BGH Beschluss v. - IX ZB 26/19

Vergütung des Insolvenzverwalters: Inflationsausgleich bei Bemessung der Vergütung

Gesetze: Art 12 Abs 1 GG, § 63 Abs 1 S 1 InsO, § 2 Abs 1 InsVV

Instanzenzug: Az: 13 T 167/18 Beschlussvorgehend Az: 75 IN 475/11

Gründe

I.

1Das Insolvenzgericht bestellte den weiteren Beteiligten mit Beschluss vom zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Der weitere Beteiligte erstattete am die Schlussrechnung und beantragte, seine Vergütung als Insolvenzverwalter festzusetzen. Er machte geltend, die für die Regelvergütung maßgeblichen Staffelstufen des § 2 Abs. 1 InsVV seien inflationsbedingt um 17,92 vom Hundert zu erhöhen, weil der Erzeugerpreisindex für unternehmensnahe Beratungsdienstleistungen im Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 1998 um 17,92 vom Hundert gestiegen sei. Zudem beantragte er, Zuschläge auf die Regelvergütung in Höhe von 85 vom Hundert festzusetzen.

2Mit Beschluss vom setzte das Insolvenzgericht die Vergütung des weiteren Beteiligten auf der Grundlage eines Zuschlags von 46,17 vom Hundert fest und lehnte den verlangten Inflationsausgleich ab. Gegen diesen Beschluss hat der weitere Beteiligte sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Vergütungsantrag weiterverfolgt. Das Landgericht hat - nach Übertragung der Sache auf die Kammer - die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte sein Begehren einer inflationsbedingten Anpassung der Vergütung weiter.

II.

3Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZIP 2019, 1132 ff veröffentlicht ist, hat - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt, eine inflationsbedingte Anpassung der Vergütung komme nicht in Betracht. Es fehle an einer Kompetenz der Gerichte. Zwar müsse die dem Insolvenzverwalter zustehende Vergütung insgesamt einen seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessenen Umfang erreichen. Dieses verfassungsrechtliche Gebot richte sich in erster Linie an den Verordnungsgeber.

5Dem Verordnungsgeber stehe ein Prognose- und Anpassungsspielraum für die Regelung der Vergütung von Insolvenzverwaltern zu. Aufgrund dieses Spielraums könne die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung erst dann als verfassungswidrig angesehen werden, wenn der zuzubilligende Zeitraum für eine Anpassung verstrichen sei. Bislang fehle es jedoch an einer entsprechenden Fristsetzung durch den Bundesgerichtshof.

6Im Übrigen sei eine verfassungskonforme Auslegung der Verordnung dahin, dass die Vergütungssätze mit einem etwa aus einem Erzeugerpreisindex für Dienstleistungen abgeleiteten Faktor zu vervielfältigen seien, rechtlich nicht möglich. § 2 Abs. 1 InsVV schreibe feste Regelsätze vor. Daraus folge, dass der Verordnungsgeber für den Regelfall eine Vergütung in einem genau bestimmten Verhältnis zur Insolvenzmasse vorsehe. Daher komme eine Anpassung des § 2 Abs. 1 InsVV nicht in Betracht; bei einer Unangemessenheit der Vergütung wäre diese Bestimmung schlechthin unanwendbar und es wäre § 612 Abs. 2 BGB heranzuziehen.

7In jedem Fall komme eine Nichtanwendung des § 2 InsVV nur dann in Betracht, wenn die bestehende Vergütungsregelung im zu entscheidenden Einzelfall zu unangemessenen Folgen führe. Hierzu habe der Insolvenzverwalter nichts vorgetragen. Es sei auch nicht erkennbar, dass die auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 InsVV einschließlich der tätigkeitsbezogenen Zuschläge gewährte Vergütung im vorliegenden Einzelfall im Verhältnis zu den entfalteten Tätigkeiten unangemessen niedrig sei.

82. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

9a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde, dass die gesetzlichen Bestimmungen für die Insolvenzverwaltervergütung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind (, ZIP 2015, 138 Rn. 10 mwN; vom - IX ZB 2/19, ZIP 2019, 2021 Rn. 13). § 63 Abs. 1 Satz 1 InsO ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass die dem Verwalter zustehende Vergütung insgesamt einen seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessenen Umfang erreichen muss ( aaO mwN). Ob die Ausgestaltung der Vergütung nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung diesen Anforderungen genügt, richtet sich im Ausgangspunkt nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, für das der Insolvenzverwalter eine Vergütung beansprucht. Die Insolvenzverwaltervergütung ist als Tätigkeitsvergütung ausgestaltet (, ZIP 2019, 82 Rn. 24 mwN), so dass für die Angemessenheit der Vergütung grundsätzlich nur die Verhältnisse bei Ausübung der Tätigkeit erheblich sein können. Anzuknüpfen ist dabei entsprechend allgemeinen Grundsätzen des Vergütungsrechts (vgl. § 61 RVG, § 134 Abs. 2 GNotKG, vgl. auch § 71 GKG, § 63 FamGKG) grundsätzlich an den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (, aaO; vgl. auch , BGHZ 157, 282, 300 zur Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV in der bis geltenden Fassung).

10b) Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht die Vergütung des Beteiligten rechtsfehlerfrei ausgehend von den Regelsätzen des § 2 Abs. 1 InsVV bestimmt. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Regelsätze des § 2 Abs. 1 InsVV zu einer unangemessen niedrigen Vergütung für die Tätigkeit des Beteiligten in dem am eröffneten Insolvenzverfahren führen.

11aa) Die von der Rechtsbeschwerde für das Jahr 2011 geltend gemachten Veränderungen gegenüber dem Stand seit Inkrafttreten der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung am rechtfertigen keine Erhöhung der dem weiteren Beteiligten zugesprochenen Vergütung. Wie der , zVb) für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Jahr 2016 entschieden und näher begründet hat, genügen hierzu für sich genommen weder die Geldentwertung noch der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Anstieg der Erzeugerpreise für Beratungsdienstleistungen. Für ein im Jahr 2011 eröffnetes Insolvenzverfahren gilt nichts anderes.

12Zudem hat der Bundesgerichtshof - wenn auch im Fall eines am eröffneten Insolvenzverfahrens - bereits ausgesprochen, dass die Erhöhung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland unter Zugrundelegung der Basiszahl 100 für das Jahr 2010 von Januar 1999 bis Juni 2014 von 83,9 auf 106,7 nicht genüge, um eine inflationsbedingte Anpassung der Vergütung zu rechtfertigen (, ZIP 2015, 138 Rn. 14). Die vom Beschwerdeführer für das Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 1999 behauptete Veränderung eines Erzeugerpreisindexes für unternehmensnahe Beratungsdienstleistungen um 17,92 vom Hundert bleibt hinter der Veränderung des Verbraucherpreisindexes bis zum Jahr 2014 zurück.

13bb) Wie der ) für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Jahr 2016 weiter ausgeführt und näher begründet hat, erfordert eine Überprüfung der Vergütungsregelungen im Hinblick auf den verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf eine angemessene Vergütung, dass dem Gericht Tatsachen zur Entwicklung der Einkommenssituation für Insolvenzverwalter unterbreitet werden. Diese Prüfung muss zudem sämtliche Umstände einbeziehen, die für die Festsetzung der Vergütung und die Einnahmen und Ausgaben des Insolvenzverwalters erheblich sind. Die Rechtsbeschwerde enthält hierzu keine Ausführungen und zeigt auch keine nähere Darlegung des weiteren Beteiligten auf.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:170920BIXZB26.19.0

Fundstelle(n):
HAAAH-63616