BGH Urteil v. - KZR 57/19

Wettbewerbsbeschränkung durch Werbeblocker im Internet: Sachlich und örtlich relevanter Markt; Interessenabwägung bei der Beurteilung der unbilligen Behinderung anderer Unternehmen; Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Gesetze: § 18 Abs 1 GWB, § 19 Abs 1 GWB, § 19 Abs 2 S 1 GWB

Instanzenzug: Az: U 2225/15 Kart Urteilvorgehend LG München I Az: 37 O 11673/14 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin gehört zur P.      -Gruppe. Sie betreibt verschiedene Internetseiten, unter anderem p.    .de und s. .de. Außerdem vermarktet sie zahlreiche weitere Internetseiten wie si. .de und so.   .com. Die betreffenden Seiten können von den Internetnutzern kostenlos aufgerufen werden und sind nahezu ausschließlich durch audiovisuelle Werbung finanziert, die insbesondere in Form von Werbevideos, Spots und Animationen bei Aufruf der Seiten erscheint. Dabei richtet sich die Höhe der von der Klägerin erzielten Werbeerlöse nach der Reichweite des Mediums, für die es darauf ankommt, dass die Werbung im Browser des Nutzers geladen und auf der Bildschirmoberfläche wahrnehmbar gemacht wird.

2Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3 ist und der Beklagte zu 2 bis zum war, bietet Internetnutzern das unentgeltlich herunterladbare Programm "A.   P. " an, das in Verbindung mit Filterlisten ("Black Lists") gängige Internetbrowser um eine "Werbeblocker"-Funktion ergänzt. Deren Funktionsweise lässt sich wie folgt beschreiben: In einem Browserfenster werden Informationen und Werbung dem Nutzer als einheitliches Webseitenangebot dargestellt. Typischerweise werden die Informationsinhalte von Internetseiten von anderen Servern (Content-Servern) abgerufen als Werbeinhalte, die auf Ad-Servern gespeichert sind, die Internetadressen haben, die sie als solche erkennbar machen. "A.   P. " beeinflusst den Zugriff des Browsers auf die vom Nutzer aufgerufene Internetseite in der Weise, dass nur noch Dateien von den Content-Servern, nicht dagegen solche von den Ad-Servern abgerufen werden. Außerdem kann "A.   P. " Werbung, die von einem nicht als solchen erkennbaren Ad-Server oder von Content-Servern ausgespielt wird, nach dem Laden im Browser des Nutzers aufgrund bestimmter Charakteristika erkennen und erst zu diesem Zeitpunkt ausblenden ("element hiding").

3Für die Filterlisten stellt die Beklagte den Nutzern Voreinstellungen zur Verfügung. Standardmäßig ist eine allgemeine Schwarze Liste ("Easylist") und für Nutzer in Deutschland außerdem die "E.    G.   " voreingestellt, die sämtliche Werbung blockiert, die nicht durch Aufnahme in eine ebenfalls voreingestellte Weiße Liste zur Anzeige freigegeben ist. Die Beklagte bietet jedenfalls größeren Betreibern von Internetseiten wie der Klägerin die Aufnahme in diese Filterliste ("Whitelisting") nur gegen Zahlung eines Entgelts an, das regelmäßig 30% der Werbeerlöse beträgt, die der Seitenbetreiber mit der Anzeige der freigeschalteten Werbung erzielt. Die Beklagte verlangt für die Aufnahme in die Weiße Liste ferner, dass die Werbung von ihr formulierten Kriterien für "akzeptable Werbung" entspricht. Dafür wird vorausgesetzt, dass es sich um statische Werbung (keine Animationen, Töne) handelt, die insbesondere "nach Möglichkeit nur Text" und "keine Aufmerksamkeit erregenden Bilder" enthält. Mehr als 90% der "A.   P. "-Nutzer behalten die Voreinstellungen der Beklagten bei. Zur Umsetzung ihrer Kriterien für "akzeptable Werbung" schließt die Beklagte Vereinbarungen mit Internetseitenbetreibern oder Netzwerken ab, die in deren Auftrag die Vermarktung von Werbeflächen bündeln.

4Die Klägerin macht geltend, das Geschäftsmodell der Beklagten sei unlauter und kartellrechtswidrig; es stelle zudem einen Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und eine Verletzung von Urheberrechten dar.

5Die Klägerin begehrt, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, den Beklagten zu untersagen, mit dem Werbeblocker "A.   P. " Werbung auf ihren Internetseiten zu blockieren (Unterlassungsantrag zu 1 a), hilfsweise Werbung auf diesen Seiten nur nach den von ihr veröffentlichten, dem Antrag beigefügten Kriterien zuzulassen (Hilfsantrag zu 2 a) und/oder dafür ein Entgelt, insbesondere ein erlösabhängiges Entgelt zu fordern (Hilfsantrag zu 2 b) sowie mit Dritten in bestimmter Weise "Whitelisting"-Vereinbarungen zu treffen und sich darauf zu berufen (Hilfsantrag zu I 3). Ferner begehrt sie Auskunft sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für diese Handlungen.

