Gewerbsmäßige Hehlerei: Tatbestandsmerkmal des „Sichverschaffens“ bei Mitverfügungsbefugnis von Vortäter und Erwerber; Abwicklung des Verkaufs eines gestohlenen Fahrzeugs
Gesetze: § 259 Abs 1 Alt 2 StGB
Instanzenzug: Az: 120 KLs 4/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Urkundenfälschung in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch des Betruges blieb, sowie wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch jeweils wegen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung in den – nach den Urteilsgründen durch Bezugnahme auf die Anklage bezeichneten − Fällen 2, 5, 6, 9 und 10. Hingegen hat der Schuldspruch wegen Betruges in Tateinheit mit (vollendeter) gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung im Fall 3 der Anklage keinen Bestand. Die Strafkammer hat das Konkurrenzverhältnis in den Fällen 3 und 4 der Anklage verkannt. Dies bedingt den Entfall des Schuldspruchs im Fall 3 der Anklage sowie eine Abänderung des Schuldspruchs im Fall 4 der Anklage dahin, dass der Angeklagte in einem weiteren Fall wegen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung schuldig ist.
3a) Nach den Feststellungen veräußerte der Angeklagte überwiegend im Ausland gestohlene Fahrzeuge im Großraum K. an gutgläubige Erwerber. Die Fahrzeuge wurden, wie der Angeklagte wusste, von unbekannten Hintermännern mit Dublettenkennzeichen nebst Siegeln, die fremden Fahrzeugen zugeteilt waren, versehen. Ferner wurden die Daten der gestohlenen Fahrzeuge und eines fiktiven Halters in entwendeten Blankozulassungen (Teil I und II) eingetragen. Zudem wurde eine Ausweiskopie mit den Daten des fiktiven Halters und einem Lichtbild des Angeklagten erstellt. Der Angeklagte behielt einen Anteil von „bis zu 10 % der Verkaufssumme für sich und reichte den Rest an die weiteren am Verkauf beteiligten unbekannten Personen weiter.“ Das Landgericht hat zu den Einzelfällen – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4aa) Am traf sich der Angeklagte in K. mit potentiellen Käufern für einen im Internet angebotenen Mercedes V 250 (Kaufpreis 28.500 €). Das Fahrzeug war in Belgien gestohlen. Es trug Kennzeichen, die einem anderen Fahrzeug zugeordnet waren. Der Angeklagte übergab die gefälschten Zulassungsbescheinigungen und eine Ausweiskopie, ausgestellt auf einen fiktiven Dritten, wobei das Passfoto ihn selbst zeigte. Da die Ausweiskopie keine handschriftliche Unterschrift enthielt, wurden die Käufer skeptisch und vermuteten eine Fälschung. Als sie eine Überprüfung der Fahrzeugidentifikationsnummer mithilfe der Polizei anregten, brach der Angeklagte das Verkaufsgespräch ab und verließ das Geschehen (Fall 3 der Anklage).
5bb) Am nächsten Tag traf sich der Angeklagte mit einem weiteren Interessenten und dessen Begleiter, der ebenfalls auf das Verkaufsinserat für den Mercedes V 250 aufmerksam geworden war. Der Angeklagte übergab wiederum die gefälschten Zulassungsbescheinigungen und eine Ausweiskopie, bei der nunmehr die handschriftliche Unterschrift ergänzt war. Der Angeklagte einigte sich mit den Erwerbern auf einen Kaufpreis von 19.600 €, wobei letztere 1.600 € einbehielten, da der Angeklagte noch zwei Sitze und ein Reserverad nachreichen sollte. Der Kaufvertrag wurde ausgefüllt und die Käufer übergaben dem Angeklagten 18.000 €, der 1.000 € für sich behielt und die restlichen 17.000 € an seine unbekannten Hintermänner weiterreichte. An dem Fahrzeug hatte der Angeklagte „spätestens am […] die (Mit-)Verfügungsgewalt [erhalten] und hielt diese bis zum Verkauf am inne, um über die Sache als eigene zu verfügen“ (Fall 4 der Anklage).
6cc) Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten im Fall 3 als vollendete gewerbsmäßige Hehlerei in Tateinheit mit versuchtem Betrug und Urkundenfälschung gewertet, da der Angeklagte sich das Fahrzeug am verschafft habe (§ 259 Abs. 1 Var. 2 StGB). Im Fall 4 hat sie den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt. Die gewerbsmäßige Hehlerei (§ 259 Abs. 1 Var. 3 StGB) stelle sich hier als mitbestrafte Nachtat zu dem bereits erfolgten Sichverschaffen im Sinne des § 259 Abs. 1 Var. 2 StGB dar.
7b) Diese Wertung begegnet durchgreifenden rechtliche Bedenken.
8aa) Die Feststellungen im Fall 3 tragen zwar den Schuldspruch wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, nicht jedoch die weitergehende tateinheitliche Verurteilung wegen vollendeter gewerbsmäßiger Hehlerei.
