NWB-BB Nr. 5 vom Seite 149

Corona-Krise: Erkenntnisse für Ihre „mittelfristige“ Beratung

Finanzierungsstrukturen auf dem Prüfstand

Dipl.-Volksw. Gabriele Romeike-Fänger *

In der aktuellen Corona-Krise sind in erster Linie Sofortmaßnahmen gefragt, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern. Die Bundesregierung bietet hierfür Unterstützung durch KfW-Programme an. Die aktuelle Krise zeigt aber auch, dass es mittelfristig vor allem darum gehen muss, die Finanzierungsstruktur der Unternehmen anzupassen. Hier sind Sie als Berater gefragt.

I. Bundesregierung setzt in der Corona-Krise auf KfW-Programme

Download-Tipp

Den aktuellen Stand zu den Förderprogrammen können Sie im Internet abrufen unter www.financialprojects.de/corona.

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Hilfen in Sachen „Corona“ analog der Finanzkrise aus 2007 und 2008 über die KfW zu leiten.

Dazu wurden die bestehenden Kreditprogramme der KfW angewendet und in KfW-Sonderprogramme gewandelt. Damit werden die Hilfsmaßnahmen an die Banken gekoppelt, die sich zur Beantragung im Rahmen des sog. Hausbankprinzips verpflichten sollen.

  • Die KfW-Sonderprogramme werden auf Unternehmen ausgedehnt, die über die bisherige Umsatzgrenze von 500 Mio. € hinaus bis zu 2 Mrd. € Umsatz (KfW-Unternehmerkredit) und 5 Mrd. € (KfW-Kredit für Wachstum) erwirtschaften. Es gilt jeweils der Gruppenumsatz.

  • Die KfW-Programme können bis zu 90 % und für KMUs in sehr begrenztem Rahmen zu 100 % von der Bankenhaftung freigestellt werden. Das Risiko für die beantragende Bank kann insofern auf 10, 20 bzw. 0 % der Kreditsumme reduziert werden.

In der Finanzkrise wurden die KfW-Sonderprogramme von Banken extensiv dazu genutzt, die Sicherheiten, die bisher der beantragenden Hausbank noch nicht zur Verfügung standen, beizuziehen, um die Haftungsfreistellung der KfW begründen zu können. Diejenigen Banken, die den KfW-Antrag stellten, verlangten in aller Regel, bestehende Kredite bei anderen Banken „einrollen“ zu können und wurden Sicherheitenpoolführer bzw. Konsortialführer mit allen Nachteilen hinsichtlich des weiteren, freien Zugangs zu Finanzmitteln.

Praxishinweis

Unsere Empfehlung ist: Ziehen Sie die bisher unbesicherten Kredite tief in die Inanspruchnahmen, gehen erst dann in die Verhandlung für die neue Beantragung von KfW-Krediten und wählen als durchleitende Bank für den KfW-Antrag eine Bank aus dem Kreis bisher nicht finanzierender Banken. Je nach bisheriger Finanzierungsstruktur sind die Gleichbehandlungsvereinbarungen nachzuverhandeln.

Wichtig: Wer die Debitoren-Forderungen seines Unternehmens noch zur freien Verfügung hat, sollte sich baldmöglichst umorientieren. Die Forderungen sollten spätestens jetzt an eine Factoring-Gesellschaft übertragen werden.

In diesem Zusammenhang: Auf Initiative der Warenkreditversicherungsbranche sollen die Limitvergaben ebenfalls durch Staatsgarantien gedeckt werden. Die Verhandlungen sind nicht abgeschlossen, weshalb Implikationen bei der Wahl einer Warenkreditversicherung zu beachten sind.

Download-Tipp

Die Checkliste „Factoring“, NWB JAAAE-87279, verdeutlicht, was Sie bei Factoring-Finanzierungen im Interesse Ihrer Mandanten prüfen sollten und was Sie Ihren Mandanten raten können bzw. wie Ihre Mandanten am besten vorgehen.

II. Schnellmaßnahmen für Unternehmen

Die jetzige Situation erfordert sehr konkrete Schnellmaßnahmen. Dazu gehören:

  • Sofortige Inanspruchnahme aller Kontokorrent-Linien.

  • Umleitung der Zahlungsströme auf eine Bank, die bisher keine Kredite zur Verfügung gestellt hat.

  • Stundungsvereinbarungen für ein bis zwei Quartale für alle Darlehensverträge.S. 150

  • Analyse der bestehenden Kredit- und Sicherheitenverträge im Hinblick auf Erweiterungspotenziale und/oder Kündigungsmöglichkeiten seitens der Bank.

  • Kurzarbeitergeld und Steuerstundung beantragen.

Praxishinweis

Der wesentliche Tipp, den wir geben können, ist, soviel Liquidität wie möglich separiert vorzuhalten.

