BVerwG Beschluss v. - 9 BN 9/18

Normenkontrolle einer Beitragssatzung; Beitragserhebungspflicht und kommunale Finanzhoheit

Leitsatz

1. Eine landesrechtliche Bestimmung des Kommunalabgabenrechts (hier § 6 Abs. 1 KAG LSA), die die Gemeinde zur Erhebung grundsätzlich kostendeckender Beiträge verpflichtet, ist mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar.

2. Ob eine kommunalabgabenrechtliche Beitragssatzung, deren festgesetzter Beitragssatz den höchstzulässigen Beitragssatz nicht unerheblich unterschreitet, wegen Verstoßes gegen das Kostendeckungsgebot nichtig ist, ist eine Frage der Auslegung des jeweiligen Landesrechts.

3. Auch im Kommunalabgabenrecht ist die Normenkontrolle nach § 47 VwGO ein Verfahren der objektiven Rechtskontrolle, das nicht auf die Überprüfung der Verletzung subjektiver Rechte beschränkt ist. Eine nach der Überzeugung des Gerichts ungültige Satzung ist gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären; für ein Absehen davon besteht grundsätzlich kein Raum, weder aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität noch wegen privater Interessen.

4. Ein in der mündlichen Verhandlung erteilter richterlicher Hinweis zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung kann auch noch in dem Beschluss über die Nichtabhilfe der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aktenkundig gemacht werden.

Gesetze: § 6 Abs 1 KAG ST, Art 28 Abs 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 47 Abs 1 Nr 2 VwGO, § 47 Abs 5 S 2 VwGO, § 160 Abs 2 ZPO, § 139 ZPO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 4 K 221/15 Urteil

Gründe

I

1Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung. Sie rügen im Wesentlichen Fehler bei der Festlegung des Beitragsmaßstabes im Hinblick auf die Berücksichtigung von Großeinleitern sowie einen Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot. Das Oberverwaltungsgericht hat die Satzung - mit Ausnahme der Vorschriften mit rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalt - für unwirksam erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen nicht durchgriffen, die in der Satzung festgesetzten Beitragssätze aber die jeweils höchstzulässigen Beitragssätze um mindestens 31 % (allgemeiner Herstellungsbeitrag) bzw. mindestens 52 % (sog. Herstellungsbeitrag II) und damit in einem solchen Umfang unterschritten, dass eine zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führende Verletzung der im Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt geregelten Beitragserhebungspflicht vorliege.

II

2Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision, die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützt ist, hat keinen Erfolg.

31. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Eine solche Rechtsfrage wird in der Beschwerde nicht bezeichnet.

4a) Die Beschwerde wirft zum Verhältnis zwischen Mindestdeckungsquote und Gesetzesvorbehalt die Frage auf

"Bedarf es für eine gerichtliche Bezifferung des Umfangs einer landesgesetzlichen Beitragserhebungspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen wegen des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage?"

5Sie macht insoweit geltend, die Fragestellung betreffe die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Geltung und Reichweite des Parlamentsvorbehalts seien hinsichtlich einer konkreten Bezifferung für eine Mindestbeitragserhebung bei leitungsgebundenen Einrichtungen höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Dem Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt seien keine Vorgaben für die Mindesterhebung und eine zwingende prozentuale Mindestdeckung zu entnehmen.

6Mit diesem Vortrag ist ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf nicht dargelegt. Die Antragsgegnerin unterstellt, dass das Oberverwaltungsgericht rechtliche Regelungen ohne gesetzliche Grundlage weiterentwickelt habe, während das Oberverwaltungsgericht sich auf die Auslegung und Anwendung der vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen stützt. Das Gericht hat der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA die Pflicht zur Erhebung von grundsätzlich aufwanddeckenden Beiträgen entnommen, die allerdings einer schon aus Praktikabilitätsgesichtspunkten gebotenen immanenten Beschränkung dahingehend unterliege, dass der Körperschaft ein "Sicherheitsabstand" zwischen festgesetztem und höchstzulässigem Beitrag in Höhe einer Unterdeckung von bis zu 20 % zugestanden werde. Die Rüge der Antragsgegnerin zielt im Kern auf den Inhalt und die Grenzen der Auslegung von irreversiblem Landesrecht. Ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf ist damit nicht aufgezeigt.

7Der Maßstab für die revisionsgerichtliche Überprüfung der Auslegung von Rechtsvorschriften ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Auslegungsregeln und allgemeine Auslegungsgrundsätze sind dem Bundesrecht nur zuzuordnen, wenn und soweit sie der Anwendung von Bundesrecht dienen. Die Rüge, irrevisible landesrechtliche Vorschriften seien fehlerhaft ausgelegt worden, ist dagegen revisionsrechtlich unbeachtlich. Dies gilt auch für den Vorwurf, das Landesrecht sei unter Verstoß gegen Bundes(verfassungs)recht, etwa unter Überschreitung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, angewandt worden, es sei denn, damit werden zugleich klärungsbedürftige Fragen grundsätzlicher Bedeutung gerade des Bundesrechts aufgeworfen (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 Rn. 6 f. und vom - 9 B 17.15 - NVwZ-RR 2015, 906 Rn. 5), was hier nicht der Fall ist. Die Grenzen, die bei der Auslegung des irrevisiblen Rechts nicht überschritten werden dürfen, werden durch das Rechtsstaatsprinzip und das im allgemeinen Gleichheitssatz verankerte Willkürverbot gebildet (vgl. auch dazu 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8). Auch insoweit legt die Beschwerde keinen bundesrechtlichen Klärungsbedarf dar.

