BGH Beschluss v. - 6 StR 41/20

Instanzenzug: Az: 6 StR 41/20 Beschlussvorgehend LG Braunschweig Az: 1 KLs 71/19

Gründe

11. Der Senat hat dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zur Auslegung von Art. 27 Abs. 2 und 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom , S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom geänderten Fassung (ABl. L 81 vom , S. 24) gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auf den hierzu ergangenen Beschluss von heute wird Bezug genommen.

22. Die Vorlagefrage betrifft den Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, mithin einen Bereich, der von Titel V des Dritten Teils des AEUV über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erfasst ist.

33. Die Dringlichkeit der Vorabentscheidung über die vorgelegte Frage ergibt sich aus Folgendem:

4Aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Braunschweig vom befand sich der Angeklagte in gegenständlicher Sache vom bis in Untersuchungshaft in Deutschland. Seit dem wird die Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Niebüll weiter vollstreckt. Der für das gegenständliche Verfahren ergangene Untersuchungshaftbefehl besteht daneben fort. Es ist Überhaft notiert. Am werden zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt sein. Zu diesem Zeitpunkt ist eine gerichtliche Entscheidung darüber zu treffen, ob die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung ausgesetzt wird. Bei dieser Prüfung kann auch die Tatsache des fortbestehenden Untersuchungshaftbefehls entscheidungserheblich sein und einer Aussetzung entgegenstehen. Setzt das Gericht jedoch die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung aus, wird die im gegenständlichen Verfahren angeordnete Untersuchungshaft weiter vollstreckt.

5Darüber hinaus kann die Fortdauer des Untersuchungshaftbefehls auch bei der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe gemäß Urteil des Amtsgerichts Niebüll zur Einschränkung von Lockerungen des Vollzugs führen. Es liegt somit zumindest ein dem in Art. 267 Abs. 4 AEUV genannten Fall des Freiheitsentzugs vergleichbarer Fall vor, jedenfalls aber ein Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. Nr. 36 der Empfehlungen des Europäischen Gerichtshofs an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen ABl. C 380 vom , S. 1). Von der Entscheidung der Vorlagefrage hängt ab, ob der Untersuchungshaftbefehl zu Recht besteht. Würde die Vorlagefrage vom Gerichtshof - entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats - verneint, so läge ein Vollstreckungshindernis vor, womit der Untersuchungshaftbefehl aufzuheben und die Überhaft zu löschen wäre. Im Hinblick darauf ist nach Ansicht des Senats eine besondere Dringlichkeit gegeben, die die Anwendung des Eilvorlageverfahrens gemäß Art. 107 EuGHVfO erfordert.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:210420B6STR41.20.0

Fundstelle(n):
AAAAH-48613