BAG Urteil v. - 7 AZR 72/19

Befristung - Wissenschaftliches Personal an Hochschulen - Höchstbefristungsdauer

Gesetze: § 2 Abs 1 S 1 WissZeitVG vom , § 2 Abs 3 WissZeitVG vom , § 191 BGB, § 2 Abs 1 S 2 WissZeitVG vom , § 2 Abs 1 Nr 1 HSchulG BB 2008 vom , § 2 Abs 4 S 1 WissZeitVG vom , § 5 WissZeitVG vom , § 63 Abs 1 Nr 4 PersVG BB, § 63 Abs 2 PersVG BB, § 90 Abs 6 PersVG BB

Instanzenzug: Az: 2 Ca 833/17 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 21 Sa 201/18 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung am geendet hat.

2Der Kläger schloss das Studium der Chemie vor dem ab und wurde am promoviert. Er war bei dem beklagten Land in der Zeit vom bis zum mit einer Unterbrechung im Jahr 2013 auf der Grundlage von insgesamt 20 befristeten Arbeitsverträgen zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, als wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuletzt als akademischer Mitarbeiter an der Universität Potsdam beschäftigt.

3Unter dem schloss der Kläger mit der U Gesellschaft mbH an der Universität Potsdam (im Folgenden U) befristet für die Zeit vom 1. Juni bis zum einen Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Projekt P. Die U wurde ua. von der Universität Potsdam gegründet, um auf die Bedürfnisse des Marktes flexibel reagieren zu können, die Kompetenzen der anwendungsorientierten Forschungsbereiche der Universität gezielt zu verwerten und enger mit der Wirtschaft zu verzahnen. Nach § 3 Abs. 1 ihres Gesellschaftsvertrags ist Zweck der Gesellschaft die Förderung und Durchführung von Wissenschaft, Forschung, Weiterbildung, Bildung und Lehre. Dieser Gesellschaftszweck wird nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags insbesondere verwirklicht durch

4Die Parteien schlossen im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der U am einen Auflösungsvertrag, mit dem sie den zu diesem Zeitpunkt mit dem beklagten Land bestehenden, zum befristeten Arbeitsvertrag rückwirkend zum aufhoben.

5Ab dem war der Kläger wieder bei dem beklagten Land an der Universität Potsdam beschäftigt. Nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 des letzten, für die Zeit vom bis zum befristeten Arbeitsvertrags vom beruht die Befristung auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG.

6Mit seiner bei dem Arbeitsgericht am eingegangenen und dem beklagten Land am zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung zum geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Höchstbefristungsdauer von zwölf Jahren sei bereits aufgrund seiner Beschäftigung bei dem beklagten Land in der Zeit vom bis zum sowie vom bis zum überschritten. Auch das Arbeitsverhältnis mit der U sei auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen, da er in dieser Zeit nicht von der U im Projekt P, sondern am Lehrstuhl der Universität Potsdam beschäftigt worden sei. Die U sei zudem eine Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG. Darüber hinaus sei die Befristung aufgrund der Vielzahl und der Dauer der befristeten Arbeitsverträge rechtsmissbräuchlich.

7Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - sinngemäß beantragt

8Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Höchstbefristungsdauer von zwölf Jahren sei eingehalten. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der U sei nicht auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen. Der Kläger sei in dieser Zeit nur für die U tätig gewesen. Jedenfalls habe der Personalverantwortliche der Universität Potsdam keine Kenntnis von einer Tätigkeit des Klägers an der Universität gehabt.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Das beklagte Land verfolgt mit der Revision den Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

10Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Befristungskontrollklage nicht stattgegeben werden. Der Senat kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit am geendet hat.

11I. Das Landesarbeitsgericht hat mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, die Befristung zum sei nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG in der bis zum geltenden Fassung (WissZeitVG) gerechtfertigt.

121. Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass § 2 Abs. 1 WissZeitVG auf die im Vertrag vom vereinbarte Befristung zum Anwendung findet.

