Verstoß gegen Weisungen in der Führungsaufsicht: Bestimmtheitsgebot für den Führungsaufsichtsbeschluss
Gesetze: § 68b Abs 1 StGB, § 145a StGB, Art 103 Abs 2 GG
Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 41 KLs 5/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in vier Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Hausfriedensbruch, sowie wegen sexuellen Übergriffs in zwei Fällen, davon in einem Fall unter Ausnutzen einer schutzlosen Lage, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte mehrfach vorbestraft, u. a. wurde er durch Urteil des Landgerichts Hagen vom wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet. Mit rechtskräftigem Beschluss vom erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit Ablauf des für erledigt und setzte den noch offenen Strafrest zur Bewährung aus. Mit Beschluss vom erteilte sie dem Angeklagten die folgende Weisung: „Ihm ist der Konsum von Alkohol, illegalen Drogen sowie von Muskelaufbaupräparaten wie Testosteron untersagt und er hat sich auf Weisung der forensischen Ambulanz oder der Führungsaufsichtsstelle jederzeitigen Alkohol-, Drogen- oder Spiegelkontrollen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, zu unterziehen (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB).“ Zwischen dem und dem konsumierte der Angeklagte in vier Fällen Amphetamine.
32. Die Verurteilung wegen Weisungsverstoßes während der Führungsaufsicht in vier Fällen kann keinen Bestand haben. Insoweit fehlt es an den erforderlichen Feststellungen.
4a) § 145a StGB gleicht einer Blankettvorschrift, deren Tatbestand erst durch genaue Bestimmung der Führungsaufsichtsweisung ausgefüllt wird; erst hierdurch wird die Vereinbarkeit der Norm mit Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet. Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 145a StGB ist deshalb, dass die Weisung rechtsfehlerfrei ist (vgl. , BGHSt 58, 136, 138; Beschlüsse vom - 5 StR 275/15, StraFo 2015, 471, 472; vom - 2 StR 512/15, NStZ-RR 2016, 200; vom - 1 StR 377/16, StV 2020, 22). Verstöße gegen unbestimmte, unzulässige oder unzumutbare Weisungen können die Strafbarkeit nach § 145a StGB nicht begründen. Dabei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen der Tatrichter in den Urteilsgründen darzutun hat (BGH, Beschlüsse vom und vom , aaO). Zudem muss im Führungsaufsichtsbeschluss unmissverständlich klargestellt sein, dass es sich bei den in Rede stehenden Weisungen um gemäß § 68b Abs. 1 StGB strafbewehrte Weisungen handelt ( aaO; vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2011, 30).
5b) Diesen Anforderungen genügen die Urteilsfeststellungen nicht. So ist bereits zweifelhaft, ob die im Urteil wiedergegebene Bezugnahme auf § 68b Abs. 1 StGB ohne weitere Erläuterungen ausreicht, dem Verurteilten die notwendige Klarheit über die Strafbewehrung der Weisung zu verschaffen (, StraFo 2015, 471, 472). Jedenfalls aber fehlt die Angabe, welche bestimmten Tatsachen die Strafvollstreckungskammer festgestellt hat, die Grund für die Annahme bieten, dass der Konsum von Alkohol, illegalen Drogen oder Muskelaufbaupräparaten wie Testosteron zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird (OLG Dresden, NStZ-RR 2008, 27; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 262; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 68b Rn. 14a). Ausführungen hierzu enthält das angegriffene Urteil nicht. Schließlich ist auch die Feststellung des Landgerichts, durch den Konsum des Amphetamins sei jeweils die Gefahr entstanden, dass der Angeklagte weitere, insbesondere einschlägige Sexualstraftaten begehen werde, mithin eine Gefährdung des Maßregelzwecks eingetreten ist, nicht belegt (vgl. , NStZ-RR 2018, 309). Bei dieser Sachlage können die Schuldsprüche wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht keinen Bestand haben. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
63. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
74. Es kann dahinstehen, ob im Fall II. 5. der Urteilsgründe das Bestehen einer schutzlosen Lage hinreichend festgestellt und belegt ist, denn der Angeklagte hat jedenfalls gegenüber dem Tatopfer Gewalt angewendet (§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB). Die Gewalt muss nach der Neufassung des § 177 StGB nicht mehr das Mittel zur Erzwingung der sexuellen Handlung sein (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 311/18, BGHSt 63, 220; vom - 3 StR 572/18, juris Rn. 6; Schönke/Schröder/Eisele aaO § 177 Rn. 75). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend klargestellt. Der Senat kann ausschließen, dass sich der Angeklagte gegen die abweichende rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts anders als geschehen hätte verteidigen können.
85. Die Maßregelanordnung wird von der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs nicht berührt. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist rechtsfehlerfrei allein auf die Taten II. 5. und 6. der Urteilsgründe gestützt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:250220B4STR590.19.0
Fundstelle(n):
BAAAH-52349