Online-Nachricht - Donnerstag, 18.06.2020

Einkommensteuer | Österreichische Versorgungskassenbeiträge als Arbeitslohn in BRD (BFH)

Bei den von einem österreichischen Arbeitgeber nach österreichischem Recht für seinen Arbeitnehmer geleisteten Beiträgen an eine betriebliche Vorsorgekasse handelt es sich nach deutschem Recht um zugeflossenen Arbeitslohn. Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG sind über die in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LStDV aufgezählten Leistungen hinaus auch Leistungen zur Absicherung der Arbeitslosigkeit. Beiträge an eine österreichische betriebliche Vorsorgekasse sind nur dann nach § 3 Nr. 62 Satz 1 zweite Alternative EStG steuerfrei, wenn sie für eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherung geleistet werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 3 Nr. 62 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist, und es sich nicht um Zuwendungen oder Beiträge des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 56 und 63 EStG handelt.

Sachverhalt: Die Kläger hatten ihren Wohnsitz von Österreich nach Deutschland verlegt und dabei ihre Beschäftigung in Österreich beibehalten. Unstreitig ist auf sie die Grenzgänger-Regelung des Art. 15 Abs. 6 DBA Österreich anzuwenden, sodass das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in den Streitjahren bei der BRD liegt. Der österreichische Arbeitgeber hatte, wie ihm durch § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG vorgegeben, Beiträge in Höhe von 1,53 % des Bruttolohns an die betriebliche Vorsorgekasse des Klägers geleistet und die Höhe dieser Beiträge gesondert, neben den weiteren Lohnzuwendungen, bescheinigt. Das FA rechnete dem vom Kläger als Grenzgänger bezogenen Bruttoarbeitslohn die Beiträge in den Streitjahren 2013 und 2014 hinzu, wodurch sich dessen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit entsprechend erhöhten.

Die Entscheidung des wich von anderen Rechtsprechungen ab. Das FG qualifizierte die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG gezahlten Beiträge als Lohn i. S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Lohnbestandteil in Form der Beitragszahlungen des Arbeitgebers ist dem Kläger in den Streitjahren auch im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen. Als Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, wozu der Arbeitgeber nach einer gesetzlichen Bestimmung verpflichtet ist, seien die Beitragszahlungen gem. § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei zu stellen. Die Revision war zugelassen, da die Streitsache nach Mitteilung des bayerischen Landesamtes für Steuern für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung war.

Der BFH sah die Revision des FA als begründet an und führte aus:

  • Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den vom Arbeitgeber des Klägers gezahlten Beiträgen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG um Arbeitslohn handelt und dass vorliegend eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 56 und Nr. 63 EStG nicht in Betracht kommt.

  • Ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Beitrag nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei ist, kann der BFH infolge fehlender Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend überprüfen. Das FG hatte keinen Vergleich der von ihm angenommenen "Arbeitslosenversicherung nach österreichischem Recht" mit dem deutschen Regime vorgenommen.

  • Der BFH hat nur Arbeitgeberbeiträge als von § 3 Nr. 62 EStG erfasst angesehen, die aufgrund einer nach ausländischen Gesetzen bestehenden Verpflichtung an ausländische Sozialversicherungsträger geleistet werden, die den inländischen Sozialversicherungsträgern vergleichbar sind ().

  • Sollte es nach Ansicht des FG an einer entsprechenden Vergleichbarkeit fehlen und es sich bei den streitigen Beiträgen nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) deshalb um in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn handeln, so führt dies gegenwärtig nicht zu einer Doppelbesteuerung, da Deutschland insoweit das alleinige Besteuerungsrecht zusteht und die Beiträge in Österreich bis zur Höhe von 1,53 % zudem nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Zu den nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gehören insbesondere die Beitragsanteile des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung), Beiträge des Arbeitgebers nach § 172a SGB VI zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung für Arbeitnehmer, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, und Beiträge des Arbeitgebers nach § 249b SGB V und nach §§ 168 Abs. 1 Nr. 1b oder 1c, 172 Abs. 3 oder 3a, 276a Abs. 1 SGB VI für geringfügig Beschäftigte. Dies gilt auch für solche Beitragsanteile, die auf Grund einer nach ausländischen Gesetzen bestehenden Verpflichtung an ausländische Sozialversicherungsträger, die den inländischen Sozialversicherungsträgern vergleichbar sind, geleistet werden (z.B. zur teilweisen Steuerfreiheit von Zahlungen in eine schweizerische Pensionskasse, die zum Ausgleich von Rentenminderungen wegen vorzeitigen Ruhestandes geleistet werden; zur steuerliche Berücksichtigung von Arbeitgeberbeiträgen zu einer schweizerischen privatrechtlichen Pensionskasse; zur steuerliche Behandlung der Todesfallleistung einer schweizerischen privatrechtlichen Pensionskasse und zu Zukunftssicherungsleistungen eines inländischen Arbeitgebers für unbeschränkt steuerpflichtigen schwedischen Arbeitnehmer). Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 62 EStG auch vom Arbeitgeber nach § 3 Abs. 3 Satz 3 SvEV übernommene Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag sowie Krankenversicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber nach § 9 der Mutterschutz- und Elternzeitverordnung oder nach entsprechenden Rechtsvorschriften der Länder erstattet. Zukunftssicherungsleistungen auf Grund einer tarifvertraglichen Verpflichtung sind dagegen nicht nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei (R 3.62 Abs. 1 Satz 4 LStH 2020). Es sei denn der Tarifvertrag ist gem. § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden (). Nach § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG sind den Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, die auf Grund gesetzlicher Verpflichtung geleistet werden, die Zuschüsse des Arbeitgebers gleichgestellt, die zu den Beiträgen des Arbeitnehmers für eine Lebensversicherung - auch für die mit einer betrieblichen Pensionskasse abgeschlossene Lebensversicherung -, für die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder für eine öffentlich‑rechtliche Versicherungs‑ oder Versorgungseinrichtung der Berufsgruppe geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden ist (siehe hierzu im Einzelnen R 3.62 Abs. 3 LStH 2020). Vorstandsmitglieds einer AG zählen allerdings nicht zu diesem Personenkreis. Bei ihnen handelt es sich nicht um von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreite Arbeitnehmer; sie gehören vielmehr zu den kraft Gesetzes nicht versicherungspflichtigen Beschäftigten ().

Quelle: (JT)

Fundstelle(n):
NWB GAAAH-51225