13a) Der zeitliche Geltungsbereich des WissZeitVG in der bis zum geltenden Fassung ist eröffnet. Für die Wirksamkeit der Befristung ist die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich (vgl.  - Rn. 20; - 7 AZR 629/15 - Rn. 13; - 7 AZR 524/15 - Rn. 14, BAGE 160, 117; - 7 AZR 117/14 - Rn. 27, BAGE 153, 365; - 7 AZR 291/08 - Rn. 10, BAGE 132, 54). Das WissZeitVG ist mit dem „Gesetz zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft“ vom (BGBl. I S. 506) beschlossen worden und am in Kraft getreten. Die am vereinbarte Befristung unterfällt nicht einer der auf andere Rechtsgrundlagen verweisenden Übergangsregelungen nach § 6 WissZeitVG (vgl. hierzu:  - Rn. 19, BAGE 139, 109; - 7 AZR 827/09 - Rn. 16 f., BAGE 138, 91).

14b) Auch der betriebliche Geltungsbereich von § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG ist eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist. Die Universität Potsdam ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Brandenburgischen Hochschulgesetzes idF der Bekanntmachung vom eine staatliche Hochschule des Landes Brandenburg. Die Anwendbarkeit von § 2 WissZeitVG auf befristete Arbeitsverträge setzt nicht voraus, dass die staatliche Hochschule Vertragsarbeitgeber ist. Das beklagte Land kann als Träger der Hochschule von den Möglichkeiten des WissZeitVG zur Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal Gebrauch machen ( - Rn. 21; - 7 AZR 524/15 - Rn. 15, BAGE 160, 117; - 7 AZR 657/14 - Rn. 15; - 7 AZR 827/09 - Rn. 18, BAGE 138, 91).

15c) Der Kläger unterfällt dem personellen Geltungsbereich von § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Als akademischer Mitarbeiter gehört er unstreitig zum wissenschaftlichen Personal iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG.

16d) Die Befristung genügt auch dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. In § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 des Arbeitsvertrags vom ist angegeben, dass die Befristung auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG beruht.

172. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch mit einer rechtsfehlerhaften Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass mit dem Arbeitsvertrag vom die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG überschritten sei.

18a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an staatlichen Hochschulen, das nicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig (sog. Postdoc-Phase); die zulässige Befristungsdauer in der Postdoc-Phase verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Nach § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG sind innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags möglich. Auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG abgeschlossen wurden, anzurechnen.

19b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Höchstbefristungsdauer von insgesamt zwölf Jahren in der Promotionsphase und der Postdoc-Phase sei nach § 191 BGB in 4.380 Tage umzurechnen. Der Kläger sei in der Zeit vom bis zum und vom bis zum unter Berücksichtigung der Schalttage an 4.382 Tagen bei dem beklagten Land beschäftigt gewesen. Die Höchstbefristungsdauer sei daher um zwei Tage überschritten. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

20aa) Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft von einer Höchstbefristungsdauer von insgesamt zwölf Jahren für die Promotions- und die Postdoc-Phase ausgegangen. Maßgebend ist vorliegend allein die zulässige Höchstbefristungsdauer für die Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG und nicht eine Addition der zulässigen Höchstbefristungsdauer für beide Qualifikationsphasen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG. Die Vorschrift legt für die Befristungsmöglichkeiten in der Promotionsphase und in der Postdoc-Phase jeweils eine gesonderte Höchstbefristungsdauer für die jeweilige Qualifikationsphase fest. Damit sind zwei - eigenständige - Rechtsgrundlagen für kalendermäßige Befristungen normiert. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG, nach der sich die zulässige Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase um nicht verbrauchte Zeiten mit oder ohne befristete Beschäftigung in der Promotionsphase verlängert, stellt sicher, dass der zeitliche Rahmen von auf § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG gestützten Befristungen einerseits nicht überschritten, andererseits ausgeschöpft werden kann (vgl. BT-Drs. 16/3438 S. 12). Diese Verlängerungsbestimmung ergäbe keinen Sinn, wenn § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG als einheitliche rechtliche Befristungsgrundlage mit einer zulässigen (Gesamt-)Höchstdauer zu verstehen wäre. Gegen dieses Verständnis spricht im Übrigen § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG. Hiernach sind Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags „innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer“ möglich ( - Rn. 25, BAGE 139, 109). Eine Gesamtbetrachtung der Höchstbefristungsdauer für beide Zeiträume ist nur im Rahmen des Satzes 3 vorzunehmen, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt (dazu  - Rn. 21). Bei wissenschaftlichem Personal, das - wie der Kläger - keine minderjährigen Kinder betreut, richtet sich die Höchstdauer der Befristung ausschließlich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG in der Promotionsphase und nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG in der Postdoc-Phase. So steht die sechsjährige (im Bereich der Medizin: neunjährige) Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase auch dann zur Verfügung, wenn die sechsjährige Höchstbefristungsdauer in der Promotionsphase überschritten war (vgl.  - Rn. 21; - 7 AZR 228/10 - Rn. 23, aaO).