8b) Auch die zum Verhältnis von Mindestdeckungsquote und kommunalen Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) aufgeworfene Frage,

"Ist eine verwaltungsgerichtlich konkretisierte Anschlussbeitragserhebungspflicht, welche die Kommunen dazu verpflichtet, zwingend und ausnahmslos mindestens 80 % des beitragsfähigen Aufwandes auszuschöpfen, mit dem Gewährleistungsgehalt des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) vereinbar?"

zeigt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.

9Die Antragsgegnerin macht insoweit geltend, höchstrichterlich geklärt sei bisher lediglich die Vereinbarkeit einer gesetzlich begründeten Beitragserhebungspflicht als solche mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht, nicht jedoch das Maß der zulässigen Regelungsdichte und die Frage, ob und inwieweit detaillierte Vorgaben für die (Mindest-)Beitragserhebung gemacht werden könnten. Es sei äußerst zweifelhaft, ob die starre betragsmäßige Mindesterhebungspflicht einen zulässigen Eingriff in die kommunale Finanzhoheit darstelle, zumal deren Unterschreitung selbst in atypischen Ausnahmefällen nicht zulässig sei, obwohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anerkennung von Ausnahmemöglichkeiten zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit erforderlich sei. Ob das vom Oberverwaltungsgericht statuierte "Ausschöpfungsgebot" mit einem für die Beitragserhebung zwingend einzuhaltenden Rahmen von 80 - 100 % des beitragsfähigen Aufwands die verfassungsrechtlichen Grenzen zur Wahrung der kommunalen Finanzhoheit einhalte, bedürfe höchstrichterlicher Klärung.

10Die damit aufgeworfenen Fragen zielen wiederum in erster Linie auf die Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes zur Beitragserhebung und Kostendeckung. Das Kostendeckungsgebot selbst ist kein bundesrechtlich vorgegebenes Prinzip, sondern gilt nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Regelungen, hier nach § 6 KAG LSA in seiner Interpretation durch das Oberverwaltungsgericht. Soweit die Beschwerde auf die Vereinbarkeit mit Art. 28 GG verweist, fehlt es an der Darlegung, warum diese grundgesetzliche Norm, die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angewandt werden soll, ihrerseits ungeklärte Fragen aufwirft, die sich nicht ohne Weiteres auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens schon auf der Grundlage des Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung beantworten lassen.

11aa) So ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass die kommunale Finanzhoheit als Ausprägung der verfassungsrechtlich garantierten gemeindlichen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet ist. Der Gesetzgeber ist befugt, sie inhaltlich auszuformen und zu begrenzen, wobei er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat und nicht in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung eingreifen darf (, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <167 f.>; 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 Rn. 19 f. m.w.N.). Er kann dabei den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise dadurch ausfüllen, dass er eine Beitragserhebungspflicht der Gemeinden anordnet ( 8 B 205.96 - juris). Dabei muss er weder den Gemeinden einen Ermessensspielraum belassen, noch ist er zur Einräumung eines Beurteilungsspielraums verpflichtet, wenn er anstelle einer ausnahmslos zwingenden Regelung Raum für eine Abweichung von der Beitragserhebungspflicht in atypischen Fällen lässt ( 10 B 2.17 - juris Rn. 6). Soweit die Antragsgegnerin hieraus die Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen ableitet, missversteht sie die zitierte Entscheidung vom , die sich lediglich mit der konkreten Auslegung und gerichtlichen Kontrolle einer im Bayerischen Landesrecht vorgesehenen Sollvorschrift befasst.

12Zum Erschließungsbeitragsrecht ist zudem geklärt, dass die entsprechende Beitragserhebungspflicht auf die vollständige Deckung des anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die beitragsfähige Erschließungsanlage abzielt und die beitragserhebenden Körperschaften gehalten sind, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit neben dem von der betreffenden Körperschaft ohnehin zu tragenden Anteil am Erschließungsaufwand möglichst kein weiterer von ihr zu tragender "Ausfallbetrag" hinzukommt oder dieser möglichst gering bleibt ( 8 C 92.87 - BVerwGE 79, 163 <167 f.> und vom - 9 C 10.07 - BVerwGE 130, 52 Rn. 26).

