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LSG Hamburg Urteil v. - L 4 AS 49/19

Zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Klägerin tatsächlich Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Dezember 2014 entstanden sind. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung steht im Eigentum ihrer Mutter. Die Klägerin meldete sich zum 1. Februar 2010 in der Wohnung E.Straße 5 an, die die Mutter der Klägerin im Herbst 2009 erworben hatte. Die Klägerin betrieb ein Studium bis einschließlich September 2013. In dieser Zeit leistete sie für das Bewohnen der Wohnung keine Zahlungen an ihre Mutter. Die Klägerin meldete sich für das Wintersemester 2013/2014 (beginnend am 1. Oktober 2013) nicht für das Studium zurück. Sie beantragte am 19. September 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. Oktober 2013 beim Beklagten und gab an, die Wohnung während des Studiums mietfrei bewohnt zu haben. Mit den Eintragungen in der Anlage KDU machte die Klägerin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,- Euro Grundmiete und 69,- Euro Nebenkosten geltend. Sie legte ein Schreiben der Mutter vom 2. September 2013 vor, in dem es hieß: "[ ] leider muss ich Dir diesen Brief schreiben. Meine finanzielle Situation hat sich geändert, so dass ich Dir die Wohnung in Hamburg nicht mehr kostenfrei überlassen kann. Werde Dir zu gegebener Zeit einen Mietvertrag senden." Des Weiteren reichte die Klägerin einen schriftlichen Mietvertrag zwischen ihr und ihrer Mutter über die Wohnung ein, in dem als Beginn des Mietverhältnisses der 1. Februar 2010 eingetragen war und der unter dem 25. September 2013 von Mutter und Klägerin unterschrieben worden war. Mit Ausgangsbescheid vom 14. November 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. November 2013 und 13. März 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014. Mit Ausgangsbescheid vom 13. März 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19. Mai 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von April 2014 bis September 2014. Mit Ausgangsbescheid vom 27. August 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2014 sowie 22. November 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von Oktober 2014 bis März 2015. Hierbei fanden lediglich die gesondert zwischen der Klägerin und dem Versorgungsunternehmen abgerechneten Kosten der Wasserversorgung im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung Berücksichtigung, nicht jedoch Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag mit der Mutter. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 beantragte die Klägerin die Überprüfung sämtlicher 2013 und 2014 erlassener und bestandskräftig gewordener Bewilligungs- und Änderungsbescheide gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem Ziel der Berücksichtigung der im schriftlichen Mietvertrag vorgesehenen Mietzahlungen an die Mutter. Mit Beendigung des Studiums habe kein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen die Mutter mehr bestanden, welcher der Grund für die vorhergehende kostenfreie Überlassung gewesen sei. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 lehnte der Beklagte eine Abänderung der Bescheide vom 14. November 2013, 23. November 2013, 13. März 2014, 19. Mai 2014, 27. August 2014 und 22. Oktober 2014 ab. Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 18. November 2014 Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 erteilte der Beklagte wegen einer Regelbedarfsanpassung für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. März 2015 eine neue Bewilligung, die hinsichtlich der Berücksichtigung der Unterkunftskosten unverändert blieb. Hiergegen erhob die Klägerin keinen Widerspruch. Der Beklagte wies den Widerspruch vom 18. November 2014 mit Widerspruchsbescheid W-13960/14 vom 9. April 2015 zurück. Die Klägerin sei keiner wirksamen, ausreichend ernsthaften und nicht dauerhaft gestundeten Mietzahlung ausgesetzt. Der Mietvertrag sei auch nicht praktiziert worden. Zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung seien nach dem Vortrag der Klägerin bereits über 8.000,- Euro Mietschulden entstanden, ohne dass ersichtlich sei, dass die Mutter deren Beitreibung betrieben oder die Wohnung gekündigt habe. Daraufhin erhob die Klägerin am 6. Mai 2015 Klage. Sie machte geltend, dass sie ab 1. Oktober 2013 einer gültigen Mietforderung der Mutter ausgesetzt sei, die ab diesem Zeitpunkt keinen Unterhalt mehr geschuldet habe und auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zur weiteren kostenfreien Überlassung nicht mehr bereit gewesen sei. