Online-Nachricht - Freitag, 24.07.2020

Umsatzsteuer | EuGH Vorlage zur Versagung des Vorsteuerabzugs (FG)

Dem EuGH wird die Frage zur Auslegung des Begriffs „Lieferkette” im Zusammenhang mit der Versagung des Vorsteuerabzugs in Missbrauchsfällen bei Kenntnis bzw. Kennenmüssen von einer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Steuerhinterziehung vorgelegt ().

Sachverhalt: Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 einen Getränkegroßhandel. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre machte sie u.a. Vorsteuern aus Rechnungen der P. GmbH geltend. Die in den Rechnungen aufgeführten Getränkelieferungen wurden von der P. GmbH tatsächlich an die Klägerin erbracht. Weder die Klägerin noch die P. GmbH haben im Rahmen ihrer Umsatzbeziehung eine Steuerhinterziehung begangen.

Die P. GmbH hat ausweislich zweier – mittlerweile rechtskräftiger – strafrechtlicher Urteile die an die Klägerin gelieferten Getränke unter Begehung mehrerer Umsatzsteuerhinterziehungen bezogen. Das FA versagte darüber hinaus auch bei der Klägerin den Vorsteuerabzug, soweit Vorsteuerbeträge auf Eingangsleistungen der P. GmbH entfielen. Zur Begründung führte das FA im Wesentlichen aus, dass die Klägerin mit ihrem Unternehmen Teil einer Lieferkette gewesen sei, in der Umsatzsteuerhinterziehungen begangen worden seien. Die P. GmbH habe unter Beteiligung des Ehemannes der Klägerin Vorsteuern aus dem Einkauf von verschiedenen Getränken hinterzogen, die anschließend u.a. an die Klägerin weiterverkauft worden seien.

Dem EuGH wird vorgelegt:

  • Sind Art. 167 und Art. 168 Buchst. a MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsanwendung entgegen stehen, nach der ein Vorsteuerabzug auch dann zu versagen ist, wenn auf einer vorhergehenden Umsatzstufe eine Umsatzsteuerhinterziehung begangen wurde und der Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, er mit dem an ihn erbrachten Umsatz aber weder an der Steuerhinterziehung beteiligt noch in diese einbezogen war und die begangene Steuerhinterziehung auch nicht gefördert oder begünstigt hat?

  • Sind die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist gleichwohl eine Versagung des Vorsteuerabzugs unionsrechtlich geboten, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der „Lieferkette” bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde.

  • Im Urteilsfall ist streitig, wie der Begriff „Lieferkette” unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben auszulegen ist und ob von einer „Lieferkette” auszugehen ist, wenn zwar die Unternehmerin ordnungsgemäß in Rechnung gestellte und tatsächlich gelieferte Waren von einer GmbH bezogen hat, wenn jedoch die GmbH ihrerseits die Waren ohne Inrechnungstellung vom Ehemann der Unternehmerin bezogen, ein Mitarbeiter der GmbH Scheinrechnungen über den Wareneinkauf erstellt und die GmbH sodann zu Unrecht aus diesen Scheinrechnungen den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.

Quelle: , NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB ZAAAH-54188