BGH Beschluss v. - XIII ZB 74/19

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 26 T 3/19vorgehend AG Darmstadt Az: 271 XIV 423/18

Gründe

1I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Das Asylverfahren wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom eingestellt. Dem Betroffenen wurde die Abschiebung angedroht.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen zunächst bis zum angeordnet. Nachdem die für den vorgesehene Abschiebung am massiven Widerstand des Betroffenen gescheitert war, hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde die Haft mit Beschluss vom bis zum verlängert. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, durch die Beschlüsse des Amts- und Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

3II. Das zulässige Rechtsmittel hat nur Erfolg, soweit die Haftanordnung die Zeit vom bis zum betrifft.

41. Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung liege ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren sei nicht verletzt worden. Die Bevollmächtigte des Betroffenen sei ordnungsgemäß von dem Anhörungstermin bei dem Amtsgericht benachrichtigt worden. Ein etwaiger Verfahrensfehler sei jedenfalls durch die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren geheilt worden.

52. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

6a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht die Unzulässigkeit des Haftantrags.

7aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - XIII ZB 16/19, juris Rn. 7 mwN). Eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes ist in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle oder entsprechende eigene Erfahrungswerte beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist aber ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation; vgl. Senat, Beschluss vom - XIII ZB 26/19, juris Rn. 9 mwN).

8bb) Diesen Maßstäben genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde in zweierlei Hinsicht nicht.

9(1) Zum einen enthält der Antrag keine hinreichenden Angaben zur notwendigen Haftdauer. Zu der vom bis zum , also für einen Zeitraum von über dreieinhalb Monaten, beantragten Haft heißt es lediglich, die Haftdauer sei erforderlich, um die weiteren innerdienstlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Abschiebung vorzubereiten. Über die Bundespolizei müsse eine erneute sehr anspruchsvolle sicherheitsbegleitete Maßnahme geplant werden. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Begründung, welcher Zeitraum für welchen Verfahrensschritt angesetzt wird und weshalb eine Haftdauer von über dreieinhalb Monaten für erforderlich gehalten wird. Mit derselben, allgemein gehaltenen Begründung hätte gleichermaßen eine Haftdauer von acht Wochen wie von drei Monaten beantragt werden können.

10(2) Zum anderen ergibt sich aus den dem Antrag beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren. Der Haftantrag wäre im Hinblick auf die von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Darlegungen zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung daher nur zulässig, wenn die Behörde das sich aus § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ergebende mögliche Abschiebungshindernis ausräumte, indem sie darlegte, das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft liege vor, sei entbehrlich oder werde bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin voraussichtlich vorliegen oder entbehrlich geworden sein (vgl. Senat, Beschluss vom - XIII ZB 15/19, juris Rn. 19). Solche Darlegungen enthält der Haftantrag jedoch nicht. Er war daher auch insoweit unzulässig.

11cc) Allerdings sind diese Mängel ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts vom geheilt worden.

12(1) Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Abschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - XIII ZB 38/19, juris Rn. 13 mwN).

13(2) Die Behörde hat ihre Ausführungen zu der notwendigen Haftdauer mit Schreiben vom ergänzt und dargelegt, eine Abschiebung am habe nicht erfolgen können, weil der gebuchte Flug durch die Fluggesellschaft annulliert worden sei. Der nächstmögliche Termin sei der . Ein früherer Termin sei nicht verfügbar, da keine Sammelabschiebungen nach Marokko durchgeführt würden, weswegen herkömmliche Linienflüge gebucht werden müssten. Die Anzahl an Plätzen für Personen, die - wie der Betroffene - mit Sicherheitsbegleitung abzuschieben seien, sei auf diesen Flügen jedoch begrenzt und alle verfügbaren Plätze bis zum seien bereits anderweitig vergeben. Diese Ergänzungen genügen für die Darlegung der notwendigen Haftdauer.

14An der Zulässigkeit des Haftantrags ändert es nichts, dass sich den Ausführungen nichts dafür entnehmen lässt, weshalb statt der nachvollziehbar dargelegten Dauer bis zum 21. März weiterhin Haft bis zum beantragt wird. Ob und inwieweit sie eine tragfähige Grundlage für die bis zum beantragte Haft bieten, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags (vgl. Senat, Beschluss vom - XIII ZB 15/19, juris Rn. 8 mwN).

15(3) Zudem hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erteilt worden ist. Der Betroffene wurde hierzu von dem Beschwerdegericht jeweils persönlich angehört. Daher ist die Heilung mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Fortdauer der Haft vom eingetreten (vgl. , juris Rn. 4 mwN).

16b) Das Beschwerdegericht hätte die Haft allerdings nicht über den hinaus aufrechterhalten dürfen. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Die Abschiebung war im Fall des Betroffenen für den vorgesehen. Unter Berücksichtigung eines zeitlichen Puffers für allfällige Verzögerungen (vgl. dazu , juris Rn. 13) hätte die Haft daher höchstens bis zum aufrechterhalten werden dürfen.

17c) Da der Betroffene am abgeschoben wurde, fehlt für die Feststellung, dass ihn die über den hinaus angeordnete Haft in seinen Rechten verletzt hat, das Rechtsschutzbedürfnis. In Freiheitsentziehungssachen besteht nach einer Erledigung der Hauptsache zwar grundsätzlich ein Rehabilitierungsinteresse für einen Antrag, mit dem die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung festgestellt werden soll (§ 62 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG). An einem solchen Interesse fehlt es aber, soweit sich der Betroffene in dem von der Anordnung der Haft nach § 421 FamFG erfassten Zeitraum nicht mehr in Abschiebungshaft befunden hat (, InfAuslR 2013, 78 Rn. 16 mwN).

18d) Ob das Amtsgericht, wie die Rechtsbeschwerde meint, durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten des Betroffenen an der Anhörung vereitelt und dadurch das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wäre ein solcher Fehler durch die Nachholung der Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz, von welcher der Bevollmächtigte des Betroffenen Kenntnis hatte und an der er hätte teilnehmen können, geheilt worden (vgl. Senat, Beschluss vom - XIII ZB 34/19, juris Rn. 9 mwN).

193. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:140720BXIIIZB74.19.0

Fundstelle(n):
YAAAH-57528