9(1) Eine Hehlerei in Form des Sichverschaffens (§ 259 Abs. 1 Var. 2 StGB) begeht, wer eigene Verfügungsgewalt über die Sache erlangt, so dass er über sie zu eigenen Zwecken verfügen kann und dies auch will. Bei einer Mitverfügungsbefugnis von Vortäter und Erwerber ist der Tatbestand nur vollendet, wenn der Erwerber unabhängig vom Willen des Vortäters über die Sache verfügen kann (Senat, Beschluss vom – 2 StR 281/18, juris Rn. 13, BGHSt 63, 228, 230 f.; Urteil vom – 2 StR 564/17, BGHSt 63, 274, 276, jeweils mwN). Allein der abgeleitete Erwerb der Verfügungsgewalt mit der Folge, dass man mit der Sache wie ein Eigentümer verfahren kann, genügt noch nicht. Eine Verfügungsgewalt „zu eigenen Zwecken“ ist erst gegeben, wenn der Täter die Sache in ihrem wirtschaftlichen Wert vom Vortäter übernimmt (Senat, Urteile vom – 2 StR 634/75, juris Rn. 3; vom – 2 StR 192/60, BGHSt 15, 53, 55 f.; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, 46. Ed., § 259 Rn. 19; SSW-StGB/Jahn, 4. Aufl., § 259 Rn. 23; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 259 Rn. 17; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 259 Rn. 85; NK-StGB/Altenhain, 5. Aufl., § 259 Rn. 31).
10(2) Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen nicht, dass sich der Angeklagte den Mercedes V 250 im Sinne des Hehlereitatbestandes verschafft hat. Ihnen ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte unabhängig vom Willen seiner unbekannten Hintermänner, mithin möglicherweise den Dieben, nach eigenem Gutdünken mit dem Fahrzeug verfahren konnte. Festgestellt ist lediglich, dass er gegen eine vereinbarte Beteiligung von bis zu 10 % am Verkaufserlös, bei dem Besichtigungstermin gegenüber den Kaufinteressenten unter falschem Namen als Verkäufer auftrat, selbständig die (weiteren) Verkaufsverhandlungen führte, den endgültigen Kaufpreis in Höhe von 18.000 € vereinbarte, das Fahrzeug übergab, den Kaufpreis entgegennahm und diesen abzüglich seines Anteils von 1.000 € an die Hintermänner weiterleitete. Damit bleibt aber offen, wie sich das Verhältnis des Angeklagten zu seinen Hintermännern im Einzelnen gestaltete. Insbesondere besteht die naheliegende Möglichkeit, dass der Angeklagte das Fahrzeug lediglich im Interesse der Diebe für deren Rechnung absetzte, so dass er keine Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken besaß (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 634/75, aaO). Hierfür spricht insbesondere, dass er maximal 10 % des Verkaufspreises erhalten sollte und im Fall 3 der Urteilsgründe lediglich rund 5,6 % des Erlöses erhalten hat, das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs somit bei den Hintermännern lag und diese nach den Feststellungen am „Verkauf beteiligt“ waren.
11(3) Je nachdem, ob es sich bei den Hintermännern um Hehler oder aber um die Diebe handelte und wie sich deren Verhältnis zu dem Angeklagten darstellte, kann dessen Verhalten rechtlich nicht nur als – ggf. mittäterschaftliches − Sichverschaffen (§ 259 Abs. 1 Var. 2 StGB), sondern auch als Absetzen (§ 259 Abs. 1 Var. 3 StGB) zu würdigen sein. Bei der letztgenannten Begehungsform wäre die Hehlerei jedoch erst vollendet, wenn die gestohlene Sache tatsächlich abgesetzt ist (Senat, Beschluss vom , juris Rn. 16; , BGHSt 59, 40, 42 ff.). Ein solcher Absatzerfolg ist im Fall 3, anders als in allen übrigen Fällen, nicht eingetreten. Das Landgericht hätte daher nach dem Zweifelsgrundsatz in diesem Fall nur eine versuchte und nicht eine vollendete gewerbsmäßige Hehlerei annehmen dürfen.
12bb) Auf dieser Grundlage hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Taten in den Fällen 3 und 4 in mehrfacher Hinsicht verkannt.
13(1) Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird die vom Angeklagten im Fall 4 verwirklichte vollendete gewerbsmäßige Hehlerei nicht als mitbestrafte Nachtat verdrängt, da nicht festgestellt ist, dass sich der Angeklagte das Fahrzeug zuvor durch eine Hehlereihandlung verschafft hatte (vgl. zur Konkurrenz − 1 StR 150/14, NStZ 2014, 577; Urteil vom – 1 StR 228/75, NJW 1975, 2109, 2110). Der Angeklagte ist daher auch im Fall 4 wegen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung schuldig.
14(2) Das Landgericht hat zudem übersehen, dass die Ausführungshandlungen in den Fällen 3 und 4 durch eine – tateinheitliche − Urkundenfälschung verklammert werden.
