Online-Nachricht - Donnerstag, 05.11.2020

Gewerbesteuer | Einheitlicher Steuergegenstand bei mehreren Betätigungen derselben natürlichen Person (BFH)

Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb (Steuergegenstand) oder aber um mehrere selbständige Betriebe und damit um mehrere Steuergegenstände handeln. Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selbständigen Betrieben kommt der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Der Gewerbesteuer als einer auf den jeweiligen Betrieb gelegten Objektsteuer unterliegt als Steuergegenstand jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dabei ist unter "Gewerbebetrieb" ein gewerbliches Unternehmen i.S. des Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb oder aber um mehrere selbständige Betriebe - und damit um mehrere Steuergegenstände - handeln.

Sachverhalt: Streitig ist, ob der gleichzeitige Betrieb eines Eiscafés und eines Imbisses desselben Unternehmers in demselben Gebäude unter Verwendung derselben Außengastronomie gleichartige Betätigungen i.S. von § 2 Abs. 1 GewStG darstellen: Der Kläger betrieb seit dem Jahr 2009 sowohl ein Eiscafé als auch einen Grillimbiss unter einem Dach. Die Geschäftsräume waren nicht miteinander verbunden, teilten sich jedoch eine Kundentoilette.

Der Kläger führte für jede der beiden Betätigungen ein gesondertes Girokonto. Die Konten wurden beim selben Kreditinstitut und unter derselben Stammnummer geführt; zudem bestand eine einheitliche Kreditlinie für beide Bankkonten. Lohnzahlungen für Mitarbeiter des Eiscafés wurden teilweise auch vom Bankkonto des Grillimbisses getätigt.

Der Kläger ermittelte die Gewinne beider Betätigungen durch getrennte Einnahmen-Überschuss-Rechnungen. In seinen Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre fasste der Kläger die Ergebnisse der beiden Betätigungen zusammen. Er ging davon aus, dass es sich um einen einheitlichen Betrieb handele. Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, der Kläger sei Inhaber zweier getrennter Betriebe. Auf dieser Grundlage erließ er für den Grillimbiss einerseits und für das Eiscafé andererseits gesonderte Gewerbesteuermessbescheide.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg ().

Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und wiesen die Sache an das FG zurück:

  • Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb (Steuergegenstand) oder aber um mehrere selbständige Betriebe und damit um mehrere Steuergegenstände handeln.

  • Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selbständigen Betrieben kommt der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu.

  • Dabei ist jedoch nicht von einer strikten Zweiteilung in gleichartige bzw. ungleichartige Betätigungen auszugehen.

  • Das notwendige Maß des für eine Zusammenfassung der Betätigungen erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs steigt in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen.

  • Vorliegend wird das FG die Verhältnisse des Falles erneut zu würdigen haben. Weil es sich nicht um eindeutig ungleichartige Betätigungen handelt, wird es dabei nicht so strenge Anforderungen an den Grad des erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs stellen dürfen wie bei seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang.

  • Wenn Gewerbesteuermessbescheide für mehrere Betriebe desselben Inhabers ergehen, setzt ihre hinreichende inhaltliche Bestimmtheit in der Regel voraus, dass sie einen Hinweis auf den jeweiligen Betrieb (Steuergegenstand) enthalten.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Die Gewerbesteuer ist eine Objektsteuer (, Rz 20) und führt schon deshalb zu Besonderheiten. Verfahrensrechtlich muss der Gewerbesteuermessbescheid inhaltlich gemäß § 119 Abs. 1 AO für jeden einzelnen Gewerbebetrieb bekannt gegeben werden (, Rz 18 ff).

Ob ein oder mehrere Gewerbebetriebe vorliegen, ist bei einer natürlichen Person als Gewerbetreibendem (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG) aufgrund der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigung zu prüfen. Entscheidend ist dabei die Würdigung des Einzelfalls anhand der Gesamtumstände durch das FG als Tatsacheninstanz.

Schon eine nähere Definition, wann eine Betätigung gleichartig oder nicht ist, vermag deshalb die höchstrichterliche Rechtsprechung weiterhin nicht zu geben. Entscheidend für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebs bleibt der wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Zusammenhang der Betätigungen (so schon , BStBl II 1983, 278, unter 1.).

Je gleichartiger eine Betätigung ist, umso eher ist ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen. Allerdings gibt es Fälle, bei denen sich die Betätigungen, obwohl eher als ungleichartig anzusehen, so ergänzen, dass ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen ist. Ein solcher Grenzfall liegt dem Besprechungsurteil aus dem Bereich der Gastronomie zugrunde, der deshalb vom FG neu zu würdigen ist. Dabei hat der Kläger, der von einem einheitlichen Gewerbebetrieb ausgeht, den richtigen Klageantrag zu stellen – nämlich die Aufhebung des angegriffenen Gewerbebetriebs.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB MAAAH-62998