsfreiheit wird behindert, wenn nach der Steuerregelung eines Mitgliedstaats eine gebietsansässige Gesellschaft, die eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat unterhält, steuerlich ungünstiger behandelt wird als eine gebietsansässige Gesellschaft mit einer Tochtergesellschaft im erstgenannten Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Timac Agro Deutschland, C‑388/14, EU:C:2015:829, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass eine Steuerbefreiung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die einer gebietsansässigen Gesellschaft für die von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen nach den nationalen Rechtsvorschriften gewährt wird, soweit diese die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den nationalen Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht hat abziehen können, einen steuerlichen Vorteil darstellt.

27 Der Umstand, dass einer gebietsansässigen Muttergesellschaft ein solcher Vorteil für Zinsen verwehrt wird, die von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft gezahlt wurden, soweit diese Zinsen vom steuerpflichtigen Gewinn dieser Tochtergesellschaft nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über Unterkapitalisierung nicht abgezogen werden können, kann es für die Muttergesellschaft weniger attraktiv machen, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, und sie davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen.

28 Eine solche Ungleichbehandlung, die im Ausgangsverfahren allein auf den dänischen Vorschriften beruht, ist nur statthaft, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil vom , Finanzamt Linz, C‑66/14, EU:C:2015:661, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29 Erstens ist festzustellen, ob die in Rede stehenden Situationen objektiv vergleichbar sind. Zu diesem Zweck ist darauf hinzuweisen, dass die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen ist (Urteil vom , Finanzamt Linz, C‑66/14, EU:C:2015:661, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30 Aus den Vorarbeiten zu dem Gesetz zur Änderung des SSL, die in Rn. 8 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, geht hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerbefreiung eingeführt wurde, um zu vermeiden, dass in Dänemark ansässige Muttergesellschaften die Zinsen ihrer Tochtergesellschaften für diesen gewährte Darlehen versteuern müssen, wenn ihre Tochtergesellschaften die entsprechenden Zinsaufwendungen zur Gänze oder teilweise nach Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht abziehen können.

31 Somit ist festzustellen, dass zum einen die Situation einer gebietsansässigen Muttergesellschaft, die einer den Vorschriften über Unterkapitalisierung unterliegenden gebietsansässigen Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt hat, und zum anderen die Situation einer gebietsansässigen Muttergesellschaft, die einer nicht gebietsansässigen Tochtergesellschaft, die solchen Vorschriften in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem sie steuerlich ansässig ist, ein Darlehen gewährt hat, im Hinblick auf dieses Ziel objektiv vergleichbar sind. In diesen beiden Situationen können die Zinseinkünfte der Muttergesellschaft nämlich einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder mehrfachen Belastung unterliegen, was die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung vermeiden soll.

32 Zweitens ist zu prüfen, ob eine solche Ungleichbehandlung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

33 Um auf diese Weise gerechtfertigt zu sein, muss eine solche Ungleichbehandlung zur Erreichung des angeführten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (Urteil vom , X Holding, C‑337/08, EU:C:2010:89, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34 Das Königreich Dänemark trägt vor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ungleichbehandlung sowohl durch die Notwendigkeit, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, als auch durch die Verhinderung der Steuerumgehung gerechtfertigt sei.

35 Was die Notwendigkeit angeht, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, so kann diese eine Ungleichbehandlung dann rechtfertigen, wenn mit der untersuchten Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Besteuerungszuständigkeit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden (Urteil vom , A, C‑123/11, EU:C:2013:84, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36 Zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten kann es somit erforderlich sein, auf die wirtschaftliche Tätigkeit der in einem dieser Staaten niedergelassenen Gesellschaften sowohl in Bezug auf Gewinne als auch in Bezug auf Verluste nur dessen Steuerrecht anzuwenden (Urteil vom , A, C‑123/11, EU:C:2013:84, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Würde nämlich den Gesellschaften die Möglichkeit eingeräumt, für die Berücksichtigung ihrer Verluste im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung oder aber in einem anderen Mitgliedstaat zu optieren, würde dadurch die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigt, da sich die Bemessungsgrundlagen in diesen beiden Staaten in Höhe der übertragenen Verluste ändern würden (Urteil vom , A, C‑123/11, EU:C:2013:84, Rn. 43).

38 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die im Ausgangsverfahren fragliche Steuerbefreiung auf allein die von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen beschränkt, geeignet ist, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten zu wahren. Indem einer gebietsansässigen Gesellschaft, die einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt hat, eine Steuerbefreiung für sämtliche von ihrer Tochtergesellschaft gezahlte Zinsen gewährt wird, die von dieser Tochtergesellschaft nach den Vorschriften über die Unterkapitalisierung dieses anderen Mitgliedstaats nicht abgezogen werden konnten, würde der Mitgliedstaat des Sitzes der Muttergesellschaft nämlich, je nachdem, welche Wahl die miteinander verbundenen Gesellschaften getroffen hätten, auf sein Besteuerungsrecht für die Zinseinkünfte in Abhängigkeit der von dem Mitgliedstaat des Sitzes der Tochtergesellschaften erlassenen Vorschriften über die Unterkapitalisierung verzichten, was die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung vermeiden soll.