III. Mittelfristig: Finanzierungsstrukturen anpassen

Mittelfristig gilt unausweichlich: Ohne Anpassung der Finanzierungsstruktur wird das Hochfahren der Unternehmen nach der Krise schwierig, auch weil die Banken ihre jeweiligen Risikoportfoliobetrachtungen inzwischen verschärfen.

1. Finanzierungsmarkt transparenter als früher

Die Unternehmensfinanzierung steht im Zuge der Bankenregulierung und der daraus resultierenden Absicherungserfordernisse für Banken auf der Tagesordnung von jedem Unternehmen. Hinzu kommen Absicherungstaktiken von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern aufgrund neuester BGH-Urteile. Die Sondersituation „Corona“ bringt alle bisherigen Strukturfehler offen zutage.

Gehen wir davon aus, dass das Geschäftsmodell von Banken im Firmenkundengeschäft nicht mehr den Bedürfnissen der Industrie entspricht. Mindestens ist die Finanzierung mit sog. Hausbanken mit Blick auf die zur Verfügung gestellte Liquidität ineffizient. Trotzdem ist der Finanzierungsmarkt seit der Finanzkrise aus 2008 durchlässiger und transparenter geworden. Dies können sich Unternehmen zunutze machen – auch wenn die Finanzierungsstrukturen komplizierter werden. Sobald die jetzt eingezogenen Haftungsfreistellungen der KfW auslaufen werden, muss eine von den Banken eher unabhängige Finanzierungsstruktur aktiv geschaltet worden sein.

Praxishinweis

Ausgeschlossen werden sollte daher, die Bankenfinanzierung zu 70 % bis 100 % unter die Deckung von KfW-Haftungsfreistellungen zu nehmen, wenn diese Liquidität nicht ohne Sicherheitenverstärkungen aus den Unternehmen zugunsten der Banken und der KfW zu haben sind. Die KfW-Sonderprogramme sind so anzuwenden, dass sie zusätzliche Liquidität ermöglichen und eben nicht bestehende Kredite zugunsten der Banken zusätzlich absichern.

2. Unternehmen werden bankenunabhängiger

Der Finanzierungsmarkt hat sich seit der Finanzkrise zugunsten der Unternehmen und weg von den Banken gedreht. Das wird sich im Zuge der „Corona“-Hilfsmaßnahmen nur vorübergehend ändern. Spätestens wenn die Haftungsfreistellungen der KfW auslaufen werden, greifen erneut die Vorteile, die sich nach der Finanzkrise bereits herausgebildet hatten.

Demnach ist heute das Unternehmen nicht mehr Nachfrager nach Kredit, sondern Anbieter von Assets. Ein Unternehmen kann bei den Finanzierungsinstituten seine Anfragen konsequent ausschreiben. Dies gilt übrigens auch für die Sicherheit „Haftungsfreistellung“. Dabei werden diejenigen Institute angefragt, die nach den Regularien der BaFin die höchste Liquidität zu den einzelnen Sicherheiten (üblicherweise Assets) auskehren dürfen. Das sind die über hervorragende IT-Standards verfügenden Finanzdienstleistungsinstitute und für Immobilienfinanzierungen neben Banken vor allem die Versicherungen und Pensionskassen. Alle Finanzierungspartner unterscheiden sich heute deutlicher voneinander, sind spezialisierter. Alle Finanzierungsstrukturen der Unternehmen werden dadurch einerseits komplexer, gleichzeitig damit aber auch stabiler. Diese Vorteile müssen und sollten im Zuge der aktuell bereitgehaltenen KfW-Kredite mit erheblichen Haftungsfreistellungen zugunsten der Banken nicht aufgegeben werden.

Nach erneuten regulatorischen Eingriffen der BaFin ab 2019 zur Vorbereitung auf Basel IV steht die Finanzierung mithilfe der Banken sowieso vor weiteren Einschränkungen. Da werden die Haftungsfreistellungen der KfW eher zum Nachteil der Unternehmen führen, weil Flexibilität und die Wahrscheinlichkeit, dauerhaft durchfinanziert bleiben zu können, eher abnehmen wird. Zudem müssen sich auch die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vor Insolvenzanfechtungsrisiken gegenüber ihren Mandanten absichern, weil höchstrichterliche Urteile vor dem BGH neue Haftungsrisiken aufgezeigt haben. Die im Zuge der Corona-Krise verlängerten Insolvenzantragsfristen dürften nur die Bugwelle strecken, nicht aber dauerhaft zum Erhalt der Unternehmen führen.

Wird das Unternehmen von Banken, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern sogar als Restrukturierungsfall eingestuft und werden Insolvenzanfechtungsgründe gesehen, ist zur Abwendung der Maßnahmen, die die Bankenregulatorik und das Insolvenzrecht erfordern, der Neuaufbau der Finanzierungsstruktur unabwendbar. Aktuell sind Banken auch nicht berechtigt, für solche Unternehmen (in der „Krise“ gem. EU-Norm) einen Antrag aus den KfW-Sonderprogrammen zu stellen.

