Online-Nachricht - Donnerstag, 30.04.2020

Einkommensteuer | Verluste aus dem entschädigungslosen Entzug von Aktien (BFH)

Werden (nach dem erworbene) Aktien einem Aktionär ohne Zahlung einer Entschädigung entzogen, indem in einem Insolvenzplan das Grundkapital einer Aktiengesellschaft (AG) auf Null herabgesetzt und das Bezugsrecht des Aktionärs für eine anschließende Kapitalerhöhung ausgeschlossen wird, erleidet der Aktionär einen Verlust, der in entsprechender Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG steuerlich geltend gemacht werden kann. Dies hat der BFH gegen die Auffassung des BMF entschieden. Das BMF war dem Revisionsverfahren beigetreten (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Im Streitfall hatte die Klägerin am und am insgesamt 39.000 Namensaktien einer inländischen AG zu einem Gesamtkaufpreis von 36.262,77 € erworben. Im Streitjahr 2012 wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet. In einem vom Insolvenzgericht genehmigten Insolvenzplan wurde gemäß § 225a Abs. 2 InsO das Grundkapital der AG auf Null herabgesetzt und eine Kapitalerhöhung beschlossen, für die ein Bezugsrecht der Klägerin und der übrigen Altaktionäre ausgeschlossen wurde. Der börsliche Handel der Altaktien wurde eingestellt. Da die Klägerin für den Untergang ihrer Aktien keinerlei Entschädigung erhielt, entstand bei ihr ein Verlust in Höhe ihrer ursprünglichen Anschaffungskosten. Das FA weigerte sich, diesen Verlust zu berücksichtigen. Das anschließende Klageverfahren blieb ebenfalls erfolglos ().

Das sah der BFH anders und gab der Klägerin Recht:

  • Der BFH beurteilte den Entzug der Aktien in Höhe von 36.262,77 € als steuerbaren Aktienveräußerungsverlust. Dieser Verlust sei nach den Beteiligungsquoten auf die Gesellschafter der Klägerin zu verteilen.

  • Zur Begründung führte der BFH aus, dass der Untergang der Aktien keine Veräußerung darstelle und auch sonst vom Steuergesetz nicht erfasst werde. Das Gesetz weise insoweit aber eine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege der Analogie zu schließen sei.

  • Die in § 225a InsO geregelte Sanierungsmöglichkeit sei erst später eingeführt worden, ohne die steuerliche Folgen für Kleinanleger wie die Klägerin zu bedenken. Es widerspreche den Vorgaben des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes in seiner Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeits- und Folgerichtigkeitsprinzip, wenn der von der Klägerin erlittene Aktienverlust steuerlich nicht berücksichtigt werde, wirtschaftlich vergleichbare Verluste (z.B. aufgrund eines Squeeze-Out oder aus einer Einziehung von Aktien durch die AG) aber schon.

Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:

Der VIII. Senat des BFH hat im Besprechungsurteil entschieden, dass der Entzug von Aktien, die nach dem erworben wurden, durch eine Herabsetzung des Grundkapitals einer AG auf Null mit einem anschließenden Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre in einem Insolvenzplan gem. § 225a InsO ein gemäß § 20 Abs 2 Nr. 1, § 20 Abs 4 EStG steuerbarer Vorgang ist. Die genannten Vorschriften werden auf den Vorgang analog angewendet. Denn der rechtliche Untergang der Aktien ohne einen zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel fällt weder unter den Veräußerungsbegriff in § 20 Abs 2 Satz 1 EStG noch unter einen der Ersatztatbestände des § 20 Abs 2 Satz 2 EStG. Der BFH ordnet den Verlust aus dem Entzug der Aktien als Aktienveräußerungsverlust ein, der der Verrechnungsbeschränkung des § 20 Abs 6 Satz 4 EStG in der heutigen Fassung unterliegt, also nur mit Aktienveräußerungsgewinnen verrechnet werden darf.

Hervorzuheben ist schließlich, dass die Veräußerung von Aktien, die von einer vermögensverwaltenden GbR im Gesamthandsvermögen erworben und dort veräußert werden, als gemeinschaftlich verwirklichter Vorgang auf Ebene der GbR zu behandeln und der daraus resultierende Gewinn oder Verlust gesondert und einheitlich festzustellen ist. Anders ist dies bei wesentlichen Beteiligungen gem. § 17 EStG. Die mit Wirkung für den VZ 2020 in § 20 Abs 6 Satz 6 EStG eingefügte Verlustverrechnungsregelung dürfte auf den im Besprechungsurteil verwirklichen Vorgang keine Anwendung finden, da der Untergang der Aktien als Aktienveräußerungsverlust zu beurteilen ist (vgl. weitergehende Schmidt/Levedag, 39. Aufl., EStG § 20 Rz 157, 247).

Quelle: BFH Pressemitteilung Nr. 21 vom sowie ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB YAAAH-47685