13Auch in Bezug auf die hier streitige Erhebung von Anschlussbeiträgen unterliegt die kommunale Finanzhoheit dem Gesetzesvorbehalt; der Landesgesetzgeber ist daher berechtigt, eine Beitragserhebungspflicht zu regeln und auszugestalten. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, dass diese Pflicht nicht nur allgemein den Erlass von Beitragssatzungen beinhaltet, sondern diese im Grundsatz kostendeckend gestaltet werden müssen, begegnet im Licht des Art. 28 Abs. 2 GG keinen durchgreifenden Bedenken. Eine Refinanzierung von Investitionen durch Erhebung von Anschlussbeiträgen ist dem Grunde nach auf die Deckung des Investitionsaufwands ausgerichtet. Dies gefährdet nicht die kommunale Finanzhoheit, sondern sichert sie. Diese Verpflichtung korrespondiert mit der gesetzlichen Verpflichtung von Gemeinden, einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar ist, weil sie den Gestaltungsspielraum des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung in der Zukunft sichert (vgl. nur 10 C 1.18 - NVwZ 2019, 1528 Rn. 13 m.w.N.). Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung im Sinne einer grundsätzlichen Kostendeckungspflicht entspricht dem Sinn und Zweck der - verfassungsrechtlich zulässigen - Beitragserhebungspflicht, die auf diese Weise effektiv ausgestaltet wird, und beugt der Gefahr vor, dass durch erheblich zu niedrig angesetzte Beitragssätze diese Pflicht im Ergebnis unterlaufen wird. Sie ist aus diesem Grund bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14Das Oberverwaltungsgericht hat zudem den praktischen Schwierigkeiten bei der Gestaltung einer rechtssicheren Beitragssatzung und den Unwägbarkeiten einer Beitragskalkulation dadurch Rechnung getragen, dass es eine immanente Beschränkung der Pflicht zur Erhebung kostendeckender Beiträge auf eine Deckungsquote von mindestens 80 % angenommen hat. Damit ist es der Gefahr entgegengetreten, den Erlass von wirksamen Beitragssatzungen durch überhöhte Anforderungen in unzumutbarer Weise zu erschweren und dadurch die Grundlage für eine verlässliche kommunalpolitische Finanzplanung in Frage zu stellen. Dass die Verpflichtung zur Erreichung einer Kostendeckungsquote von mindestens 80 % hierfür nicht ausreichen und die Finanzhoheit der Gemeinden in unverhältnismäßiger Weise beschränken und in den Kernbereich der Selbstverwaltung eingreifen würde, lässt sich den Darlegungen der Beschwerde nicht entnehmen. Auch zu den vom Oberverwaltungsgericht hier konkret festgestellten Kostendeckungsquoten von lediglich 69 % bzw. 48 % verhält sich die Beschwerde nicht.

15bb) Soweit die Antragsgegnerin einen Eingriff in die kommunale Finanzhoheit durch zu enge inhaltliche Vorgaben zur Beitragskalkulation für möglich hält und auf die Beeinträchtigung ihres Rechts verweist, zur Refinanzierung von Investitionsausgaben auch auf Gebühren zurückzugreifen und entsprechende betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, bezeichnet sie auch insoweit keine klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Fragen des Bundesrechts.

16Die Bestimmung der im Rahmen von Beitrags- und Gebührenkalkulationen berücksichtigungsfähigen Kosten bzw. Aufwendungen zur Herstellung einer öffentlichen Einrichtung richtet sich maßgebend nach dem jeweiligen landesrechtlichen - und damit irrevisiblen - Kosten- bzw. Aufwandsbegriff (vgl. 8 B 185.97 - juris Rn. 5).

17Die Frage eines (unverhältnismäßigen) Eingriffs in die finanzpolitische Entscheidung zur Finanzierung von Investitionsaufwand auch über Gebühren ist für den vorliegenden Streitfall im Übrigen nicht entscheidungserheblich, weil die streitgegenständliche Beitragssatzung nach den insoweit bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Aufwandsdeckung nur über Beiträge vorsieht und der danach errechnete Beitragshöchstsatz lediglich vorsorglich um 15 % herabgesetzt worden ist. Insoweit steht eine anderweitige Finanzierungsentscheidung nicht im Raum.

18Im Übrigen unterstellt die Beschwerde zu Unrecht, dass das Landesrecht eine betriebswirtschaftliche Entscheidung zur Refinanzierung von Investitionsausgaben sowohl über Beiträge als auch über Gebühren ermöglicht, die durch das Gericht korrigiert worden sei. Denn nach der - auch insoweit bindenden - Auslegung des Oberverwaltungsgerichts können im Rahmen der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA bestehenden Beitragserhebungspflicht Aufwendungen für die Herstellung einer Einrichtung originär nur über die Erhebung von Beiträgen und nicht (auch) über Benutzungsgebühren erhoben werden (UA S. 25, vgl. zur entsprechenden Intention des Gesetzes auch Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 2110, Stand September 2019).

19c) Schließlich rechtfertigen auch die Fragen

"Darf bei der antragsgebundenen Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO über die Gültigkeit einer Rechtsnorm auch dann entschieden werden bzw. die Unwirksamkeit der Rechtsnorm auch dann gerichtlich festgestellt werden, wenn dies dem eigentlichen Antragsbegehren, also dem materiellen Rechtsschutzziel der Antragsteller, widerspricht? "

und

"Stellt das materielle Rechtsschutzziel der Antragsteller im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO eine Grenze für die Reichweite der Normverwerfungsmöglichkeit des Gerichts dar?"

nicht die Zulassung der Revision.