21bb) Das Landesarbeitsgericht hat außerdem rechtsfehlerhaft in Anwendung von § 191 BGB volle Beschäftigungsjahre nicht als solche auf die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG angerechnet.

22(1) Zwar ist sowohl die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 als auch diejenige nach Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG ein Zeitraum iSv. § 191 BGB (vgl. ErfK/Müller-Glöge 20. Aufl. WissZeitVG § 2 Rn. 5). Nach § 191 BGB wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet, wenn ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt ist, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht. Danach wird der Zeitraum in Tage umgerechnet und die Tage des tatsächlichen Fristverbrauchs auf die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Tage angerechnet. Das gilt auch für Schalttage (Staudinger/Repgen [2019] § 191 Rn. 2; NK-BGB/Krumscheid 2. Aufl. § 191 Rn. 2). Die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG und diejenige nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG sind nach Jahren bestimmt. Der Befristungszeitraum braucht nicht durchgehend zu verlaufen, da eine Vertragsverlängerung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG - anders als eine Vertragsverlängerung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG - nicht voraussetzt, dass sich die Laufzeit des neuen Vertrags unmittelbar an den vorherigen Vertrag anschließt ( - Rn. 40, BAGE 153, 365).

23(2) Das Landesarbeitsgericht hat aber verkannt, dass § 2 Abs. 3 WissZeitVG eine eigenständige Anrechnungsbestimmung enthält, die der Auslegungsvorschrift in § 191 BGB vorgeht (vgl. zum Rechtscharakter der §§ 186 ff. BGB Palandt/Ellenberger 79. Aufl. § 186 Rn. 1). Nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG sind auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG abgeschlossen wurden, anzurechnen. Diese Anrechnungsbestimmung ist - auch wenn dies nicht ausdrücklich formuliert ist - unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Regelung sowie ihres Sinn und Zwecks dahin auszulegen, dass volle Beschäftigungsjahre - abweichend von § 191 BGB - als solche anzurechnen sind, so dass nur unterjährige Teile eines Arbeitsverhältnisses nach Tagen auf die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG angerechnet werden (ErfK/Müller-Glöge 20. Aufl. WissZeitVG § 2 Rn. 5).

24(a) Die Vorschrift legt zwar ausdrücklich nur die anzurechnenden Beschäftigungsverhältnisse, nicht aber die Modalitäten der Berechnung des Anrechnungszeitraums fest. Sie verweist aber auf die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG. Schon die Verweisung auf die nach Jahren bestimmte Höchstbefristungsdauer in § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG legt es nahe, dass ein Beschäftigungsjahr nach der Vorstellung des Gesetzgebers als solches - und nicht umgerechnet in 365 Tage - auf die Höchstbefristungsdauer angerechnet werden soll mit der Folge, dass die Höchstbefristungsdauer nicht wegen der Schalttage überschritten ist, wenn ein Arbeitnehmer sechs Kalenderjahre lang beschäftigt wird. Außerdem ist von der Verweisung auch die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG erfasst. Danach verlängert sich die zulässige Befristungsdauer in der Postdoc-Phase in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Die Anrechnungsregelung stellt sicher, dass die insgesamt zulässige Höchstdauer von zwölf bzw. 15 Jahren nicht überschritten wird, andererseits aber auch ausgeschöpft werden kann (BT-Drs. 14/6853 S. 33, 15/4132 S. 20, 16/3438 S. 12;  - Rn. 45, BAGE 154, 375). Die Einsparzeit ist nach ihrem tatsächlichen Umfang zu berechnen; § 191 BGB gilt insoweit nicht, da die Einsparzeit weder nach Jahren bestimmt ist noch unterbrochen werden kann. Der Zweck der Regelung sicherzustellen, dass die insgesamt zulässige Höchstdauer voll ausgeschöpft werden kann, schließt es aus, ein eingespartes Jahr im Fall eines Schaltjahres in Anwendung von § 191 BGB mit 365 Tagen anzusetzen und die tatsächliche Beschäftigung in demselben Zeitraum mit 366 Tagen anzurechnen; das Beschäftigungsjahr muss vielmehr auch im Fall eines Schaltjahres als solches angerechnet werden.

