Gesetzgebung | Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (DStV)
Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) hat im Rahmen der Anhörung der Verbände zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts Stellung genommen. Mit dem vorliegenden Referentenentwurf soll die Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 vom in deutsches Recht umgesetzt werden. Außerdem soll auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eine Fortentwicklung des geltenden Insolvenzrechts erfolgen.
Hintergrund: Nach geltendem Recht fehlt es in Deutschland bislang an konkreten verfahrensrechtlichen Vorgaben für die Durchführung und Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer haben angesichts der Corona-Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen eine besondere Verantwortung für den Erhalt der Mandantenunternehmen. Gleichwohl besteht durchaus die Gefahr, dass nach Ablauf der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Fälle der Zahlungsunfähigkeit zum und für Fälle der Überschuldung zum durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz durchaus mit einer steigenden Zahl von Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage gerechnet werden kann.
Der DStV führt in seiner Stellungnahme u.a. aus:
Im Fokus des Entwurfs soll dabei - den Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 und 4 der EU-Richtlinie folgend - insbesondere der Aspekt der Früherkennung von Krisen stehen (§ 1 StaRUG-E). Hinsichtlich konkreter Instrumentarien zur frühzeitigen Identifizierung von Unternehmenskrisen bietet der Referentenentwurf allerdings bislang noch keinerlei unmittelbare Unterstützung. Vielmehr wird zu möglichen sog. Frühwarnsystemen auf eine (erst noch zu erstellende) Übersicht von Instrumentarien verwiesen, die auf den Webseiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz abrufbar sein soll (§ 3 StaRUG-E). Der DStV würde es daher begrüßen, wenn zu dieser Thematik bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens entsprechende Konkretisierungen erfolgen.
Praxisgerecht erscheint dem DStV das Restrukturierungsverfahren. Es soll möglich sein, anders als beim bestehenden Insolvenzverfahren im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens lediglich bestimmte Forderungen einzubeziehen (§ 4 ff. StaRUG-E). Mit dem Restrukturierungsplan sollen bestimmte Sanierungsbeiträge, insbesondere Forderungsverzichte und Stundungen, auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden können. So soll der Restrukturierungsplan für alle betroffenen Gläubiger verbindlich sein, wenn eine qualifizierte Mehrheit von 75% in den Gläubigergruppen erreicht wird.
Vor dem Hintergrund, dass es den Betroffenen regelmäßig an den notwendigen Kenntnissen und Erfahrungen in Restrukturierungsfragen fehlen dürfte, sieht der Referentenentwurf zur Koordinierung ihrer Interessen die Bestellung eines sog. Restrukturierungsbeauftragen vor (§ 77 ff. StaRUG-E). Insbesondere Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Expertise in der Lage, die Aufgaben eines solchen Beauftragten gewissenhaft und praxisgerecht zu erfüllen. Die betriebswirtschaftliche Beratung gehört als vereinbare Tätigkeit nach § 57 Abs. 3 StBerG und § 2 Abs. 3 WPO zu ihren Kernkompetenzen. Viele Berufsangehörige verfügen zudem bereits heute über die besondere Zusatzqualifikation zum Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung (DStV e.V.), einer den Fachanwaltschaften vergleichbaren Qualifizierung.
Ausweislich der Gesetzesbegründung soll sichergestellt werden, dass der Zugang zur Tätigkeit als Restrukturierungsbeauftragter nicht von vorherein auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt bleibt. Dieser Einschätzung vermag der DStV aufgrund der zurückliegenden Erfahrungen bei der Auswahl und Bestellung der Insolvenzverwalter nach § 56 Abs. 1 InsO nicht uneingeschränkt folgen. Es besteht hier die Gefahr des sog. Closed-Shop, indem die Gerichte ihre Auswahl in gleicher Weise wie bei der Verwalterbestellung nach § 56 Abs. 1 InsO regelmäßig auf Basis bestehender Listen bereits bekannter Berater treffen und weiteren potenziell qualifizierten Personen der Zugang faktisch verwehrt bleibt. Der DStV regt daher dringend an, § 78 Abs. 1 StaRUG-E im Interesse der zur Übernahme des Amtes bereiten Personen sowie der betroffenen Unternehmen hinsichtlich der Sachkundeanforderungen näher zu konkretisieren.
Der Referentenentwurf sieht in Artikel 19 vor, für die Berufsgruppe der Steuerberater § 57 StBerG um einen neuen Absatz 5 zu ergänzen. Danach sollen Steuerberater die berufsrechtliche Pflicht erhalten, bei der Erstellung des Jahresabschlusses für einen Mandanten zu prüfen, ob auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihnen sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten vorliegen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen könnten. Darüber hinaus sollen sie den Mandanten auf das mögliche Vorliegen eines Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der InsO und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen haben, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und anzunehmen ist, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.
Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch diese Ergänzung mit Blick auf das lediglich eine gesetzliche Klarstellung der sich bereits aus § 57 Abs. 1 StBerG Pflicht der Steuerberater zur gewissenhaften Berufsausübung erfolgen. Für Steuerberater würden sich im Zusammenhang mit der Mandatsausübung keine neuen Pflichten und daraus folgend keine neuen Haftungstatbestände ergeben. Umgesetzt werden solle die nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH für Steuerberater im Rahmen der Erstellung von Jahresabschlüssen für ihre Mandanten bestehende Prüfungs- und gegebenenfalls Hinweis- und Warnpflicht bezüglich der Fortführungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens (vgl. , Rdnr. 19 und 44). In gleicher Weise sieht der Referentenentwurf auch in Artikel 21 vor, § 43 WPO um einen neuen Absatz 7 für Wirtschaftsprüfer zu ergänzen. Aus Sicht des DStV sollten die vorgeschlagenen Änderungen unterbleiben. Artikel 19 und Artikel 21 sollten ersatzlos gestrichen werden. Gegen eine Ergänzung von § 57 StBerG und § 43 WPO sprechen lt. DStV sowohl rechtliche als auch gesetzessystematische Erwägungen.
Die ausführliche Stellungnahme lesen Sie auf der Homepage des DStV.
Lesen Sie den Beitrag "Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts – besser aus einem Guss!" auf unserem Experten-Blog.
Quelle: DStV online (JT)
Fundstelle(n):
TAAAH-60268