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erfordere einen Fremdvergleich in der Art und Weise, wie ihn der Beklagte für notwendig halte, nicht. Die Zeugin habe zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Finanzierung neben ihren geringen Einkünften in erheblichem Umfang geschütztes Schonvermögen eingesetzt. Die späte Kündigung und der Verzicht auf eine Räumung der Wohnung seien aufgrund der familiären Vorgeschichte nachvollziehbar. Die psychische Situation der Klägerin erlaube eine Räumung nicht. Der Beklagte verwies im Wesentlichen auf seine Widerspruchsbescheide. Das Mietverhältnis halte dem erforderlichen Fremdvergleich in keiner Weise stand. Dies sei insbesondere durch die lange Dauer begründet, in der die Vermieterin und Mutter der Klägerin nichts unternommen habe, um den Zustand, dass keine Miete aus der Wohnung eingenommen werden könne, zu beenden. Auch die finanzielle Situation der Mutter der Klägerin sei dem Beklagten nicht vollständig nachvollziehbar geworden. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens legte die Klägerin ein Kündigungsschreiben ihrer Mutter vom 11. Juli 2016 vor, in dem es heißt: "[ ] aus gegebenem Anlass kündige ich den mit Ihnen geschlossenen Mietvertrag zum 1.9.2016. Grund der Kündigung, bis heute ist keinerlei Miete gezahlt worden." Des Weiteren legte die Mutter der Klägerin einen Rentenbescheid von 2016, ihren Einkommensteuerbescheid von 2014, ihre Elektronische Einkommensteuerbescheinigung für 2015 und eine selbst erstellte Übersicht über ihr lohnsteuerpflichtiges Brutto von 2013 bis 2018 vor. Der Zahlbetrag der Rente betrug ab 1. Juli 2016 365,72 Euro monatlich. Im Jahr 2015 erhielt sie einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 10.231,20 Euro. Es wurde vorgetragen, die Mutter habe den geerbten Familienschmuck im Wert von 5.700 Euro verkauft, dann ihre Lebensversicherung in Höhe von 5.084,- Euro aufgelöst und schließlich ihr Auto für 3.000 Euro verkauft. 2016 sei sie in eine preiswerte Wohnung gezogen. Zudem arbeite die Mutter freiberuflich. Schließlich legte die Klägerin einen Ausdruck einer E-Mail der Mutter an die Klägerin vom 11. September 2011 vor. Darin berechnet diese für beide die aktuellen Lebenshaltungskosten, stellt sie den Einnahmen gegenüber und überlegt, wie zum einen die Kosten reduziert und zum anderen die Einnahmen gesichert werden könnten. Am 2. August 2016 stellte die Klägerin einen Eilantrag beim Sozialgericht (S 22 AS 2852/16 ER = L 4 AS 297/16 B ER). Das Sozialgericht (S 22 AS 2852/16 ER) verpflichtete den Beklagten mit Beschluss vom 5. August 2016 vorläufig, der Klägerin weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 2. August 2016 bis 30. September 2016 zu gewähren und dabei die Kosten der Wohnung E.Straße 5 zu berücksichtigen. Unter dem 23. August 2016 führte der Beklagte den Beschluss des Sozialgerichtes aus und zahlte der Klägerin 843,70 Euro. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 5. August 2016 wurde vom Landessozialgericht mit Beschluss vom 5. September 2016 (L 4 AS 297/16 B ER) wieder aufgehoben. Das Sozialgericht führte am 17. Januar 2019 eine mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen der Verhandlung wurde die Klägerin persönlich angehört und die Mutter der Klägerin als Zeugin vernommen. Im Wesentlichen sagten beide aus, dass die Klägerin während des Studiums zunächst kostenfrei in der Wohnung gelebt habe und geplant gewesen sei, dass sie mit Beendigung ihres Studiums Miete zahle. Sie sei allerdings mit dem Studium nicht fertig geworden und habe es 2013 abgebrochen. In diesem Jahr sei die Großmutter ins Pflegeheim gekommen und insgesamt sei es der Klägerin psychisch schlecht gegangen. Die Mutter der Klägerin gab als Zeugin drei Gründe für die fehlende Durchsetzung der Kündigung an: es hätten ihr die