BMF - III C 3 - S 7177/17/10001 BStBl 2020 I S. 1265

Umsatzsteuer; § 4 Nr. 20 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG; umsatzsteuerliche Begünstigung von Theateraufführungen und vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler

Bezug:

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Bezug: BStBl 2014 II S. 200

Bezug: BStBl 2013 II S. 352

Bezug: BStBl 2015 II S. 677

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Die Finanzbehörde hat nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 2 UStG zu prüfen, ob der Unternehmer eine Einrichtung betreibt, die einer solchen im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 UStG gleichartig ist. Weder Wortlaut noch Zweck von § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG lassen den Schluss zu, die Steuerbefreiung solle nur solchen Theatern zugutekommen, die „auf einem hohen Niveau“ arbeiten.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung versteht unter Theatervorführungen im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG nicht nur Aufführungen von Theaterstücken im engeren Sinne, Opern und Operetten, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst, der Eisrevuen und des Varietes bis zu den Puppenspielen. Begünstigt sind auch Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen. Für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG muss der Begriff der Theatervorführung in gleicher Weise bestimmt werden.

Mit Urteil vom , V R 61/14, hat der BFH entschieden, dass auf die Tätigkeit eines Hochzeits- oder Trauerredners der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung kommen kann, wenn es sich dabei ausnahmsweise um eine Tätigkeit eines „ausübenden Künstlers“ handelt.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom , BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das (2020/1099298), BStBl 2020 I S. 1202, geändert worden ist, wie folgt geändert:

  1. Abschnitt 4.20.1 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

    „(1) 1Ein Theater im Sinne des § 4 Nr. 20 UStG wendet sich in der Regel an eine unbestimmte Zahl von Zuschauern und hat die Aufgabe, der Öffentlichkeit Theaterstücke in künstlerischer Form nahezubringen (, NJW 2009 S. 793). 2Danach können Umsätze eines Theaters nur vorliegen, wenn Personen in irgendeiner Weise auf einer Bühne vor einem Publikum ein Stück zur Aufführung bringen oder eine für Zuschauer bestimmte Aufführung durch eine Person erfolgt (vgl. , BStBl 2014 II S. 200, und vom 10. 1. 2013, V R 31/10, BStBl 2013 II S. 352). 3Wenn z.B. so viele künstlerische und technische Kräfte und die zur Aufführung von Theaterveranstaltungen notwendigen technischen Voraussetzungen unterhalten werden, dass die Durchführung eines Spielplans aus eigenen Kräften möglich ist (, BStBl 1969 II S. 274), liegt ein Theater vor. 4Es genügt, dass ein Theater die künstlerischen und technischen Kräfte nur für die Spielzeit eines Stückes verpflichtet. 5Ein eigenes oder gemietetes Theatergebäude braucht nicht vorhanden zu sein (, BStBl 1960 III S. 277). 6Unter die Befreiungsvorschrift fallen deshalb auch die Theatervorführungen in einem Fernsehstudio, und zwar unabhängig davon, ob die Theatervorführung unmittelbar übertragen oder aufgezeichnet wird.“

  2. Abschnitt 4.20.1 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

    „(2) 1Zu den Theatern gehören auch Freilichtbühnen, Wanderbühnen, Zimmertheater, Heimatbühnen, Puppen-, Marionetten- und Schattenspieltheater sowie literarische und politische Kabaretts, wenn sie die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. 2Theatervorführungen sind auch Aufführungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst, des Varietes (u.a. Zauberei, Artistik und Bauchrednerei), der Eisrevuen sowie Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen (vgl. , BStBl II 2014 S. 200, und vom 10. 1. 2013, V R 31/10, BStBl 2013 II S. 352). 3Filmvorführungen fallen nicht unter die Steuerbefreiung. 4Dasselbe gilt für reine Autorenlesungen vor Publikum (vgl. ; XI R 35/12, BStBl 2015 II S. 677).“

