BGH Beschluss v. - 1 StR 403/19

Einziehung des Wertes von Taterträgen bei Tabakschmuggel: Erzielung eines Vermögenszuwachses aus den Tabakwaren

Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 373 Abs 1 S 1 AO, § 19 Abs 1 TabStG, § 21 Abs 1 TabStG, § 1 Abs 1 Nr 4 UStG, § 21 Abs 1 UStG

Instanzenzug: Az: 618 KLs 3/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Schmuggels sowie wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten und den nicht revidierenden Mitangeklagten    M.   die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 319.756,62 € als Gesamtschuldner sowie des im Zusammenhang mit diesen Taten sichergestellten Wasserpfeifentabaks angeordnet.

2Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, § 349 Abs. 4 StPO; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen nicht durch.

42. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe und hat teilweise auch zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.

5a) Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts kauften der Speditionsunternehmer M.   , der „A.      “ in H.    ein zollrechtlich zugelassenes Verwahrungslager (Art. 148 UZK) betrieb, und der Angeklagte von unbekannten Personen 7.782 kg aus D.    stammenden unversteuerten Wasserpfeifentabak, der im Steueraussetzungsverfahren „T1“ über Zolllager in B.         und L.    am in H.    eintraf und für den M.    mittels einer gefälschten Erklärung, die nicht ihn als den tatsächlichen Verwahrer auswies, die vorübergehende Verwahrung gegenüber der Zollbehörde erklärte, wobei er als Verwahrort zutreffend das Lager der     G.   GmbH angab. M.    veranlasste am , dass der Wasserpfeifentabak in einem den Zollbehörden unbekannten Container von dort zu dem von ihm betriebenen Verwahrort „A.        “ verbracht wurde.

7bb) Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Tatbestand des gewerbsmäßigen Schmuggels durch den Angeklagten am dadurch verwirklicht wurde, dass der Wasserpfeifentabak auf Betreiben des M.   an den von ihm betriebenen Verwahrort „A.       “ verbracht wurde, also aufgrund eines Verwahrortwechsels, fehlen Feststellungen dazu, ob nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt der Tabak bereits der zollrechtlichen Überwachung entzogen sein sollte, mithin die Zollschuld entstanden war (vgl. Rn. 21 und vom - 1 StR 331/17 Rn. 14). Der Vorsatz bedurfte insbesondere angesichts der Einlassung des Angeklagten genauer Prüfung, dass zwischen ihm und M.    keinesfalls abgesprochen gewesen sei, „die Ware aus dem T1-Verfahren zu entnehmen“ (UA S. 22), sondern vielmehr verabredet gewesen sei, die Ware „noch in dem T1-Verfahren zu belassen“ (UA S. 25).

8Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe entzieht der verhängten Einsatzstrafe von drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe die Grundlage und führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Sie hat auch - (allein) hinsichtlich des Angeklagten - die Aufhebung der insoweit angeordneten Einziehung des sichergestellten Wasserpfeifentabaks von 7.782 kg zur Folge. Der Senat hebt auch die übrigen Einzelfreiheitsstrafen auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen.

9Die Feststellungen zum Fall 4 der Urteilsgründe sind ebenfalls aufzuheben, weil sie von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ausgenommen sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die rechtsfehlerfrei sind und daher bestehen bleiben können. Der neue Tatrichter kann insoweit gegebenenfalls ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

10b) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 319.756,62 € nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB entfällt (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

11Nach den Berechnungen des Landgerichts wurden aufgrund des Schmuggels von 7.782 kg Wasserpfeifentabak (Fall 4 der Urteilsgründe) Tabaksteuer in Höhe von 183.070,54 €, Zoll in Höhe von 70.585,77 € und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 66.100,30 € verkürzt, mithin Einfuhrabgaben von insgesamt 319.756,62 €. Der Wasserpfeifentabak wurde am sichergestellt. Das Landgericht hat der Einziehungsentscheidung die aufgrund des Schmuggels geschuldeten Abgaben in voller Höhe zugrunde gelegt. Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen haben diese hier jedoch außer Betracht zu bleiben.

12aa) Für die Hinterziehung von Tabaksteuern hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung darauf abgestellt, dass ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 479/18 Rn. 10; vom - 1 StR 679/18 Rn. 9 und vom - 1 StR 199/19 Rn. 9 mwN sowie 1 StR 271/19 Rn. 14 mwN; Urteil vom - 1 StR 620/18, BGHSt 64, 146 Rn. 20). Hintergrund dafür ist die bei Verbrauchsteuern bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Denn Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren erhoben, die im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und ver- oder gebraucht werden (vgl. Rn. 9 mwN).

13Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn er - wie vorliegend - die Verfügungsmöglichkeit zwar zunächst erlangt, diese jedoch durch die Sicherstellung wieder verliert. Denn aufgrund der Sicherstellung ist ein (weiteres) Inverkehrbringen und eine wirtschaftliche Verwertung der - der Steuer unterliegenden - Waren, auf das für die Verbrauch- bzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen (vgl. Rn. 10 ff.).

14bb) Soweit Tabaksteuer - wie vorliegend - auf der Grundlage der Einfuhr aus einem Drittland in das deutsche Steuergebiet angefallen ist (§§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 1 TabStG), kann für die insoweit außerdem angefallenen und hinterzogenen Einfuhrabgaben, mithin die Zollschuld (hier Art. 79 Abs. 1 lit. a UZK) sowie die Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 1 UStG), nichts anderes gelten, denn Bezug und Einfuhr der Tabakwaren bilden in diesem Fall tatsächlich und wirtschaftlich einen einheitlichen Vorgang, so dass die Frage des „erlangten Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB für die Hinterziehung der Einfuhrabgaben insgesamt (Art. 5 Nr. 20 UZK) in gleicher Weise zu bestimmen ist.

15Für diese parallele Wertung spricht insbesondere die Vorschrift des Art. 124 Abs. 1 lit. e UZK, wonach die Zollschuld erlischt, wenn einfuhr- oder ausfuhrabgabenpflichtige Waren beschlagnahmt und gleichzeitig oder nachfolgend eingezogen werden. Denn die Anordnung des Erlöschens der (entstandenen) Zollschuld für Waren, die aufgrund der Einziehung zu keinem Zeitpunkt in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind, verdeutlicht - unbeschadet der in Art. 124 Abs. 2 UZK vorgesehenen Fiktion des Fortbestehens der Zollschuld für Zwecke der Ahndung von Zuwiderhandlungen - in besonderer Weise die bei den Zöllen - wie bei den Verbrauchsteuern - bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der hierfür bestehenden pflichtigen Abgabe (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler/Deimel, AO/FGO, Stand Februar 2017, Art. 124 UZK Rn. 43; Rüsken/Gellert, Zollrecht, Stand März 2020, Art. 124 UZK Rn. 10, 15; vgl. für die Einfuhrumsatzsteuer - Dansk Transport og Logistik, Slg. 2010 I-3799 Rz. 84, 91 zu Art. 233 lit. d VO (EWG) Nr. 2913/92 - ZK).

163. Die Aufhebung und das Entfallen der Einziehungsanordnung war insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten M.    zu erstrecken (vgl. Rn. 7 mwN). Da es sich nach den Feststellungen um den Wert von Taterträgen für die Nichtzahlung der aufgrund des von beiden Angeklagten begangenen Schmuggels (Fall 4 der Urteilsgründe) handelt, betrifft der Rechtsfehler auch den wegen derselben Tat verurteilten Mitangeklagten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:310320B1STR403.19.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2021 S. 22 Nr. 1
wistra 2020 S. 335 Nr. 8
XAAAH-56565