Online-Nachricht - Donnerstag, 16.07.2020

Einkommensteuer | Gewerblicher Grundstückshandel bei Errichtung eines Erweiterungsbaus (BFH)

Ein bebautes Grundstück, das durch den Steuerpflichtigen langjährig im Rahmen privater Vermögensverwaltung genutzt wird, kann Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels werden, wenn der Steuerpflichtige im Hinblick auf eine Veräußerung Baumaßnahmen ergreift, die derart umfassend sind, dass hierdurch das bereits bestehende Gebäude nicht nur erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert wird, sondern ein neues Gebäude hergestellt wird (, X R 19/18; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Bei Grundstücksaktivitäten eines Steuerpflichtigen wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung hin zu einer gewerblichen Tätigkeit überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten - z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung - entscheidend in den Vordergrund tritt (u.a. , Rz 24, m.w.N.).

Zur Abgrenzung des gewerblichen Grundstückshandels zur privaten Vermögensverwaltung wird nach ständiger BFH-Rechtsprechung die sog. Drei-Objekt-Grenze herangezogen. Sie besagt, dass ein gewerblicher Grundstückshandel im Regelfall vorliegt, sofern innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Bebauung und Verkauf - in der Regel fünf Jahre - mehr als drei Objekte veräußert werden. Der Drei-Objekt-Grenze kommt indizielle Bedeutung zu.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Zuordnung eines Grundstücks als Zählobjekt eines gewerblichen Grundstückshandels: Der verstorbene Rechtsvorgänger der Kläger (X) vermietete seit den 1980er Jahren ein bebautes Grundstück an eine GmbH, die dort ein Senioren- und Pflegeheim betrieb. Im Jahr 1999 beantragte X die Genehmigung für die Errichtung eines Erweiterungsbaus, der im Jahr 2004 fertiggestellt wurde. Bereits vorher hatte X eine gewerbliche KG gegründet. Mitte des Jahres 2005 brachte X die Immobilie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme der mit dem Grundstück zusammenhängenden Verbindlichkeiten in die KG ein. Diese setzte das Mietverhältnis mit der GmbH fort. Das Finanzamt ging davon aus, X habe das Grundstück nicht aus seinem Privat-, sondern aus einem Betriebsvermögen eingebracht und besteuerte daher den hieraus entstandenen Gewinn. X habe aufgrund anderweitiger Grundstücksaktivitäten einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben, zu dem auch das in die KG eingebrachte Grundstück gehört habe. Das Finanzgericht (FG) bestätigte diese Beurteilung.

Der BFH hob die Entscheidung auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück:

  • Für die Beurteilung, ob das eingebrachte Grundstück in Anbetracht dessen langjähriger Nutzung im Rahmen privater Vermögensverwaltung überhaupt taugliches Objekt eines gewerblichen Grundstückshandels gewesen sein kann, müssen weitere Feststellungen getroffen werden.

  • Der BFH hat bereits entschieden, dass ein zeitlich bereits weit zurückliegender Grundstückserwerb die Zuordnung zu einem gewerblichen Grundstückshandel nicht ausschließt, wenn ein hierauf befindliches Gebäude abgerissen und durch eine in Veräußerungsabsicht erfolgte Neubebauung ersetzt wird (, BStBl II 1990, 637, unter I.2.b; vgl. insoweit auch den der , BStBl II 2003, 238, zugrunde liegenden Sachverhalt).

  • Ebenso wenig kann - wie insbesondere die Fälle der Baulanderschließung belegen - generell davon ausgegangen werden, dass Grundstücke, die der Steuerpflichtige länger als zehn Jahre im Eigentum hat, keine tauglichen Objekte eines gewerblichen Grundstückshandels mehr sind (vgl. , unter 1.b bb).

  • Auch ein Grundstück, das - wie im Streitfall - langjährig im Eigentum des Steuerpflichtigen steht und seit längerer Zeit im Rahmen privater Vermögensverwaltung genutzt wird, ist nicht von vornherein ungeeignet, Teil eines gewerblichen Grundstückshandels zu sein.

  • Ein solches Grundstück kann Gegenstand gewerblichen Umlaufvermögens werden, wenn der Steuerpflichtige selbst nach langfristiger Vermietung im Hinblick auf eine Veräußerung Baumaßnahmen ergreift, die derart umfassend sind, dass hierdurch das bereits bestehende Wirtschaftsgut "Gebäude" nicht nur erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert wird, sondern ein neues Wirtschaftsgut "Gebäude" hergestellt wird.

  • Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Maßnahmen ein selbständiges - neben den Altbau tretendes - neues Gebäude, ein selbständiger Gebäudeteil oder ein einheitliches neues Gebäude unter Einbeziehung der Altbausubstanz entsteht.

  • Im Hinblick auf die in jedem Fall notwendige erforderliche umfassende Substanzvermehrung ist insoweit nicht erforderlich, dass dem Objekt eine andere Marktgängigkeit verliehen wird.

Hinweise:

Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu prüfen haben, ob durch die umfangreichen Baumaßnahmen des X entweder ein neues selbständiges Gebäude ("Erweiterungsbau") oder sogar ein einheitliches neues Gebäude geschaffen wurde. Wäre beides nicht feststellbar, hätte X das Grundstück aus seinem Privatvermögen - und damit nicht einkommensteuerbar - in die KG eingebracht. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass X das Grundstück aus einen Betriebsvermögen in das Gesellschaftsvermögen der KG eingebracht hätte, handelte es sich - so der abschließende Hinweis des BFH - nicht etwa um einen teil-, sondern vielmehr um einen vollentgeltlichen Vorgang. Denn als Gegenleistung für die Einbringung übernahm die KG neben der Gewährung von 100 % der Gesellschaftsrechte sämtliche im Zusammenhang mit der Immobilie stehenden Verbindlichkeiten. Die Zusammenfassung dieser beiden Entgeltkomponenten entsprach dem Grundstücksverkehrswert.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Der gewerbliche Grundstückshandel setzt, soweit keine unbedingte Veräußerungsabsicht bei der Anschaffung, etwaiger Bebauung und Verkauf vorliegt, einen Rückgriff auf die Drei-Objekte-Grenze voraus, um Indizien für eine bedingte Absicht annehmen zu dürfen. Bei kurz vor der Veräußerung bebauten Grundstücken ist zu prüfen, ob werterhöhende Aktivitäten des Steuerpflichtigen gegeben sind, die für eine "andere Marktgängigkeit" und damit für die Veräußerungsabsicht sprechen.

In diesem Fall kann ein Grundstück auch dann Objekt des gewerblichen Grundstückshandels werden, wenn es länger als zehn Jahre im Eigentum des Verkäufers war. Eine solche besondere Marktgängigkeit kann in der Herstellung eines neuen "Gebäudes" zu sehen sein, worunter, dass stellt der BFH klar, auch umfassende Baumaßnahmen fallen, die über die Erweiterung oder wesentliche Verbesserung des bestehenden Gebäudes hinausgehen. In diesem Fall wird ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Vorliegend muss das FG entsprechende Feststellungen nachholen.

Aufgrund dieser Zurückverweisung an das FG konnte der X. Senat des BFH nur im Rahmen der sog. "Segelanweisungen" auf die Problematik zur sog. "Trennungstheorie" eingehen. Nach der (plötzlichen) Beendigung des Verfahrens beim Großen Senat (GrS 1/16) rund um die Frage der Ermittlung eines eventuellen Gewinns aus teilentgeltlichen Übertragungen nach der strengen oder modifizierten Trennungstheorie (vgl. nur , BFH/NV 2019, 39) hatte etwa die OFD Frankfurt a.M. Einspruchsverfahren in Bezug auf die entschiedenen Revisionen gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhend gestellt (, unter II.1).

Der X. Senat des BFH macht im vorliegenden Verfahren deutlich, dass er die zu beurteilende Einbringung des Grundstücks aufgrund des Mischentgelts als vollentgeltlichen Vorgang bewerte. Auf diese seien auch nach der aktuellen Rechtslage die Grundsätze der strengen Trennungstheorie anzuwenden (ausführlich dazu Beitrittsaufforderungsbeschluss des , BStBl II 2014, 629, Rz. 86ff, m.w.N.), wie für die frühere Rechtslage bereits vom VIII. Senat des BFH in seinem (BStBl II 2002, 420, unter B.I.3.b cc) entschieden.

Bleibt abzuwarten, wie der IV. Senat des BFH im Revisionsverfahren IV R 16/19 urteilt. Das FG Berlin-Brandenburg hatte den Buchwert bei der dortigen Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts nach der sog. strengen Trennungstheorie aufgeteilt (, EFG 2019, 1753, Rz 26). Ausdrücklich folgte das FG dem Vorlagebeschluss des X. Senats des (BStBl II 2016, 81). Die OFD Frankfurt a.M. lässt deshalb Einspruchsverfahren zur Problematik der Anwendung der "richtigen" Art der Trennungstheorie weiter ruhen (, unter II.1).

Quelle: , X R 19/18 sowie Pressemitteilung v. ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB LAAAH-53656