Mittel für einen Anwalt und eine Räumungsklage gefehlt, das Wohnungsamt habe der Tochter bei Räumung einen Wohnheimplatz in Aussicht gestellt und sie hätte es als Mutter nicht übers Herz gebracht, ihrer erkrankten Tochter die Wohnung zu nehmen. Ihre finanzielle Situation habe sich insofern verändert, dass sie ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben habe und dadurch, dass ihre Mutter ins Heim gekommen sei, zugleich mehr Aufwendungen gehabt habe. Mit Urteil vom 17.1.2019 gab das Sozialgericht den Klagen der Klägerin statt. Zur inhaltlichen Begründung führte es aus: "Die Klägerin hat bereits im Rahmen der Erstantragstellung den schriftlichen Mietvertrag, unterzeichnet am 25.9.2013 (vgl. Blatt 18 der Leistungsakte), vorgelegt, in dem die Mietzahlungen enthalten sind. Dieser schriftliche Mietvertrag entspricht im Übrigen in seinem Gesamtbild einem Mietvertrag, wie er auch zwischen Nicht-Verwandten abgeschlossen worden wäre. Die Mutter der Klägerin und Zeugin hatte den schriftlichen Mietvertrag zwar in der Weise vorbereitet, dass der Mietbeginn mit dem 1.2.2010 angegeben wurde, was sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten (kostenfreies Wohnen bis einschließlich September 2013) nicht deckte. Dies ist vorliegend jedoch für die Beurteilung der Wirksamkeit und Ernsthaftigkeit des Mietvertrages in dem maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2013 unerheblich. Die Klägerin hatte von Anfang an (Aufnahmevermerk, Blatt 2 der Leistungsakte) klargemacht, dass sie bisher die Wohnung der Mutter mietfrei bewohnt habe. Sie hat den schriftlichen Mietvertrag unter dem 25.9.2013 unterschrieben, also zutreffend angegeben, dass der schriftliche Mietvertrag erst im September 2013 abgeschlossen wurde. Die Klägerin hatte die Schreiben ihrer Mutter vom 2.9.2013 (Blatt 16 der Leistungsakte) und vom 24.9.2013 (Blatt 15 der Leistungsakte) vorgelegt, so dass sich für den Beklagten ergab, dass es sich bei dem Abschluss des schriftlichen Mietvertrages und der Geltendmachung der Miete durch die Mutter um eine neuere Entwicklung handelte. Hinweise darauf, dass der Mietvertrag ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellte, gab und gibt es nicht. a. Es gibt im Ausgangspunkt an sich keine durchgreifenden Gründe, an der Ernsthaftigkeit des Mietzahlungsverlangens gegenüber der Klägerin zu zweifeln. Der Gesichtspunkt, dass die Klägerin bis zur Antragstellung beim Beklagten keine Mietzahlungen an die Mutter geleistet hatte, lag offen zutage. Gleichzeitig war klar, dass die Mutter der Klägerin eine Veränderung der Situation geltend machte und auf dieser Basis den Mietvertrag mit der Mietzahlungsverpflichtung geschlossen hatte. Aus der fehlenden Mietzahlung in der Vergangenheit konnte daher nichts für die Zeit ab dem 1.10.2013 abgeleitet werden. Mit Abbruch des Studiums durch die Klägerin bestand kein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihre Mutter mehr. Es deutet nichts Konkretes darauf hin, dass die Einkommens- und Vermögenssituation der Mutter der Klägerin dergestalt ist, dass die dauerhafte weitere Finanzierung einer nicht selbst bewohnten Eigentumswohnung (mindestens Hausgeld von 135,00 EUR monatlich, vgl. Blatt 21 der Leistungsakte; sehr wahrscheinlich darüber hinausgehende weitere Beträge, vgl. Anlagenkonvolut K4, letzte Zeile, Blatt 131 der Prozessakte) ohne Mieteinnahmen völlig ohne Belang wäre. Es gibt vor diesem Hintergrund keine naheliegende Begründung, warum die Mutter der Klägerin die Wohnung weiterhin kostenfrei zur Verfügung stellen sollte. Es gibt auch keinen Rechtsgrund, der die Mutter der Klägerin hindern würde, eine zuvor erfolgte kostenfreie Zurverfügungstellung der Wohnung zu einem von ihr gewählten Zeitpunkt zu verändern. b. Der Gesichtspunkt, inwieweit ein zwischen Verwandten abgeschlossener Mietvertrag tatsächlich praktiziert wird (BSG, a.a.O., B 14 AS 31/07 R, Rn. 20), ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Wirksamkeit und Ernsthaftigkeit des Mietzahlungsverlangens ungeeignet. Die Konstellation unterscheidet sich erheblich von der Konstellation, die der BSG-Entscheidung zugrunde lag. Der dortige Kläger hatte vor Beginn des Streitzeitraums offenbar nur