Sind Fortführungsgutachten gefordert, ist zu prüfen, ob die Erstellung des Gutachtens abgelehnt werden kann, damit die Unternehmenskrise nicht auch noch begutachtet festgeschrieben werden muss.

Literatur-Tipp

Romeike-Fänger, Beratungsbeispiele zur Einführung moderner Finanzierungsstrukturen – Anregungen für einen neuen Beratungsansatz, NWB-BB 10/2019 S. 304, NWB PAAAH-30502

Da Gesetzgeber und Rechtsprechung inzwischen maßgeblich mitbestimmen, ob und wann ein Unternehmen als sanierungsbedürftig gilt, muss der Unternehmer seine Rechte am Unternehmen konsequent behaupten.

Neben betriebswirtschaftlichen Optimierungsanforderungen sind es inzwischen i. d. R. die Finanzierungsstrukturen der Unternehmen, die u. a. zum Auslöser von Restrukturierungsmaßnahmen werden, weil die Durchfinanzierung des Unternehmens gefährdet sein könnte und daher Anforderungen der S. 151Banken, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als nicht erfüllt gelten könnten.

3. So sollten Sie als Berater vorgehen

Schritt 1: Bankenverträge prüfen

Zunächst sind die bisher bestehenden Bankenverträge auf Durchlässigkeit zu überprüfen, vor allem wenn das Unternehmen in der seit 2008 veränderten Finanzierungswelt noch nicht angekommen ist. Bedauerlicherweise ist ein Großteil des deutschen Mittelstandes noch nach dem Hausbanken-Muster finanziert und damit nicht modern aufgestellt.

Schritt 2: Finanzierungsalternativen prüfen

Wenn die teils komplexen und intransparenten Sicherheitenvertragsstrukturen der Finanzierung des Unternehmens erfasst worden sind, sollte der Transformationsweg aufgezeigt und mit dem Unternehmen abgestimmt werden.

Praxis- und Download-Tipp

Wichtig ist, dass „unterwegs“ keine Liquidität verloren geht.

Bei der Überprüfung der Finanzierungsalternativen sind die Checklisten „Alternative Finanzierungsformen“, NWB CAAAE-68553, hilfreich.

Schritt 3: Neufinanzierungen ausschreiben

Jede Neufinanzierung, z. B. für Equipment, Immobilien oder für Working Capital, wird mit marktgängigen Bedingungen bei den Instituten ausgeschrieben. Dazu werden die Kreditanträge vorgefertigt und gleichlautend – je nach Assetklasse – an die Finanzdienstleistungsinstitute, Banken oder Versicherungen versendet.

Für den Fall einer notwendigen, „erzwungenen“ Umfinanzierung, weil z. B. eine Bank abgelöst werden möchte, ist das Prozedere identisch, lediglich die Konditionen für die Unternehmen sind schlechter. Unter dem Strich dürfte dieser Weg jedoch die Anteilsrechte am Unternehmen sichern und sicherstellen, dass die weitere Durchfinanzierung gewährleistet werden kann.

Fazit

Solange im Unternehmen keine ausreichende Erfahrung darin besteht, Kreditanträge zu schreiben, die realistisch und passend zu vorhandenen Verträgen aufgebaut sind, sollten sich die CFOs unterstützen lassen. Auch fehlt oft noch der Überblick darüber, welches Institut welche Anforderungen an das einzureichende Material stellt und strategisch oder regulatorisch bedingte Einschränkungen in der Finanzmittelvergabe vorgibt. Dies gilt insbesondere auch bei der Antragsstellung für Corona-Sonderprogramme der KfW und der Landesförderbanken.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass – ähnlich wie in der Versicherungsbranche – ein professioneller Makler/Berater konditionell und vertraglich Vorteile verhandeln kann und oft auch schneller ist. Auch kann i. d. R. auf Gespräche innerhalb der Regionalvertriebsstrukturen der Finanzierungsinstitute verzichtet werden. Bei der Umsetzung vieler einzelner Maßnahmen kommt es vor allem aber auf die Synchronisation der einzelnen Schritte an.

Autorin

Dipl.-Volksw. Gabriele Romeike-Fänger
ist Gründerin (2007) und Geschäftsführerin der Financial Projects®-Gruppe (u. a. mietfinanz.de) in Mülheim a. d. Ruhr, dem führenden Corporate Finance-Berater für den gehobenen Mittelstand und Absatzfinanzierungsspezialist für den internationalen Maschinen- und Anlagenbau.

Fundstelle(n):
NWB-BB 5/2020 Seite 149
NWB NAAAH-45256