20Hierzu führt die Antragsgegnerin aus, das Oberverwaltungsgericht habe zwar formal dem Normenkontrollantrag der Antragsteller stattgegeben, die Entscheidung laufe jedoch dem eigentlichen Rechtsschutzziel, nämlich keine oder niedrigere Beiträge zahlen zu müssen, zuwider. Das Oberverwaltungsgericht habe das wirkliche Rechtsschutzziel nicht nur "aus den Augen verloren", sondern sich vielmehr bewusst darüber hinweggesetzt. Das materielle Rechtsschutzinteresse müsse jedoch die maßgebliche Schranke für die gerichtliche Tätigkeit bilden, da ansonsten der Zweck des gerichtlichen Verfahrens zur Gewährung von Rechtsschutz ad absurdum geführt werde und das Normenkontrollverfahren nicht mehr der Gewährung von Rechtsschutz, sondern - mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar - einen vom Antrag losgelösten Selbstzweck diene.

21Die damit von der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgewährung aufgeworfene Frage, ob eine Beitragssatzung ausschließlich wegen der Festsetzung eines zu niedrigen Beitragssatzes für unwirksam erklärt werden darf, zielt zum einen auf die - materielle - Frage, ob die Verfehlung einer hinreichenden Kostendeckung zur (Gesamt-)Nichtigkeit der Satzung führt (aa), zum anderen auf die prozessuale Folge einer etwaigen Nichtigkeit (bb). Beide Aspekte führen nicht zur Zulassung der Revision.

22aa) Die Problematik der Folgen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Erhebung von (kostendeckenden) Beiträgen für die Wirksamkeit der Satzung betrifft wiederum die Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften des Kommunalabgabenrechts. Das Oberverwaltungsgericht hat hier die dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entnommene Pflicht zur Erhebung von grundsätzlich kostendeckenden Beiträgen bei einer tolerierbaren Unterdeckung von bis zu 20 % dahingehend ausgelegt, dass ein Verstoß einen schwerwiegenden Fehler darstellt, der zur Nichtigkeit der Beitragssatzfestsetzung und damit (weitgehend) zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt. Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber mit dem Schutzzweck des Kostendeckungsgebots argumentiert, stellt sie dem lediglich ihre eigene Sichtweise gegenüber, wie sie etwa zuvor in der von ihr angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Magdeburg vertreten worden ist (Urteil vom - 9 A 253/14 - juris Rn. 74 ff.). Dieser Auslegung, die zwischen einem beitragsrechtlichen und einem haushaltsrechtlichen Regelungsgehalt des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA differenziert, hat das Oberverwaltungsgericht jedoch eine ausdrückliche Absage erteilt (UA S. 30; kritisch dazu Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 2215, Stand September 2019). Entscheidungen anderer Gerichte, in denen die Nichtigkeit einer Satzung wegen zu niedrig festgesetzter Beiträge abgelehnt worden ist (so etwa - OVGE 39, 126 <131 f.>, vom - 2 A 500/88 - NVwZ-RR 1991, 664 <665> m.w.N. und vom - 2 A 2024/89 - NVwZ-RR 1993, 48 <49>, zustimmend Grünewald, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 608, Stand März 2011; - juris Rn. 53 und vom - 1 K 839/14 - juris Rn. 51; anders für das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern aber Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 1617, Stand März 2014), ergingen in Auslegung und Anwendung der dort jeweils maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften. Sie belegen, dass Inhalt und Bedeutung kommunaler Beitragserhebungspflichten und der "Schutzzweck" des Kostendeckungsprinzips unterschiedlich interpretiert werden können. Die dabei aufgeworfenen Fragen sind jedoch kommunalabgabenrechtlicher und damit landesrechtlicher Natur. Dass sich darüber hinaus grundsätzliche Fragen des höherrangigen Rechts ergeben könnten, legt die Beschwerde nicht dar.

23bb) Die Frage, ob das Normenkontrollgericht trotz eines zur Nichtigkeit der Satzung führenden Fehlers im Hinblick auf den Schutzzweck der verletzten Norm oder das "eigentliche" Rechtsschutzziel des Antragstellers daran gehindert ist, diese Rechtsfolge auszusprechen, betrifft zwar die Auslegung revisiblen Prozessrechts (§ 47 VwGO) und die Reichweite der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Sie ist bezogen auf den hier streitigen Bereich kommunalabgabenrechtlicher Satzungen bislang auch noch nicht höchstrichterlich entschieden. Sie lässt sich jedoch ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu § 47 VwGO dahingehend beantworten, dass der Ausspruch der Unwirksamkeit der als nichtig erkannten Satzung bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist, sondern vielmehr der in § 47 VwGO vorgesehenen Entscheidung entspricht.