diejenigen Zahlungen an seine Mutter weitergeleitet, die er selbst in Form von Wohngeld erhalten hatte. Im Unterschied dazu ist im vorliegenden Fall im zeitlichen Zusammenhang mit dem Leistungsantrag beim Beklagten auch eine tatsächliche Veränderung, nämlich die Aufgabe des Studiums, eingetreten. Auch die Geltendmachung von Miete durch die Mutter war erst kurz zuvor erfolgt. Es ist mithin in keiner Weise überhaupt geltend gemacht worden, dass der geschlossene Mietvertrag zuvor so praktiziert worden sei. Vielmehr ist gerade die eingetretene Veränderung in der Sachlage offen kommuniziert worden. Auch in der Zeit ab Antragstellung ist für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit nicht darauf abzustellen, dass keine Mietzahlungen erfolgten. Es ist unstreitig, dass der Klägerin keine Mittel zur Verfügung standen, aus denen sie die Miete hätte zahlen können. c. Die Mutter der Klägerin hatte die Miete zur Zeit der Entstehung des Streits nicht dauerhaft gestundet (vgl. zu dieser Voraussetzung BSG, B 14 AS 31/07 R, Rn. 16). Für eine derartige Abrede zwischen der Klägerin und ihrer Mutter in der damaligen Zeit gibt es keine Anhaltspunkte. d. Eine dauerhafte Stundung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt auch nicht dadurch vor, dass die Mutter der Klägerin bis Juli 2016 keine Schritte zur Kündigung des Mietvertrags einleitete und nicht die Räumung der Wohnung betrieb. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und ihre Mutter eine Stundungsabrede getroffen haben, also eine Abrede dahingehend, dass die Fälligkeit der Mietforderung in die Zukunft verschoben wurde. Das Absehen von Vollstreckung, Kündigung und Räumung lässt auch nicht den Schluss zu, dass eine Stundung gewährt wurde. Ohne weitere hinzukommende Umstände kann aus diesem Verhalten der Mutter lediglich auf einen Verzicht auf Vollstreckung, Kündigung und Räumung geschlossen werden. Dies ist von einer Stundung zu unterscheiden. Eine echte Stundung in dem vom BSG gemeinten grundsicherungsrechtlichen Sinne liegt im Übrigen insbesondere auch dann nicht vor, wenn ein Zahlungsaufschub nicht freiwillig gewährt wird, sondern sich als Folge der Antragsablehnung bzw. Nichtberücksichtigung der Mietforderung durch den Grundsicherungsträger darstellt. Die Situation dürfte eher wie ein Nothilfedarlehen zu behandeln sein (vgl. LSG Hamburg, Beschl. v. 23.5.2016, L 4 AS 136/16 B ER). e. Die aktuelle, in der mündlichen Verhandlung erfolgte Beweisaufnahme hat das nach Aktenlage bestehende Bild bestätigt und verfestigt. Nach der Beweisaufnahme ist sich das Gericht sicher, dass eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung von der Klägerin und ihrer Mutter, der vernommenen Zeugin, gewollt war. Aus dem Aussageverhalten der Klägerin und der Zeugin ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben ganz oder teilweise nicht glaubhaft sein könnten. Das Gericht bezieht dabei ein, dass die Zeugin eigene Interessen an der zu entscheidenden Frage hat. Durch die Angaben der Klägerin und der Zeugin dazu, dass der bevorstehende und schließlich mit dem Leistungsantrag eintretende Abbruch des Studiums der Zeugin erst im Verlauf des Sommersemesters 2013 bekannt wurde, ist die Situation der Zeugin in Bezug auf das Ende des Unterhaltsanspruchs der Klägerin klarer geworden. Es ist für das Gericht plausibel geworden, dass die kostenfreie Zurverfügungstellung der Wohnung für die Zeugin auch vor September 2013 bereits eine erhebliche wirtschaftliche Belastung war, welche die Zeugin aus ihrer Sicht nur aufgrund der verbliebenen Hoffnung auf einen erfolgreichen Studienabschluss der Klägerin aufrecht erhielt. Das Gericht ist im Rahmen der Beweisaufnahme in großer Ausführlichkeit der Frage nachgegangen, ob unter Umständen doch - entgegen der Aktenlage - bei der Mutter der Klägerin solch gesicherte Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestanden und bestehen, dass sich daraus Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Mietforderung ergeben könnten. Dies ist nicht der Fall gewesen. Das Gericht geht davon aus, dass bei der Zeugin in dem Zeitraum, der Rückschlüsse für die hier zu entscheidende Frage zulassen könnte, deutlich unterdurchschnittliche