BGH Beschluss v. - 4 StR 397/19

Wohnungseinbruchsdiebstahl in ein Einfamilienhaus: Fehlgeschlagener Versuch bei Entdeckung des Täters zum Zeitpunkt des Aufhebelns des Küchenfensters und/oder einer Terrassentür

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 243 Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB, § 244 Abs 4 StGB

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 16 KLs 18/18

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.294,83 Euro angeordnet wird.
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Verurteilung wegen „versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls“ gemäß §§ 244 Abs. 4, 22 StGB hält auch in den Fällen II.5 und 6 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung stand.
Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte jeweils am Vormittag des Tattages ein Küchenfenster (Fall II.5 der Urteilsgründe) bzw. die Terrassentür eines Einfamilienhauses (Fall II.6 der Urteilsgründe) auf, um im Anschluss hieran in das Gebäudeinnere einzudringen und stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Nach erfolgreichem Aufhebeln von Fenster bzw. Terrassentür wurde er von einer Nachbarin bzw. von den zurückkehrenden Hauseigentümern entdeckt und angesprochen; daraufhin sah der Angeklagte sein Vorhaben als gescheitert an und entfernte sich.
Diese Feststellungen tragen die Annahme eines (fehlgeschlagenen) Versuchs des § 244a Abs. 4 StGB. Zwar hat der Angeklagte noch keine unmittelbar der Wegnahme von Wertgegenständen dienende Handlung vorgenommen. Mit der Verwirklichung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals des Einbrechens im Sinne des §§ 244 Abs. 4, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB, das nach seinem Vorstellungsbild der tatbestandsmäßigen Wegnahmehandlung zeitlich und räumlich unmittelbar vorgelagert sein und ohne weitere Zwischenschritte in die Diebstahlshandlung münden sollte, hat er jedoch zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt.
1. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 281/18, BGHSt 63, 228, 234; vom – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207 und vom – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Urteile vom – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157; vom – 4 StR 428/97, BGHSt 44, 34, 40; vom – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; vom – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203 f.; vom – 4 StR 559/67, BGHSt 22, 80, 81; siehe auch , BGHSt 33, 370, 376).
Bei der Prüfung der Frage, ob der Täter nach seinem Tatplan (vgl. , BGHSt 35, 6, 8) zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt hat, muss die Handlung, die er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (vgl. , BGHSt 37, 294, 296; Beschluss vom – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207). Diese Grundsätze gelten auch für die Prüfung des Versuchsbeginns bei Qualifikationstatbeständen oder Tatbeständen mit Regelbeispielen. Soweit in einzelnen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen worden ist, dass die Prüfung des Versuchsbeginns grundsätzlich an der Verwirklichung des Grundtatbestandes zu orientieren (in diesem Sinne , NStZ 2017, 86 unter Hinweis auf Fischer, StGB, 63. Aufl., § 22 Rn. 36; ebenso Kudlich/Schuhr in: SSW-StGB, 4. Aufl., § 22 Rn. 47; SK-StGB/Jäger, 9. Aufl., § 22 Rn. 32), oder in den genannten Konstellationen trotz der Verwirklichung eines Merkmals des Qualifikationstatbestands ein unmittelbares Ansetzen zu verneinen sei, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs noch eines – weiteren – Willensimpulses des Täters bedürfe (vgl. , NStZ 2015, 207), ist damit ebenfalls nur das Erfordernis kritischer Prüfung umschrieben, ob der Täter im jeweiligen Einzelfall nach seiner Vorstellung von der Tat bereits die Schwelle überschritten hat, die ‒ ohne weitere Zwischenakte (vgl. dazu , BGHR StGB § 176 Abs. 4 Nr. 3 Einwirken 1; Urteil vom – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447, 448; Hoffmann-Holland in: MüKoStGB, 3. Aufl., § 22 Rn. 109) ‒ in die vollständige Verwirklichung des Tatbestands münden soll.
Auch für den Versuchsbeginn beim Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters bei der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals des Einbrechens an; handelt er beim Aufhebeln eines Fensters oder bei der gewaltsamen Überwindung eines sonstigen Hindernisses in der Vorstellung, in unmittelbarem Anschluss hieran in die (Privat)Wohnung einzudringen und hieraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden, so ist die Schwelle zum Versuch regelmäßig überschritten und das geschützte Rechtsgut aus der maßgeblichen Tätersicht bereits konkret gefährdet.
2. Diesem Ergebnis stehen Entscheidungen des 2. und des 5. Strafsenats (vgl. die Beschlüsse vom – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86, 87 mit Anmerkung Engländer NStZ 2017, 87; vom – 5 StR 274/19 und vom – 5 StR 185/19, NStZ 2019, 716 mit Anmerkung Kudlich NStZ 2020, 34) nicht entgegen; sie betrafen jeweils im Tatsächlichen anders gelagerte Fallkonstellationen. Sollte den Beschlüssen des 5. Strafsenats allerdings die Rechtsauffassung zugrunde liegen, dass die Annahme eines Versuchs in Fällen des Einbruchsdiebstahls generell und losgelöst von den Feststellungen im Einzelfall ausscheidet, solange der Täter nicht unmittelbar zur Wegnahme angesetzt hat, könnte der Senat dem nicht folgen.
Sost-Scheible     
      
Roggenbuck     
      
Quentin
      
Feilcke     
      
Bartel     
      

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:140120B4STR397.19.0

Fundstelle(n):
WAAAH-49981