24In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass das Verfahren der Normenkontrolle nach § 47 VwGO nicht nur dem subjektiven Rechtsschutz, sondern zugleich der objektiven Rechtskontrolle dient. Bei der Prüfung der Satzung ist das Normenkontrollgericht daher nicht auf die Überprüfung der vom Antragsteller geltend gemachten Mängel beschränkt, sondern kann die Satzung auch aus Gründen für nichtig erklären, welche die privaten Belange des Antragstellers nicht berühren oder nicht von ihm als Satzungsmangel geltend gemacht worden sind. Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers, das hier aufgrund der Belastung mit einer Beitragspflicht ohne Weiteres zu bejahen ist, ist zwar nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags. Bei Vorliegen eines zulässigen Antrags ist das Normenkontrollgericht jedoch nicht aus Rechtsgründen darauf beschränkt, die Norm nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die vom Antragsteller geltend gemachten subjektiven Rechte verletzt; eine dem § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vergleichbare Regelung, existiert für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nicht (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom - 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225 <232 ff.>, vom - 4 BN 26.06 - Buchholz 406.11 § 1a BauGB Nr. 6 Rn. 8 und vom - 4 BN 1.14 - BRS 82 Nr. 57 Rn. 12). Diese Grundsätze, die zu Bebauungs- und Regionalplänen entwickelt worden sind, gelten in gleicher Weise für die Überprüfung kommunaler (Abgaben-)Satzungen, da sie nicht an Besonderheiten der Raum- und Bauleitplanung, sondern an die prozessuale Funktion einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO anknüpfen.

25Die im Entscheidungstenor ausgesprochene Feststellung der Unwirksamkeit einer nach der Überzeugung des Gerichts ungültigen Satzung entspricht der in § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO vorgesehenen Rechtsfolge. Für ein Absehen von einer solchen Entscheidung besteht grundsätzlich kein Raum, und zwar weder aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität noch wegen privater Interessen (vgl. 10 C 3.04 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 43 S. 8).

26Die Nichtigkeitsfeststellung wegen zu geringer Beitragssätze steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Dem Antragsteller bleiben die gesetzlichen Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen die (drohende) Heranziehung zu Beiträgen in vollem Umfang erhalten. Im Übrigen mag es im Einzelfall schwierig sein, das "eigentliche" Rechtsschutzziel eines Antragstellers in einem Normenkontrollverfahren gegen eine Abgabensatzung jenseits des gestellten Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzung im Einzelfall festzustellen. So kann auch die Aufhebung einer Satzung wegen eines zu niedrigen Beitrags- oder Gebührensatzes durchaus im Interesse eines Antragstellers liegen, wenn ihm daran gelegen ist, jedenfalls zunächst von einer Heranziehung zu Abgaben verschont zu bleiben, zumal der Erlass einer wirksamen Folgesatzung nicht immer gesichert sein muss (vgl. etwa - juris Rn. 52, wonach sich der dortige Kläger u.a. auf einen Verstoß gegen das Kostendeckungsgebot berufen hatte).

272. Die Revision ist nicht wegen einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der Hinweis auf eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze genügt dagegen nicht (stRspr, vgl. etwa 9 B 40.18 - juris Rn. 12). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.

28a) Die Divergenzrüge lässt sich nicht mit einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts begründen. Die Antragsgegnerin entnimmt dessen Beschlüssen vom - 2 BvR 2044/07 - (BVerfGE 122, 248 <277 f.>) und vom - 1 BvR 2530/05, 1 BvL 11,12,13/06 - (BVerfGE 126, 369 <394 f.>) die abstrakten Rechtssätze, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes bei Änderung einer ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung erfordere, dass sie hinreichend begründet werde und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte; einen durch gefestigte Rechtsprechung begründeten Vertrauenstatbestand sei erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung zu tragen. Von diesen Rechtssätzen sei das Oberverwaltungsgericht abgewichen, indem es durch "beredtes Schweigen" den Rechtssatz aufgestellt habe, dass eine Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beitragssatzes allein darauf ankomme, dass der festgelegte Beitragssatz im Ergebnis nicht dem Aufwandsüberschreitungsverbot widerspreche, eine Unterschreitung des höchstzulässigen Beitragssatzes hingegen außer Betracht bleibe, voraussetzungslos zulässig sei. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen.

29Das Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung den mit der Beschwerde unterstellten Rechtssatz, wonach eine Änderung der beschriebenen obergerichtlichen Rechtsprechung "voraussetzungslos zulässig" sei, weder ausdrücklich noch stillschweigend aufgestellt. Es hat vielmehr zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer Rechtsprechungsänderung auf den 9 B 13.15 - (Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 220) verwiesen, in dem seinerseits der oben genannte zitiert wird. Der Sache nach beanstandet die Beschwerde, dass die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssätze und die beschriebenen Anforderungen an eine Rechtsprechungsänderung im konkreten Fall nicht zutreffend angewandt worden seien. Darauf lässt sich die Divergenzrüge nicht stützen.

30b) Es liegt auch keine zur Zulassung der Revision führende Abweichung von dem 9 CN 1.01 - (BVerwGE 116, 188) vor. Die Antragsgegnerin bewertet die amtlichen Leitsätze Nr. 2 und 3 dieser Entscheidung, wonach eine "ungefragte" gerichtliche Fehlersuche im Zweifel dann nicht sachgerecht sei, wenn sie das Rechtsschutzbegehren des Klägers aus den Augen verliere, und es in der Regel nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle entspreche, die Abgabenkalkulation eines kommunalen Satzungsgebers "ungefragt" einer Detailprüfung zu unterziehen, als abstrakte Rechtssätze, denen das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz gegenübergestellt habe, dass das Gericht ungefragt und ungeachtet des Rechtsschutzzieles des Klägers/Antragstellers die wichtigsten Eckpunkte einer Abgabenkalkulation prüfe, sich aufdrängenden Mängeln nachgehe und die Plausibilität der Berechnung des konkreten Abgabensatzes überprüfe.