25(b) Für dieses Verständnis spricht auch der Regelungszweck des § 191 BGB.

26§ 191 BGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers für die Fälle von Bedeutung sein, in welchen eine Zeitbestimmung nicht eine zwischen dem Anfangs- und Endpunkt liegende zusammenhängende Zeiterstreckung, sondern eine Summe von nicht notwendig aufeinanderfolgenden Tagen bezeichnet (Motive BGB Bd. 1 S. 286). Dabei hatte der Gesetzgeber nach den in den Motiven angeführten Beispielen („Zusicherung eines dreimonatigen, aber nicht auf einmal zu nehmenden Urlaubes an einen Schauspieler, die Anstellung eines Geschäftsreisenden, mit der Klausel, daß er sich mindestens neun Monate im Jahre auf der Reise befinden solle, die Auflage, ein vermachtes Grundstück sechs Monate im Jahre zu bewohnen, u. s. w.“, Motive BGB Bd. 1 S. 286) Fallgestaltungen vor Augen, in denen die Berechnung dieser Zeiträume typischerweise Schwierigkeiten verursacht, weil nicht von vornherein feststeht, wann sie eintreten.

27Dagegen hat der Gesetzgeber als „Normalfall“ der befristeten Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG eine möglichst durchgehende Beschäftigung in der jeweiligen Qualifizierungsphase nach Satz 1 und Satz 2 vor Augen, was sich auch aus der Verwendung des Begriffs „Verlängerung“ in § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG ergibt. Bei der Festlegung des Befristungsrahmens nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG hat er sich an dem typischerweise für die Nachwuchsqualifizierung erforderlichen Zeitbedarf orientiert. Dieser wurde mit maximal sechs Jahren bis zur Promotion und weiteren sechs bzw. im Bereich der Medizin neun Jahren nach der Promotion angesetzt (BT-Drs. 16/3438 S. 12). In Anbetracht dieser Pauschalierung ist davon auszugehen, dass ein Beschäftigungsjahr als solches auf die Höchstbefristungsdauer angerechnet werden soll, so dass ein für die Dauer von sechs Jahren begründetes Arbeitsverhältnis die sechsjährige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG nicht überschreitet.

28(c) Diese Auslegung führt zu einem sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Verständnis der Bestimmung. Einer Berechnung nach § 191 BGB bedarf es im Fall einer Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG nur, wenn aufgrund von Unterbrechungen und Einsparzeiten unterjährige Beschäftigungszeiten bestehen. Die Berechnung nach vollen Jahren und Tagen ist einfach und rechtssicher handhabbar. Gleichzeitig wird durch die Anwendung von § 191 BGB auf unterjährige Beschäftigungszeiten sichergestellt, dass in allen Fällen unabhängig davon, ob die Beschäftigung in Monaten mit 31, 30, 28 oder 29 Tagen erfolgt, der gleiche Zeitraum zur Verfügung steht.

29(d) Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Höchstbefristungsdauer und die Gesamtdauer der anzurechnenden Arbeitsverhältnisse in Jahren, Monaten und Tagen angegeben hat (vgl.  - Rn. 28; - 7 AZR 70/14 - Rn. 29, BAGE 154, 375; - 7 AZR 376/14 - Rn. 26; - 7 AZR 117/14 - Rn. 39, BAGE 153, 365; - 7 AZR 519/13 - Rn. 18) und dies dahingehend verstanden werden konnte, dass die Beschäftigungszeiten nach vollen Jahren, vollen Monaten und Tagen auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen sind, hält der Senat daran nicht fest.

