BGH Beschluss v. - 1 StR 570/19

(Eigennützige Handlung bei Betäubungsmittelgeschäften: Entlohnung durch Übergabe von Eigenbedarfsmengen)

Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 355 Js 11730/19 - 17 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.250 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit welcher er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Zeuge E.        beim Angeklagten, der sich vom gesondert verfolgten P.           als dessen Ersatz in die Absatzkette einspannen ließ, in zwölf Fällen Heroin in einer Menge von zehn bis 15 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 1,5 Gramm bis 2,25 Gramm Heroinhydrochlorid, in den Fällen 1 und 4 zudem auch für einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Der Angeklagte bezog seinerseits das Heroin von einem nicht ermittelten Verkäufer; er lieferte es im Zeitraum vom bis zum an E.        bzw. in den Fällen 1 und 4 zudem an den anderen Abnehmer aus, wobei die Verkaufsmengen bei den beiden zuletzt genannten Taten jeweils aus demselben Erwerbsvorgang stammten. Der Angeklagte übergab die von den beiden Käufern erhaltenen Bargelder in Höhe von insgesamt 5.250 € seinem Lieferanten, um seine eigenen Kaufpreisschulden zu erfüllen. Der Vorteil des Angeklagten aus diesen Betäubungsmittelgeschäften bestand in einem Gramm Heroin pro Tag, das er von seinem Verkäufer zum Eigenkonsum erhielt.

II.

31. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehens als zwölf tatmehrheitlich begangene Fälle (§ 53 Abs. 1 StGB) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kommt in Betracht, dass zumindest manche oder gar alle Fälle zueinander in gleichartiger Tateinheit stehen (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt, obwohl sich Folgendes aufgedrängt hat:

4a) Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG sind nicht nur Tätigkeiten, die unmittelbar dem Beschaffen und Weitergeben von Betäubungsmitteln an einen Abnehmer dienen, sondern ebenfalls dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 20 mwN und vom - 3 StR 65/19 Rn. 9). Begibt sich ein Händler zu seinem Lieferanten, um beim Abholen der neuen, zuvor bestellten Lieferung den - gestundeten - Kaufpreis in bar für eine vorangegangene zu übergeben, betrifft dieser Einzelakt des Aufsuchens beide Umsatzgeschäfte, die sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehen; die Umsätze überschneiden sich daher. Diese Teilidentität in der Ausführung verbindet beide Betäubungsmittelgeschäfte zu gleichartiger Tateinheit (nicht etwa zu einer Bewertungseinheit; st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 23; vom - 3 StR 448/18 Rn. 9; vom - 3 StR 236/15 Rn. 9; vom - 3 StR 65/19 Rn. 9; vom - 4 StR 579/18 Rn. 3 und vom - 4 StR 526/18 Rn. 2). Übernimmt der Zwischenhändler innerhalb einer bestehenden Lieferbeziehung ohne teilidentische Ausführungshandlung (lediglich) aus Anlass der Bezahlung einer vorangegangenen Lieferung eine neue, ist - mit dem gleichen Konkurrenzergebnis - natürliche Handlungseinheit anzunehmen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 28-30; vom - 3 StR 88/17 Rn. 5; vom - 3 StR 448/18 Rn. 9 und vom - 1 StR 407/19 Rn. 4).

5b) Solche Bezahlvorgänge im Zusammenhang mit den neuen Lieferungen liegen hier insbesondere angesichts der dicht gedrängten, überwiegend an darauffolgenden Tagen ausgeführten Umsätze und dem Fehlen eigener Finanzmittel des Angeklagten nahe. Eine Durchentscheidung auf Tateinheit ist dem Senat indes verwehrt, weil zur Übergabe der Bargelder durch den Angeklagten an seinen Lieferanten keine näheren Feststellungen getroffen worden sind.

62. Die Feststellungen sind von der rechtsfehlerhaften konkurrenzrechtlichen Beurteilung nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und tragen einen Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge:

7a) Der Angeklagte war nicht lediglich als ʺLäuferʺ seines Lieferanten tätig. Denn er bestimmte nach Verhandlungen mit seinen beiden Abnehmern selbständig den Umfang der Verkaufsmenge; dies geht weit über eine bloße weisungsgebundene Transporttätigkeit hinaus, bezieht sich vielmehr auf das ganze Umsatzgeschäft und macht den Angeklagten zum Zwischenhändler (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 22/19 Rn. 5; vom - 4 StR 589/18 Rn. 4; vom - 4 StR 240/14 Rn. 4; vom - 5 StR 135/13 Rn. 5 und vom - 4 StR 272/12 Rn. 3).

8b) Der Angeklagte handelte eigennützig.

9aa) Eigennützig ist eine Tätigkeit, wenn das Tun des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird; eine Entlohnung in Geld ist daher für die Annahme von Eigennützigkeit nicht zwingend (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 384/19 Rn. 8 f.; vom - 4 StR 247/18 Rn. 4 und vom - 4 StR 42/16 Rn. 6; Urteil vom - 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126). Wer Rauschgift indes ohne irgendeinen Gewinn weiterverkauft, handelt nicht eigennützig ( Rn. 2, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 80), ebenso wenig derjenige, der aus der ohne Gewinnaufschlag weiter zu veräußernden Gesamtmenge einen Anteil zum Eigenkonsum erhalten will ( Rn. 5 f.). Die Vorteile müssen sich nach alledem aus dem Umsatzgeschäft ergeben, nicht aus einem anderen Umstand, namentlich dem Erwerb ( Rn. 6; Urteil vom - 2 StR 46/17 Rn. 10).

10bb) Der Angeklagte strich zwar - anders als sein Lieferant - weder einen Geldgewinn ein noch erhielt er einen sonstigen ihm verbleibenden Vorteil von seinen Abnehmern; indes veräußerte er die Betäubungsmittel weiter, um von seinem Verkäufer gesondert von den Liefermengen mit Heroin zum Eigenkonsum entlohnt zu werden (vgl. Rn. 10 und Beschluss vom - 5 StR 325/09 Rn. 3). Dieser geldwerte Vorteil bezieht sich mithin auf die Weiterveräußerung und ist aus diesem für den unbekannt gebliebenen Verkäufer gewinnträchtigen Absatz finanziert.

11c) Die Feststellungen sind indes um solche zu den Bezahlvorgängen zu ergänzen. Im Übrigen dürfen neue Feststellungen den bisherigen nicht widersprechen.

123. Auch auf die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) wirkt sich der Rechtsfehler bei den Konkurrenzen nicht aus. Da die Feststellungen in Rechtskraft erwachsen, steht fest, dass der Angeklagte die Verfügungsgewalt über die Kaufpreisgelder entweder ʺdurch eine rechtswidrige Tatʺ oder durch mehrere rechtswidrige Taten erlangte (vgl. Rn. 5; vgl. zur Aufrechterhaltung der Einziehung nach Durchentscheidung zum Schuldspruch: BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 231/18 Rn. 4; vom - 4 StR 579/18 Rn. 6; vom - 4 StR 526/18 Rn. 5 und vom - 2 StR 129/19). Eine Aufrechterhaltung der Einziehung wäre indes ausgeschlossen gewesen, wenn die zum Schuldspruch zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden wären ( Rn. 14; Urteil vom - 1 StR 424/18 Rn. 17).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:181219B1STR570.19.0

Fundstelle(n):
MAAAH-46451