31Diese Rüge verfängt schon deshalb nicht, weil die in der Bezugsentscheidung genannten Leitsätze lediglich die in den Entscheidungsgründen näher ausgeführte "Mahnung" zur Vermeidung einer ungefragten Fehlersuche wiedergeben, diese Mahnung aber keinen Rechtssatz darstellt, sondern eine Maxime richterlichen Handelns umschreibt, die die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht infrage stellt (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 BN 26.06 - Buchholz 406.11 § 1a BauGB Nr. 6 Rn. 7, vom - 4 BN 20.12 - BauR 2013, 66 Rn. 16 und vom - 4 B 20.18 - juris Rn. 10).

323. Die Verfahrensrügen der Antragsgegnerin nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO greifen ebenfalls nicht durch.

33a) Das angefochtene Urteil verletzt nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) oder die gerichtliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO).

34Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt insbesondere auf die Vermeidung einer Überraschungsentscheidung, durch die dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben wird, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war (BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 32.16 - juris Rn. 6 und vom - 9 B 11.17 - juris Rn. 12, jeweils m.w.N.). Die Verpflichtung des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Mit diesem Äußerungsrecht korrespondiert zwar keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. - BVerfGE 86, 133 <144 f.> und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13; 2 B 6.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 58 Rn. 28).

35Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Einschätzung der Antragsgegnerin zutreffend, dass das Oberverwaltungsgericht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gehalten war, seine Auffassung zu den Folgen eines zu niedrig festgesetzten Beitragssatzes für die Gültigkeit der angefochtenen Satzung gegenüber den Beteiligten anzusprechen (aa). Dies ist allerdings in (noch) ausreichender Weise geschehen (bb), weshalb ein Verfahrensfehler nicht vorliegt.

36aa) Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, eine Nichtigkeit der angegriffenen Satzung aus einer Unterschreitung des Kostendeckungsgebots abzuleiten, bedurfte einer entsprechenden vorherigen Thematisierung durch das Gericht, um eine unzulässige Überraschungsentscheidung zu vermeiden.

37Der Gesichtspunkt der Kostenunterschreitung spielte in den Erörterungen der Beteiligten als möglicher Nichtigkeitsgrund keine Rolle. Er war auch nicht Gegenstand vorangegangener obergerichtlicher Entscheidungen. Nach der damals bekannten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts begründeten Fehler bei der Ermittlung des umlagefähigen Aufwands nur dann die Nichtigkeit des Beitragssatzes, wenn sie zu einer Überschreitung des höchstzulässigen Beitragssatzes führten (OVG Magdeburg, Urteil vom - 1 K 14/00 - NVwZ-RR 2001, 471 <472, 475>), für die Gültigkeit des in einer Beitragssatzung festgesetzten Beitragssatzes kam es allein darauf an, ob er sich im Ergebnis als "richtig" im Sinne von "nicht überhöht" nach Maßgabe des Aufwandsüberschreitungsverbots erwies (vgl. etwa OVG Magdeburg, Urteile vom - 4 L 341/08 - juris Rn. 26 m.w.N. und vom - 4 L 233/09 - juris Rn. 62). Diese Aussagen sind allerdings - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht zwingend so zu verstehen, dass damit zugleich die Nichtigkeit einer Satzung aufgrund zu niedriger Beiträge ausgeschlossen werden sollte. In den Entscheidungen ging es nicht um die Abgrenzung zwischen "zu hohen" und "zu niedrigen" Beiträgen, sondern um die sog. "Ergebnisrechtsprechung", wonach es nicht auf Fehler bei der Aufwandsermittlung als solche, sondern auf die Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses ankam. Etwaige Auswirkungen einer Kostenunterschreitung auf die Wirksamkeit einer Beitragssatzung wurden in den zitierten Entscheidungen nicht thematisiert. Es entsprach allerdings der erstinstanzlichen Rechtsprechung wie auch der damaligen Kommentarliteratur zu § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beitragssätze, die gemessen an dem Kostendeckungsgebot zu niedrig waren, nicht zur Nichtigkeit der Satzung führten (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom - 9 A 253/14 - juris Rn. 75 f.; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 2215, Stand September 2018). Darauf hat die Antragsgegnerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens auch ausdrücklich aufmerksam gemacht (Schriftsatz vom S. 20, Bl. 233 d.A.), ohne dass die Antragsteller diese Auffassung in Zweifel gezogen hätten. Vor diesem Hintergrund mussten die Beteiligten auch bei gewissenhafter Vorbereitung nicht damit rechnen, dass der Aspekt der Kostenunterschreitung für den Ausgang der Normenkontrolle erstmals von Bedeutung sein könnte, und hatten keine Veranlassung, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen und sich dazu zu äußern. Das Oberverwaltungsgericht war deshalb verpflichtet, diesen Gesichtspunkt gegenüber den Beteiligten ausdrücklich anzusprechen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn es sich entscheidungstragend darauf stützen wollte.