30II. Die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

311. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob vorliegend die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG überschritten wurde. Das wäre der Fall, wenn der Kläger vor dem mit seiner Promotion begonnen hätte oder wenn der Kläger in der Zeit vom bis zum mindestens zwei Tage in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land gestanden hätte oder wenn es sich bei der U um eine Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG handelte. Dazu hat das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht konsequent - keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachzuholen haben.

32a) Die zulässige Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG wäre nicht überschritten, wenn die Promotion des Klägers am begonnen hätte und nur die Zeiten der Beschäftigung bei dem beklagten Land nach Abschluss der Promotion in der Zeit vom bis zum und vom bis zum auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen wären.

33Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG errechnete sich bei einem unterstellten Beginn der am abgeschlossenen Promotion am eine Einsparzeit von 240 Tagen in der Promotionsphase ( bis ). Die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase beliefe sich daher auf sechs Jahre und 240 Tage. Die tatsächliche Beschäftigung des Klägers bei dem beklagten Land in der Zeit vom bis zum und vom bis zum beträgt sechs Jahre und 239 Tage (je drei Jahre vom bis zum und vom bis zum sowie 104 Tage vom bis zum und 135 Tage vom bis zum ).

34b) Hätte die Promotion des Klägers vor dem begonnen, wäre die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG bereits durch die Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom bis zum und vom bis zum überschritten.

35c) Die Höchstbefristungsdauer wäre ebenfalls überschritten, wenn der Kläger in der Zeit vom bis zum mindestens zwei Tage in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land gestanden hätte. Das wäre der Fall, wenn er über den hinaus von dem beklagten Land an der Universität Potsdam beschäftigt worden wäre. Zwar wurde der Arbeitsvertrag des Klägers mit Auflösungsvertrag vom rückwirkend zum aufgehoben. Die Arbeitsvertragsparteien können ihr Arbeitsverhältnis jedoch nur dann zu einem vergangenen Zeitpunkt auflösen, wenn das Arbeitsverhältnis in dem betreffenden Zeitraum bereits außer Vollzug gesetzt war ( - Rn. 19 mwN; - 8 AZR 324/97 - zu B I 2 der Gründe mwN, BAGE 90, 260). Tatsachenfeststellungen hierzu hat das Landesarbeitsgericht bislang nicht getroffen. Dies wird ggf. nachzuholen sein.

36d) Die Höchstbefristungsdauer wäre auch dann überschritten, wenn es sich bei der U um eine Forschungseinrichtung handelte, da in diesem Fall das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der U nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG iVm. § 5 WissZeitVG auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen wäre. Auch dies wird das Landesarbeitsgericht - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - zu prüfen haben. Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass die U eine Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG ist.

37aa) Eine Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG ist eine Einrichtung, in der Forschung iSv. Art. 5 Abs. 3 GG betrieben wird. Forschung ist eine geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Tätigkeit ist nur als Forschung anzusehen, wenn sie wissenschaftlich betrieben wird. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Auftragsforschung unterfällt dem Begriff der Forschung, wenn Tätigkeiten nach den Kriterien der Wissenschaftlichkeit und mit wissenschaftlichen Methoden ausgeführt werden (vgl. zum Begriff der Forschungseinrichtung iSv. § 57d HRG:  - Rn. 30 ff., BAGE 126, 211).

38bb) Zwar verfolgt die U nach § 3 Abs. 1 des vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrags den Zweck der Förderung und Durchführung von Wissenschaft, Forschung, Weiterbildung, Bildung und Lehre. Dieser Gesellschaftszweck wird aber nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags insbesondere verwirklicht durch Betreuung von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit für Nutzbarmachung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen der Universität Potsdam, die Beratung und Unterstützung der Wissenschaftler bei anwendungsnahen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie die Durchführung, Unterstützung und Betreuung von Programmen der beruflichen Qualifizierung auf wissenschaftlicher Basis und Unterstützung von anderen staatlichen oder gemeinnützigen Weiterbildungsträgern. Dabei handelt es sich nicht um Forschungstätigkeiten.

392. Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist.

