Online-Nachricht - Donnerstag, 22.10.2020

Einkommensteuer | Zur Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 11 EStG (BFH)

Für die Beantwortung der Frage, ob eine gem. § 3 Nr. 11 EStG steuerfreie Beihilfe oder die steuerpflichtige Vergütung einer erwerbsmäßigen Tätigkeit vorliegt, sind Inhalt und Durchführung des jeweiligen Betreuungsverhältnisses maßgebend. Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung verhaltensauffälliger Kinder bzw. Jugendlicher erbracht werden, können gem. § 3 Nr. 11 EStG steuerfreie Bezüge sein. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn jeweils nur ein Kind bzw. ein Jugendlicher zeitlich unbefristet in den Haushalt des Betreuers aufgenommen und dort umfassend betreut wird (, veröffentlicht am ).

Hintergrund: Steuerfrei sind gem. § 3 Nr. 11 EStG Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern. Darunter fallen nicht Kinderzuschläge und Kinderbeihilfen, die auf Grund der Besoldungsgesetze, besonderer Tarife oder ähnlicher Vorschriften gewährt werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass der Empfänger mit den Bezügen nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet wird. Den Bezügen aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit gleichgestellt sind Beitragsermäßigungen und Prämienrückzahlungen eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung für nicht in Anspruch genommene Beihilfeleistungen.

Sachverhalt: Der Kläger, ein ausgebildeter Erzieher, hatte in den Streitjahren 2012 und 2013 verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche in seinen Haushalt aufgenommen und dort intensiv sozialpädagogisch betreut. Er nahm immer nur ein Kind bzw. einen Jugendlichen bei sich auf. Für diese „Vollzeitbetreuung“ erhielt er auf der Grundlage jederzeit kündbarer vertraglicher Vereinbarungen aus öffentlichen Mitteln monatlich zwischen 3.000 € und 3.600 €. FA und FG meinten, der Kläger habe erwerbsmäßig Pflegeleistungen erbracht. Das Pflegegeld sei nicht wie bei einer Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.

Die Revision vor dem BFH hatte Erfolg:

  • Da es sich bei den Zahlungen an den Kläger um steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Nr. 11 EStG handelt, werden die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2012 und 2013 dahin geändert, dass die Einkommensteuer auf jeweils 0 € herabgesetzt wird.

  • Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe erwerbsmäßig Leistungen gem. § 35 SGB VIII erbracht, für die die Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 11 EStG nicht gilt. Seine Würdigung, der Kläger hat keine Beihilfen erhalten, weil er Hilfeleistungen i.S. des § 35 SGB VIII erbracht hat, die insbesondere wegen des vertraglich vereinbarten voraussetzungslosen Kündigungsrechts nicht mit der Hilfe zur Erziehung in der Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII vergleichbar sind und für die er vollständig vergütet wurde, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

  • Die Einnahmen des Klägers stammen aus öffentlichen Mitteln i.S. des § 3 Nr. 11 EStG. Sie wurden nach den Feststellungen des FG konkret bezogen auf den jeweils vom Kläger betreuten Jugendlichen bzw. das von ihm betreute Kind aus Mitteln der öffentlichen Hand gezahlt.

  • Der Umstand, dass diese Zahlungen über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe an den Kläger als Erziehenden auf der Grundlage eines Vertrages zwischen ihm und dem Träger geleistet wurden, steht der Annahme öffentlicher Mittel nicht entgegen (vgl. ).

Quelle: BFH Pressemitteilung v. , ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB OAAAH-61687