Einkommensteuer | Künstliche Befruchtung unabhängig vom Alter als agB (FG)
Erforderlich für den Abzug als außergewöhnliche Belastung (agB) ist, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer „Krankheit” der Frau (Empfängnisunfähigkeit) oder des Mannes (Zeugungsunfähigkeit) beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Das Alter der Frau, die bei Beginn der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stellt keinen Umstand dar, der einer Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegenstehen würde (; Revision anhängig).
Sachverhalt: In den Jahren 2011 bis 2013 sind bei der Klägerin insgesamt vier Fehlgeburten eingetreten. Nach diesen vier Fehlgeburten haben sich die Kläger entschlossen, Hilfe in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin in Anspruch zu nehmen. In den Jahren 2014 und 2015 fanden mehrere Behandlungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung statt – ohne Erfolg. Es folgten weitere Behandlungen in Bregenz und Brüssel, welche zu einer Schwangerschaft mit Zwillingen führten. Diese Schwangerschaft ist auf eine Eizellenspende der Schwester der Klägerin zurückzuführen.
Für das Jahr 2014 wurden die Ehegatten getrennt veranlagt. Insgesamt machten sie für dieses Jahr mit ihren Einkommensteuererklärungen jeweils Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung i. H. von insgesamt 29.126,02 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend, welche das FA ablehnte.
Das FG entschied teilweise zugunsten der Kläger und führte aus:
Es liegen weder Anzeichen dafür vor, dass die durchgeführte Behandlung im Alter (Ende 30) als medizinisch nicht erfolgversprechend zu erachten wäre, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Schwangerschaft in diesem Alter keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr finden würde.
Hat eine Frau im Alter von 37 bis 39 Jahren nach natürlich eingetretenen Schwangerschaften insgesamt vier Fehlgeburten infolge chromosomaler Mutationen erlitten, war deswegen nach einer ärztlichen Stellungnahme eine Kinderwunschbehandlung medizinisch indiziert und waren eine Präimplantationsdiagnostik oder vergleichbare Verfahren zulässig, so sind die Aufwendungen für eine zulässigerweise mit eigenen Eizellen der Frau durchgeführte künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen Aufwand i.S. des § 33 Abs. 1 EStG begründen. Nach § 1 Embryonenschutzgesetz darf in Deutschland eine Eizellenspende, im Gegensatz zu einer Fremdsamenspende, nicht vorgenommen werden. D.h. in Deutschland war die reproduktionsmedizinischen Behandlung der Klägerin mit Eizellen ihrer Schwester nicht erlaubt. Die Behandlungskosten in Bezug auf die gespendeten Eizellen (20.134,95 EUR) können daher nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Die Revision ist beim BFH unter dem Az. VI R 36/19 anhängig. Hier geht es insbesondere um die Frage, ob die Aufwendungen aus dem Ausland geltend gemacht werden können. Eine höchstrichterliche Entscheidung bezüglich des Alters ist nicht anhängig.
Ähnlich urteilten auch:
: Die Aufwendungen für eine allein durch die verminderte Beweglichkeit der Spermien des Ehemanns verursachte künstliche Befruchtung können auch dann als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein, wenn die Krankenkasse der privat versicherten Eheleute die Übernahme der Kosten abgelehnt hat, weil die zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung 45-jährige Ehefrau älter als 40 Jahre war, wenn die Ehegatten bereits ein Kind (nach einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung) haben und wenn nicht vorab ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten über die medizinische Notwendigkeit der künstlichen Befruchtung eingeholt worden ist.
: Die Kosten für künstliche Befruchtungen einer 44 Jahre alten Frau sind als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein Erstattungsanspruch der Stpfl. gegen ihre Krankenversicherung nicht besteht.
Anderer Auffassung ist das FG Berlin-Brandenburg:
: Beruht die Unfruchtbarkeit auf fortgeschrittenen Alter eines Menschen, so handelt es sich in diesem Fall gerade nicht um einen einer Krankheit gleichzustellenden „regelwidrigen” Körperzustand, sondern um die Folge eines natürlichen biologischen Vorgangs. Die Kosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Lesen Sie hierzu auch einen Beitrag auf unseren Experten-Blog.
Quelle: , NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
KAAAH-53801