15(a) Der mehrfache Gebrauch des mit gefälschten amtlichen Kennzeichen versehenen Fahrzeugs sowie der gefälschten Zulassungsbescheinigungen stellt sich als einheitliche Urkundenfälschung dar.
16(aa) Nach der Rechtsprechung liegt eine einheitliche Urkundenfälschung vor, wenn ein Täter eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht und dies von ihm von vornherein geplant war (st. Rspr.: vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 149/19, juris Rn. 4; vom – 4 StR 95/14, juris Rn. 4, wistra 2014, 349, jeweils mwN). Hat der Täter schon beim Anbringen gefälschter amtlicher Kennzeichen den Vorsatz, das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, stellt der – gegebenenfalls mehrfache – Gebrauch der unechten zusammengesetzten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit nur eine Urkundenfälschung dar (vgl. , juris Rn. 6, NStZ 2018, 205 mwN).
17(bb) Die Feststellungen verhalten sich nicht ausdrücklich zu der Frage, ob der wiederholte Gebrauch des Fahrzeugs und der gefälschten Zulassungsbescheinigungen in den Fällen 3 und 4 von einem einheitlichen Gesamtvorsatz des Angeklagten getragen waren. Sie lassen auch offen, wann der Angeklagte oder seine Hintermänner die Anbahnungsgespräche mit den Interessenten in den Fällen 3 und 4 über den geplanten Verkauf des Mercedes V 250 führte. Nach der Gesamtheit der Urteilsgründe erscheint es daher nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr naheliegend, dass das Fahrzeug mit den gefälschten Kennzeichen, ebenso wie die gefälschten Zulassungsbescheinigungen, nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten bis zu einem erfolgreichen Abschluss der Verkaufsbemühungen, ggf. auch wiederholt, eingesetzt werden sollten. Wenngleich jeder Besichtigungstermin mit dem Risiko der Entdeckung verbunden war, konnte der Angeklagte nicht davon ausgehen, dass jeder der Termine zu einem Kaufabschluss führen werde. Um jedwede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, versteht der Senat den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe daher dahin, dass das Handeln des Angeklagten in den Fällen 3 und 4 von einem einheitlichen Vorsatz getragen war.
18(b) Die fortdauernde Nutzung des Fahrzeugs als unechte zusammengesetzte Urkunde sowie die wiederholte Nutzung der gefälschten Zulassungsbescheinigungen verklammern die Ausführungshandlungen vom 28. und zur Tateinheit.
19(aa) Die Annahme von Tateinheit durch Klammerwirkung setzt voraus, dass die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 580/16, juris Rn. 7 mwN; vom – 1 StR 386/11, wistra 2012, 310; LK-StGB/Rissing-van Saan, 13. Aufl., § 52 Rn. 30 ff.). Als Maßstab hierfür dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 580/16, aaO; vom – 3 StR 230/10, NStZ 2011, 577, 578; Senat, Urteil vom – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 ff.).
20(bb) Die fortdauernde Nutzung des Fahrzeugs sowie der wiederholte Einsatz der gefälschten Zulassungsbescheinigung überschneiden sich sowohl mit den Ausführungshandlungen am 28. Mai wie auch dem . Zudem besteht hier zwischen dem verbindenden Delikt der vollendeten – gewerbsmäßigen − Urkundenfälschung und der vollendeten gewerbsmäßigen Hehlerei in Tateinheit mit vollendetem – gewerbsmäßigen – Betrug eine annähernde Wertgleichheit. Denn die verwirklichten Tatbestände sehen jeweils einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.
21cc) Der Rechtsfehler führt zur Änderung des Schuldspruchs im Fall 4 der der Anklage dahin, dass der Angeklagte in einem weiteren Fall wegen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung schuldig ist; er bedingt ferner den Entfall der tatmehrheitlichen Verurteilung im Fall 3 der Anklage wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung. § 265 Abs. 1 StPO steht der Abänderung im Fall 4 nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte bei zutreffender rechtlicher Bewertung nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Durch den Wegfall des Schuldspruchs im Fall 3 ist der Angeklagte nicht beschwert.
222. Der Strafausspruch erweist sich als rechtsfehlerfrei.
23a) Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 2, 5, 6, 9 und 10 sind aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts nicht zu beanstanden.
24b) Die Einzelstrafe im Fall 4 hat Bestand. Die Strafkammer hat die vom Angeklagten verwirklichte gewerbsmäßige Hehlerei lediglich als mitbestrafte Nachtat berücksichtigt und ist damit jedenfalls von keinem zu hohen Schuldgehalt ausgegangen.
25c) Der Entfall der Einzelstrafe von einem Jahr im Fall 3 lässt die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten unberührt. Der Senat kann angesichts des unveränderten Schuldgehalts und der sechs verbleibenden Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten und fünfmal zwei Jahren ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
263. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:200520B2STR611.19.0
Fundstelle(n):
RAAAH-63416