40a) Dem beklagten Land ist es nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG zur Rechtfertigung der Befristung zu berufen.

41aa) Eine zusätzliche Prüfung der Wirksamkeit der Befristung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (grundlegend  - Rn. 38, BAGE 142, 308 und - 7 AZR 783/10 - Rn. 33) ist nicht geboten. Diese Prüfung ist nach der im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Kücük ( -) entwickelten Rechtsprechung des Senats vorzunehmen bei der Kontrolle einer durch einen Sachgrund gerechtfertigten Befristung, der mehrere befristete Arbeitsverträge vorausgegangen sind und die sich somit als das letzte Glied einer Befristungskette darstellt. Bei der Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG handelt es sich nicht um eine Sachgrundbefristung, sondern um eine sachgrundlose Befristung (vgl.  - Rn. 46, BAGE 153, 365).

42bb) Besondere Umstände, die dafür sprechen könnten, dass das beklagte Land die durch § 2 Abs. 1 WissZeitVG eröffnete Befristungsmöglichkeit im Streitfall rechtsmissbräuchlich genutzt hat, liegen nicht vor. Allein die Anzahl der insgesamt abgeschlossenen Arbeitsverträge und die Dauer der vereinbarten Vertragslaufzeit lassen nicht auf eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung schließen.

43(1) Eine Befristung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG setzt lediglich voraus, dass die Höchstbefristungsdauer nicht überschritten wird. Von weiteren Voraussetzungen ist die Befristung - anders als nach der Neufassung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG nF) - nicht abhängig ( - Rn. 30; - 7 AZR 181/16 - Rn. 44). § 2 Abs. 1 WissZeitVG lässt für wissenschaftliches Personal an Hochschulen in weitaus größerem Umfang sachgrundlose Befristungen zu als § 14 Abs. 2 TzBfG. Dabei wirkt die gesetzlich bestimmte, am Qualifikationsziel orientierte Maximalbefristungsdauer der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit entgegen ( - Rn. 37, BAGE 155, 227). Im Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 WissZeitVG gibt es keine Höchstanzahl an zulässigen Verlängerungen.

44(2) Eine Mindestbefristungsdauer ist in § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG nicht vorgesehen. Da § 2 Abs. 1 WissZeitVG eine sachgrundlose Befristung regelt, ist es auch nicht erforderlich, dass die angestrebte wissenschaftliche Qualifikation in dem vereinbarten Zeitraum erreicht oder jedenfalls sinnvoll vorangetrieben werden kann ( - Rn. 44). Nur bei einer Sachgrundbefristung muss sich die Vertragslaufzeit am Sachgrund der Befristung orientieren und so mit ihm im Einklang stehen, dass sie nicht gegen das Vorliegen des Sachgrunds spricht (vgl. etwa  - Rn. 12).

45Es kann dahinstehen, ob eine Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG in der hier maßgeblichen, bis zum geltenden Fassung im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn die Kürze der Vertragslaufzeit, insbesondere bei wiederholten Befristungen, eine ernsthafte Qualifizierung ausschließt und auch sonst keine im Interesse des Arbeitnehmers liegenden Gründe ersichtlich sind, eine kurze Vertragslaufzeit zu vereinbaren (vgl. etwa Krause in Geis Hochschulrecht in Bund und Ländern Stand Juli 2011 WissZeitVG § 2 Rn. 13; ErfK/Müller-Glöge 16. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 2). Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung der Vertragsdauer sind im Streitfall nicht ersichtlich. Der letzte Vertrag der Parteien wurde für eine Dauer von 13,5 Monaten geschlossen.

46b) Der Wirksamkeit der Befristung steht auch nicht die fehlende Beteiligung des Personalrats entgegen. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Bbg besteht zwar grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Befristung von Arbeitsverträgen. Nach § 63 Abs. 2 LPVG Bbg ist dies bei Hochschulpersonal iSv. § 90 Abs. 6 LPVG Bbg aber nur auf Antrag des Beschäftigten der Fall. Der Kläger hat nicht vorgetragen, einen solchen Antrag gestellt zu haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:200520.U.7AZR72.19.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 2490 Nr. 34
XAAAH-53613