38bb) Das Gericht ist seiner Informationspflicht nachgekommen. Es hat zwar weder im vorbereitenden Verfahren einen entsprechenden schriftlichen Hinweis erteilt, noch findet sich ein solcher im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom . In dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom , mit dem der Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision nicht abgeholfen wurde, wird jedoch Folgendes ausgeführt:

"Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Vortrag der Antragsgegnerin, in der mündlichen Verhandlung habe der Senat 'zu keinem Zeitpunkt' angedeutet, dass er 'abweichend von bisherigen Entscheidungen diese Deckungsquoten mit (neuen) Rechtsfolgen bzgl. der Wirksamkeit der BS 2015 bedenken wollte', unrichtig ist. Vielmehr hat die Vorsitzende am Ende der Erörterung des Sach- und Streitstandes die Verfahrensbeteiligten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die streitbefangene Beitragssatzung nichtig sein könnte, wenn der festgesetzte Beitragssatz den höchstzulässigen Beitragssatz in einem zu hohen Maße unterschreitet. Die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin nahm diesen Hinweis zur Kenntnis, ohne dazu weiteren Erörterungsbedarf anzumelden oder einen Vertagungsantrag zu stellen. Die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller gab zu erkennen, dass sie die Tragweite dieses Hinweises im Hinblick auf eine mögliche spätere Erhöhung der Beitragssätze durchaus realisiere, aber keinen Grund sehe, an dem Normenkontrollantrag nicht festzuhalten."

39Der Senat legt seiner Entscheidung zugrunde, dass die Erörterung der Thematik in der im Nichtabhilfebeschluss beschriebenen Weise erfolgt ist (1). Dies genügte zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten und Erfüllung der gerichtlichen Hinweispflicht (2).

40(1) Der Senat hat keine Veranlassung, den Nichtabhilfebeschluss inhaltlich in Zweifel zu ziehen. Der Beschluss wurde von den Berufsrichtern gefasst, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, der geschilderte Geschehensablauf wird von der Antragsgegnerin nicht substantiiert in Frage gestellt. Sie bestreitet nicht den Inhalt der Äußerungen der Vorsitzenden, sondern beruft sich auf deren fehlende Protokollierung. Im Übrigen hält sie den Hinweis für unzureichend und beanstandet, dass auf die beabsichtigte Änderung der bisherigen Rechtsprechung nicht ausdrücklich hingewiesen worden sei. In ähnlicher Weise hat sich auch die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller geäußert.

41Der Berücksichtigung des Nichtabhilfebeschlusses steht nicht entgegen, dass der darin geschilderte Ablauf nicht im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehalten ist. Die Beweiskraft des Protokolls nach § 105 VwGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO für die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten bezieht sich auf den äußeren Hergang der Verhandlung und nicht auf deren Inhalt (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 165 Rn. 2 m.w.N.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 165 Rn. 2: enge Auslegung). In diesem Sinne ist auch der Begriff der wesentlichen Vorgänge nach § 160 Abs. 2 ZPO zu verstehen (vgl. 9 B 43.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 16 Rn. 59). Zu den Förmlichkeiten, die nur durch das Protokoll bewiesen werden können, gehört daher zwar der Umstand, dass die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten nach § 104 Abs. 1 VwGO erörtert worden ist - was hier im Protokoll vom festgehalten worden ist -, nicht jedoch der Inhalt dieser Erörterung (vgl. etwa 9 C 67.83 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 25 S. 13 f. und Beschluss vom - 6 B 88.98 - juris Rn. 4). Die Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beteiligten stellt keine "Förmlichkeit" gemäß § 165 ZPO dar (Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 105 Rn. 88). Ein Hinweis auf den Inhalt der Erörterung wäre im Hinblick auf die Bedeutung der Thematik zwar durchaus naheliegend und sinnvoll gewesen, war jedoch nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. auch 4 B 81.00 - juris Rn. 15).

42Nach § 139 Abs. 4 ZPO sind allerdings Hinweise des Gerichts zu entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens (§ 139 Abs. 1 bis 3 ZPO) aktenkundig zu machen und können nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Es kann hier dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Regelungen des § 139 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 173 VwGO entsprechend anwendbar sind (offen lassend für die Hinweispflichten nach § 139 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO etwa 9 B 26.16 - juris Rn. 3 m.w.N. und für die in § 139 Abs. 4 ZPO angeordnete Frühzeitigkeit des Hinweises 6 B 43.03 - Buchholz 451.45 § 101 HWO Nr. 2 S. 1). Denn jedenfalls kommt auch im Verwaltungsprozess die negative Beweiskraft des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht zum Tragen, wenn ein im Protokoll nicht festgehaltener richterlicher Hinweis auf andere Weise hinreichend aktenkundig geworden ist.