Einkommens- und auch (bis auf die von der Klägerin bewohnte Wohnung) Vermögensverhältnisse vorlagen. Jedenfalls haben sich aber keine Hinweise darauf ergeben, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse einen nennenswerten Anhaltspunkt dafür bilden, dass für die Zeugin das Ausbleiben der Mietzahlungen unerheblich wäre. Schließlich erlauben auch die Angaben der Klägerin und der Zeugin zu der Frage, warum sich die Zeugin über den Zeitraum von mehreren Jahren mit dem Ausbleiben der Mieteinnahmen arrangiert habe, keinen Rückschluss dergestalt, dass die Mietforderung der Zeugin nicht ernsthaft war. Die Zeugin hat insoweit auf eine für das Gericht plausible emotionale Zwangslage aufgrund der psychischen Erkrankung der Klägerin und den Erfahrungen der Familie mit dem Verlust von Kindern verwiesen. Auch insoweit gilt nach Auffassung des Gerichts, dass die Bewertung der Ernsthaftigkeit der Mietzahlungsforderung davon zu trennen ist, ob und inwieweit die verwandte Vermieterin die Vollstreckung, Kündigung oder gar Räumung betreibt. In die Bewertung ist dabei auch einzubeziehen, dass die Zeugin über den gesamten Zeitraum davon ausgehen konnte, dass die Klägerin im Widerspruchs- und Überprüfungsverfahren sowie im sozialgerichtlichen Rechtsschutz auf eine Veränderung der Situation hinwirkte. Es kann der Zeugin insofern nicht vorgehalten werden, sie habe sich etwa endgültig und tatenlos mit dem Ausbleiben der Mietzahlungen abgefunden. Auf die Parallele zur Situation eines Nothilfedarlehens (s.o.) weist das Gericht hier erneut hin. Dabei kann der Klägerin und der Zeugin nicht entgegengehalten werden, dass der hier streitgegenständliche Überprüfungsantrag erst nach etwa einem Jahr, am 24.10.2014, gestellt wurde. Tatsächlich hatte die Klägerin mit der (erneuten) Einreichung von Unterlagen zum Mietvertrag am 26.11.2013 (vgl. Bl. 41 ff. der Leistungsakte) zum Ausdruck gebracht und dies auch auf schriftliche Nachfrage mit Schreiben vom 20.12.2013 (vgl. Bl. 47 der Leistungsakte) bestätigt, dass sie mit der Ausgangsbescheidung vom 13.11.2013 nicht einverstanden war. Dies war als Widerspruch zu werten. Nachdem der Beklagte den erfassten Widerspruch - wohl zu Unrecht - mit Widerspruchsbescheid vom 14.3.2014 (W-644/14) als verfristet zurückgewiesen hatte, kann es der Klägerin und der Zeugin nicht als Erklärung der Akzeptanz der Situation ausgelegt werden, wenn sie erst nach offensichtlich erfolgter anwaltlicher Beratung im Oktober 2014 einen erneuten Anlauf zur Klärung unternommen haben." Gegen das ihm am 6. Februar 2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. März 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass durchgreifende Gründe bestünden, an der Ernsthaftigkeit des Mietzinsverlangens zu zweifeln. Es komme nicht nur auf das formale Bestehen eines Mietvertrages an, sondern auch auf seine Praktizierung. Praktiziert werde ein Mietvertrag dann, wenn die Bereitstellung der Mietsache entweder durch die Zahlung des Mietzinses entgolten oder die Nichtzahlung des Mietzinses zur Beendigung des Mietverhältnisses führt. Vorliegend habe die Klägerin keine Mietzahlungen an ihre Mutter geleistet, das Mietverhältnis sei aber nicht beendet worden. Ein Mietvertrag sei nicht praktiziert worden. Der Auffassung des Sozialgerichts, der Gesichtspunkt, inwieweit ein zwischen Verwandten abgeschlossener Mietvertrag praktiziert werde, sei im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Wirksamkeit und Ernsthaftigkeit des Mietzahlungsverlangens ungeeignet, könne nicht gefolgt werden. Auf die vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze habe keine Auswirkung, welche Zahlungen vor Beginn des Streitzeitraums erfolgt seien. Aus der fehlenden Geltendmachung der Mietzahlungen über einen derartig langen Zeitraum und der erklärten Absicht der Mutter, die Wohnung nicht räumen zu wollen, ergebe sich, dass der Mietvertrag nicht praktiziert werde und der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf nicht bestehe.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
MAAAH-61384

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LSG Hamburg, Urteil v. 06.08.2020 - L 4 AS 49/19

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