39 Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende geht aber über das hinaus, was zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist.

40 Zwar kann die Niederlassungsfreiheit nicht dahin verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt, da die Entscheidungen, die eine Gesellschaft in Bezug auf die Festlegung von Unternehmensstrukturen im Ausland trifft, je nach Fall Vor- oder Nachteile für sie haben können (Urteil vom , Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, C‑157/07, EU:C:2008:588, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41 Daher kann in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV nicht zur Folge haben, den Mitgliedstaat des Sitzes einer Muttergesellschaft, die einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt hat, zu verpflichten, über eine Steuerbefreiung zugunsten dieser Muttergesellschaft mit dem Betrag der Zinsausgaben hinauszugehen, der von der Tochtergesellschaft nicht abgezogen werden könnte, wenn die Vorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats über die Unterkapitalisierung angewendet würden. Diese Artikel können daher nicht zur Folge haben, den Mitgliedstaat des Sitzes dieser Muttergesellschaft zu verpflichten, eine Steuerbefreiung zu deren Gunsten mit einem höheren Betrag vorzusehen, der seinen Ursprung im Steuersystem eines anderen Mitgliedstaats hat, da sonst die Steuerautonomie des erstgenannten Mitgliedstaats durch die Ausübung der Steuerhoheit des anderen Mitgliedstaats beschränkt würde (vgl. entsprechend Urteil vom , Meilicke u. a., C‑262/09, EU:C:2011:438, Rn. 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

42 Zu unterstreichen ist gleichwohl, dass ein Mitgliedstaat, in dem ein System zur Vermeidung oder Abschwächung der mehrfachen Belastung oder wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei Dividendenausschüttungen durch gebietsansässige Gesellschaften an ebenfalls Gebietsansässige besteht, bei Dividendenausschüttungen durch gebietsfremde Gesellschaften an Gebietsansässige eine gleichwertige Behandlung vorzusehen hat (Urteil vom , Meilicke u. a., C‑262/09, EU:C:2011:438, Rn. 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

43 In einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens, das eine Muttergesellschaft in einem Mitgliedstaat betrifft, deren Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, der strengere Vorschriften über die Unterkapitalisierung anwendet, ansässig ist, beeinträchtigt der Umstand, dass der Mitgliedstaat des Sitzes der Muttergesellschaft dieser Gesellschaft eine Steuerbefreiung für die von der Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen bis zur Höhe des Betrags gewährt, den die Tochtergesellschaft nach den Vorschriften über die Unterkapitalisierung dieses letztgenannten Mitgliedstaats steuerlich nicht hat abziehen können, nämlich nicht die ausgewogene Verteilung der Besteuerungsbefugnis und stellt eine die Niederlassungsfreiheit weniger beschränkende Maßnahme als diejenige dar, die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung vorgesehen ist (vgl. entsprechend Urteile vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑446/04, EU:C:2006:774, Rn. 52, sowie vom , Meilicke u. a., C‑262/09, EU:C:2011:438, Rn. 32).

44 Was das Ziel der Verhinderung der Steuerumgehung angeht, muss, damit ein auf eine solche Rechtfertigung gestütztes Argument durchgreifen kann, das spezifische Ziel dieser Maßnahme die Verhinderung von rein künstlichen Konstruktionen sein, die keinerlei Beziehung zur wirtschaftlichen Realität haben und dazu bestimmt sind, die Steuer zu umgehen, die normalerweise auf die durch Tätigkeiten im Inland erzielten Gewinne zu zahlen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Timac Agro Deutschland, C‑388/14, EU:C:2015:829, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45 Insoweit ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die darauf ausgerichtet sind, die dänischen Steuervorschriften zu umgehen, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern generell jede gebietsansässige Gesellschaft, die – aus welchem Grund auch immer – einer unterkapitalisierten Tochtergesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein Darlehen gewährt hat, vom Kreis der Begünstigten ausschließen (vgl. entsprechend Urteil vom , Lankhorst-Hohorst, C‑324/00, EU:C:2002:749, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46 Außerdem scheint aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorzugehen, dass die von Damixa gewährten Darlehen im Wesentlichen die Verluste von Damixa Armaturen finanzieren sollten, die im maßgeblichen Zeitraum in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten war, und daher von vornherein keine rein künstliche Konstruktion zu allein steuerlichen Zwecken darstellten.

47 Unter diesen Umständen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach einer gebietsansässigen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlte Zinsen gewährt wird, soweit Letztere die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht hat abziehen können, aber die Steuerbefreiung, die sich aus der Anwendung der eigenen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über die Unterkapitalisierung ergibt, ausschließt, wenn die Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

Kosten

48 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach einer gebietsansässigen Gesellschaft eine Steuerbefreiung für von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gezahlte Zinsen gewährt wird, soweit Letztere die entsprechenden Zinsaufwendungen nach den Vorschriften über die Zinsabzugsbeschränkung bei Unterkapitalisierung steuerlich nicht hat abziehen können, aber die Steuerbefreiung, die sich aus der Anwendung der eigenen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über die Unterkapitalisierung ergibt, ausschließt, wenn die Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2016:984

Fundstelle(n):
ZAAAH-65055