43Ein in der mündlichen Verhandlung erteilter Hinweis kann nachträglich noch aktenkundig gemacht werden, etwa durch die Anfertigung eines Aktenvermerks oder die Aufnahme des Hinweises in den Tatbestand oder die Entscheidungsgründe des Urteils (vgl. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 160 Rn. 6). Wird im Protokoll lediglich allgemein die Erörterung der Sach- und Rechtslage vermerkt, genügt es auch, wenn sich aus einem anschließenden Schriftsatz ergibt, dass und welcher Hinweis erteilt wurde (Fritsche, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 139 Rn. 54). Für die hier erfolgte Niederlegung des Geschehens in dem Beschluss über die Nichtabhilfe der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann nichts Anderes gelten. Mit diesem Beschluss, der als Teil des prozessordnungsgemäßen Verfahrens von den drei Berufsrichtern unterzeichnet worden ist, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, ist die Hinweiserteilung zum Bestandteil der dem Rechtsmittelgericht vorgelegten Akten gemacht worden. Dem Zweck der Dokumentationspflicht des § 139 Abs. 4 ZPO, das Rechtsmittelgericht von Beweiserhebungen zu entlasten (vgl. etwa Rensen, MDR 2006, 1201 <1203>), ist auch auf diese Weise Genüge getan.

44(2) Der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, dass die streitbefangene Beitragssatzung nichtig sein könnte, wenn der festgesetzte Beitragssatz den höchstzulässigen Beitragssatz in einem zu hohen Maße unterschreite, war ausreichend, um den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu wahren und eine Überraschungsentscheidung zu vermeiden.

45Der Hinweis war objektiv geeignet, die Beteiligten auf die für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Aspekte vorzubereiten. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bedurfte es darüber hinaus keines ausdrücklichen Hinweises auf eine "Rechtsprechungsänderung". Der Umstand, dass in der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nur auf eine Überschreitung des kostendeckenden Aufwands abgestellt worden war, begründete die Verpflichtung, die Beteiligten auf den veränderten Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Gültigkeit des Beitragssatzes hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zur Erörterung zu geben. Dabei kam es maßgeblich darauf an, den neuen Gesichtspunkt - Nichtigkeit aufgrund eines zu niedrigen Beitragssatzes - inhaltlich zu thematisieren und den Beteiligten zur Kenntnis zu bringen. Dass damit eine Veränderung der bisherigen Rechtsprechung einherging, war eine immanente Folge, die sich den Beteiligten von selbst erschließen musste und keiner gesonderten Erwähnung bedurfte. Dass sich die Beteiligten - wie ihr Vorbringen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vermuten lässt - der Bedeutung und Tragweite des Hinweises nicht wirklich bewusst geworden sind, ändert an der objektiven Geeignetheit des Hinweises nichts.

46Unschädlich ist, dass es im Anschluss an die Mitteilung der Vorsitzenden nicht zu einer Erörterung der Thematik mit den Beteiligten gekommen ist. Denn diese hatten jedenfalls die Gelegenheit zur Äußerung. Es stand ihnen offen, noch in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen oder aber eine Vertagung bzw. eine Schriftsatzfrist zu beantragen, um auf den neuen Aspekt angemessen reagieren zu können.

47Das Oberverwaltungsgericht war entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht gehalten, die Antragsteller darauf hinzuweisen, dass ihnen im Falle des Erfolgs der Normenkontrolle wegen zu niedriger Beitragssätze zukünftig ein höherer Beitrag drohen und deshalb die Rücknahme der Normenkontrollanträge aus prozesstaktischer Sicht zu erwägen sein könnte. Nach dem im Nichtabhilfebeschluss wiedergegebenen Eindruck der drei Berufsrichter hatte die Rechtsanwältin der Antragsteller die Tragweite des gerichtlichen Hinweises im Hinblick auf eine etwaige spätere Beitragserhöhung durchaus realisiert. Diese Folge musste sich ihr als rechtskundiger und mit der Materie des Abgabenrechts vertrauter Prozessvertreterin auch von selbst erschließen. Im Übrigen hatten die Antragsteller auch noch im Rechtsmittelverfahren in Kenntnis der vollständigen Urteilsgründe und nach Abwägung aller in Betracht kommenden Konsequenzen die Möglichkeit, ihren Normenkontrollantrag nach § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zur Rechtskraft des Urteils zurückzunehmen. Hiervon haben sie jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass sie weiterhin an einer Entscheidung in der Sache interessiert sind.

48Die Gründe, die zu der vom Oberverwaltungsgericht beanstandeten Kostenunterschreitung geführt haben, waren den Beteiligten ebenfalls bekannt und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit anlässlich der Prüfung der von den Antragstellern erhobenen Rügen zwei Fehler in der Beitragskalkulation ausgemacht: Zum einen habe die Antragsgegnerin bestimmte Abschreibungsbeträge bzw. erwirtschaftete Abschreibungserlöse zu Unrecht aufwandsmindernd berücksichtigt, zum anderen habe sie bei der Berechnung des besonderen Herstellungsbeitrags den Aufwand für bestimmte Anlagen zu Unrecht nur teilweise und nicht in voller Höhe berücksichtigt. Beide Gesichtspunkte sind nach den Ausführungen der Beschwerde in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden, wobei das Gericht auch auf die Deckungsquoten der beiden Herstellungsbeitragssätze und um wieviel Cent/m² der Beitrag hätte höher ausfallen können, zu sprechen gekommen sei.

49b) Soweit die Antragsgegnerin eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren geltend macht, rügt sie denselben Sachverhalt und auch insoweit insbesondere eine unzulässige Überraschungsentscheidung, die jedoch - wie ausgeführt - nicht vorliegt.

504. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:240220B9BN9.18.0

Fundstelle(n):
CAAAH-47328