6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München I, MMR 2015, 660), die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG München, WRP 2017, 1347). Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

7Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Hinblick auf die mit der Klage verfolgten urheberrechtlichen Ansprüche hat der ) zurückgewiesen.

Gründe

8I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche weder aus Lauterkeitsrecht noch aus Kartellrecht oder allgemeinem Deliktsrecht zu. Der Antrag zu 1 ziele auf ein Verbot des Werbeblockers, wenn die Beklagten nur mittels einer Filterliste Werbung freischalten könnten, und erfasse deshalb auch ein unentgeltliches "Whitelisting", bei dem es an einer geschäftlichen Handlung fehle. Dasselbe gelte für die mit dem Hilfsantrag zu I 2 a angegriffene Kombination des Vertriebs der Software mit einem "Whitelisting" nur gemäß den von der Klägerin aufgestellten Kriterien.

9Der Hilfsantrag zu I 2 a könne auch nicht auf Kartellrecht gestützt werden. Die Beklagte sei nicht Normadressatin des § 19 GWB, weil sie auf dem sachlich und örtlich relevanten Markt des Zugangs zu Internetnutzern in Deutschland über keine marktbeherrschende Stellung verfüge; allenfalls etwas über 20% aller deutschen Internetnutzer verwendeten "A.   P. ". Die mit den Betreibern von Internetseiten abgeschlossenen Vereinbarungen zur Freischaltung von Onlinewerbung nur gemäß den von der Beklagten aufgestellten Kriterien stellten keine horizontale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB oder Art. 101 AEUV dar. Vielmehr handele es sich um freigestellte Vertikalvereinbarungen gemäß § 2 Abs. 2 GWB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 VO (EU) Nr. 330/2010. Es liege auch kein Bündel koordinierter Vertikalvereinbarungen mit einem identischen Partner ("Sternvertrag") vor, das als horizontale Vereinbarung anzusehen sei. Im Streitfall sei weder ein Eigeninteresse der Internetseitenbetreiber an der Beschränkung auf bestimmte "akzeptable" Formen von Onlinewerbung noch eine Koordinierung unter ihnen oder ein Informationsaustausch über die Beklagte vor Abschluss der "Whitelisting"-Vereinbarungen ersichtlich. Die Klägerin habe ferner nicht dargetan, dass die gleichförmigen vertikalen Vereinbarungen eine horizontale Beschränkung bewirkten. Ansprüche nach § 21 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 GWB kämen ebenfalls nicht in Betracht.

10Der mit dem Hilfsantrag zu I 2 b verfolgte Anspruch (Untersagung des Vertriebs der Adblocker-Software, wenn "akzeptable" Onlinewerbung entsprechend den Kriterien der Beklagten gegen ein erlösabhängiges Entgelt zugelassen wird) stehe der Klägerin nicht zu. Zum Kartellrecht gelte nichts anderes als für den Hilfsantrag zu I 2 a. Eine gezielte Mitbewerberbehinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) liege nicht vor, weil die Beklagte nicht bezwecke, Anbieter von Internetinhalten wie die Klägerin zu verdrängen, sondern mit ihrem Angebot gerade an deren Leistungen anknüpfe. Es fehle auch an einer unmittelbaren Einwirkung der Beklagten auf die Dienstleistungen der Klägerin. Eine unlautere Werbebehinderung unter dem Aspekt eines unlauteren Boykottaufrufs scheide schon deshalb aus, weil als Verrufene sämtliche in der "Blacklist" aufgeführte Betreiber werbefinanzierter Internetseiten in Betracht kämen, so dass es an der Bestimmbarkeit der Verrufenen fehle. Für eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG mangele es jedenfalls am Ausnutzen einer wirtschaftlichen Machtposition zur Druckausübung. Unabhängig davon, inwiefern ein "virtuelles Hausrecht" über § 3 Abs. 1 UWG geschützt werden könne, sei im Streitfall weder ein ausdrückliches Verbot des Einsatzes von Werbeblockern ausgesprochen worden noch der Zugang zu den Internetseiten technisch oder vertraglich begrenzt worden.

11Ebenfalls unbegründet seien die Hilfsanträge zu I 3 a und b, mit denen sich die Klägerin gegen den Abschluss und den Vollzug von "Whitelisting"-Vereinbarungen mit Dritten wende.

12II. Diese Beurteilung steht auf die zulässige Revision in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Berufungsgericht die Revision wirksam auf die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des Streitfalls hätte beschränken können. Denn die Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthält - über die Einschränkung hinsichtlich des auf Urheberrecht gestützten Antrags 1 b hinaus - keine Beschränkung der Revisionszulassung, und eine solche folgt auch nicht aus den Entscheidungsgründen. Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Zulassung der Revision sei veranlasst, weil es hinsichtlich der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit von Werbeblockern um Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung gehe, sowie auch im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln zum Vorliegen einer aggressiven geschäftlichen Handlung im Sinne des § 4a UWG. Daraus ergibt sich indes lediglich die Begründung der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalls, jedoch keine Beschränkung der Zulassung des Rechtsmittels.