  3. Abschnitt 12.5 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

    „(1) 1Begünstigt sind die in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG bezeichneten Leistungen, wenn sie nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG fallen. 2Die Begriffe Theater, Konzert und Museen sowie auch der Umfang der ermäßigt zu besteuernden Leistungen ausübender Künstler sind nach den Merkmalen abzugrenzen, die für die Steuerbefreiung maßgebend sind. 3Artikel 98 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 7 und 9 MwStSystRL erfasst sowohl die Leistungen einzelner ausübender Künstler als auch die Leistungen der zu einer Gruppe zusammengeschlossenen Künstler (vgl. , Kommission / Deutschland, BStBl 2004 II S. 337, 482). 4Die Leistungen von Dirigenten können dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG unterliegen; nicht dagegen die Leistungen von Regisseuren (soweit nicht umsatzsteuerfrei), Bühnen- und Kostümbildnern (vgl. aber Abschnitt 12.7 Abs. 19), Tontechnikern, Beleuchtern, Maskenbildnern, Souffleusen, Cuttern oder Kameraleuten. 5Die Tätigkeit eines Hochzeits- oder Trauerredners stellt grundsätzlich keine künstlerische Tätigkeit dar. 6Ist die Tätigkeit jedoch als die eines ausübenden Künstlers anzusehen, kann der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sein. 7Dies ist dann der Fall, wenn die künstlerische Leistung von einer eigenschöpferischen Leistung des Künstlers geprägt wird, in der seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt. 8Gegen eine künstlerische Tätigkeit spricht bei einer Redetätigkeit die Beschränkung auf eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüstes (vgl. , BStBl 2020 II S. 797).“

  4. Abschnitt 12.5 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

    „(2) 1Die Steuerermäßigung erstreckt sich auch auf die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten. 2Eine Veranstaltung setzt nicht voraus, dass der Veranstalter und der Darbietende verschiedene Personen sind. 3Die Theatervorführung bzw. das Konzert müssen den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmachen (vgl. , BStBl 1995 II S. 519). 4Zum Begriff Theater/Theatervorführungen gilt Abschnitt 4.20.1 entsprechend. 5Als Konzerte sind musikalische und gesangliche Aufführungen durch einzelne oder mehrere Personen anzusehen. 6Das bloße Abspielen eines Tonträgers durch einen Diskjockey ist kein Konzert. 7Jedoch kann eine „Techno“-Veranstaltung ein Konzert im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG sein (, BStBl 2006 II S. 101). 8Pop- und Rockkonzerte, die den Besuchern die Möglichkeit bieten, zu der im Rahmen des Konzerts dargebotenen Musik zu tanzen, können Konzerte sein (vgl. , a.a.O.). 9Begünstigt ist auch die Veranstaltung von Mischformen zwischen Theatervorführung und Konzert (vgl. a.a.0.). 10Leistungen anderer Art, die in Verbindung mit diesen Veranstaltungen erbracht werden, müssen von so untergeordneter Bedeutung sein, dass dadurch der Charakter der Veranstaltungen als Theatervorführung oder Konzert nicht beeinträchtigt wird (für eine sog. Dinner-Show siehe , a.a.O.). 11Nicht begünstigt sind nach dieser Vorschrift z.B. gesangliche, kabarettistische oder tänzerische Darbietungen im Rahmen einer Tanzbelustigung, einer sportlichen Veranstaltung oder zur Unterhaltung der Besucher von Gaststätten.“

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem ausgeführt werden, wird es nicht beanstandet, wenn die Vertragspartner die Leistungen - auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs - abweichend von den vorgenannten Ausführungen als umsatzsteuerpflichtig behandeln bzw. diese Umsätze dem allgemeinen Steuersatz unterwerfen.

BMF v. - III C 3 - S 7177/17/10001


Fundstelle(n):
BStBl 2020 I Seite 1265
DStR 2020 S. 10 Nr. 47
DStR 2020 S. 2681 Nr. 48
KÖSDI 2020 S. 22028 Nr. 12
UR 2021 S. 38 Nr. 1
UStB 2021 S. 14 Nr. 1
UVR 2021 S. 104 Nr. 4
TAAAH-63690