13III. Im Umfang der zugelassenen Revision kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat auf das kartellrechtliche Behinderungs- und Diskriminierungsverbot (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB) gestützte Ansprüche der Klägerin rechtsfehlerhaft mit der Erwägung verneint, die Beklagte sei nicht Normadressat.

141. Der Senat versteht das Klagebegehren dahin, dass durch die konkrete Bezugnahme auf die Software "A.   P. " gemäß der als Anlage A dem Antrag beigefügten CD eine Software beschrieben wird, die mit Hilfe von Filterlisten (Blacklists) werbliche Inhalte auf Internetseiten so blockiert, dass sie dem Nutzer nicht angezeigt werden, wobei die Beklagten durch "Whitelisting" Werbung freischalten können. Das Berufungsgericht hat demgemäß ohne Rechtsfehler angenommen, der von der Klägerin verfolgte Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Angebots der Software der Beklagten setze voraus, dass die Blockierung von Werbeinhalten der Vorbereitung eines zumindest teilweisen "Whitelistings" diene, wie es von der Beklagten praktiziert wird.

152. Wie der Senat bereits entschieden und ausführlich begründet hat, ist sachlich und örtlich relevanter Markt nicht der Markt des Zugangs zu Internetnutzern in Deutschland, sondern der von der Beklagten eröffnete Markt für die grundsätzlich entgeltliche Dienstleistung der Aufnahme in die Weiße Liste, durch die Betreiber von Internetseiten mittels "A.   P. " blockierte Werbung freischalten können (, WRP 2019, 1572 Rn. 23 bis 33 - Werbeblocker III). Für die Frage, ob die Beklagte auf diesem Markt beherrschend ist, kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit die Dienstleistung der Beklagten aus der Sicht der Betreiber werbefinanzierter Seiten durch andere Dienstleistungen substituierbar ist; unerheblich ist dagegen die Möglichkeit der Klägerin, eine Bezahlschranke einzurichten (BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 27 bis 29 - Werbeblocker III). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich indes nicht, dass Seitenbetreiber die Möglichkeit haben, die von der Beklagten bewirkte Zugangsblockade wirksam in anderer Weise als durch Aufnahme in die Weiße Liste zu umgehen.

16a) Zwar stellt das Berufungsgericht fest, dass die Klägerin teilweise in der Lage sei, Werbespots, die Videos vorgeschaltet sind, unter Umgehung des Werbeblockers der Beklagten auszuspielen, und dass es mehrere Anbieter gebe, die damit würben, mit der von ihnen - entgeltlich - angebotenen Software Werbeblocker zu umgehen. Über die Wirksamkeit dieser Umgehungssoftware sowie darüber, in welchem Umfang und zu welchen Kosten damit das "Whitelisting" ersetzt werden kann und ob hierdurch der Preissetzungsspielraum der Beklagten begrenzt wird, ist dem Berufungsurteil aber nichts zu entnehmen. Darüber gibt auch die von der Klägerin als Anlage K 68 vorgelegte Online-Publikation vom Oktober 2014 keinen ausreichenden Aufschluss.

17b) Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben Seitenbetreiber ferner die technische Möglichkeit, den Aufruf der Internetseiten durch Nutzer zu unterbinden, die den Werbeblocker der Beklagten verwenden, und so den Versuch zu unternehmen, diese Nutzer zu veranlassen, den Werbeblocker jedenfalls für den Besuch der betreffenden Seiten außer Funktion zu setzen. Auch insoweit fehlt es aber an Feststellungen, ob und in welchem Umfang das "Whitelisting" auf diese Weise tatsächlich substituierbar ist. Es liegt nicht fern, dass hiermit nur ein mehr oder weniger großer Teil der Nutzer zu einer vorübergehenden Abschaltung des Werbeblockers motiviert werden kann.

18c) Entsprechendes gilt für die nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht verweist, bestehende Möglichkeit, Nutzer zur Abschaltung des Werbeblockers dadurch zu veranlassen, dass Inhalte bei eingeschaltetem Werbeblocker lediglich in geminderter Qualität angeboten werden, z.B. Filme nur in deutlich kleinerem Format anstatt im Vollbildmodus.

19IV. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts können kartellrechtliche Ansprüche nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, es fehle jedenfalls an einem missbräuchlichen Verhalten der Beklagten.

201. Die Beurteilung, ob ein Normadressat des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ein anderes Unternehmen unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund anders behandelt als gleichartige Unternehmen, erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 36 - Werbeblocker III; Urteil vom - KZR 30/14, WuW 2016, 427 Rn. 48 - NetCologne; Urteil vom - KZR 87/13, NZKart 2015, 535 Rn. 59 - Porsche-Tuning, mwN).

21Bei dieser Interessenabwägung ist im Streitfall zwar zu berücksichtigen, dass das Geschäftsmodell der Beklagten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lauterkeitsrechtlich als solches nicht zu beanstanden ist (, BGHZ 218, 236 - Werbeblocker II). Bei der parallelen Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften und des Lauterkeitsrechts darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Kartellrecht dem Marktbeherrscher besondere Verhaltenspflichten auferlegt, die für das Marktverhalten anderer Unternehmen nicht gelten (BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 37 - Werbeblocker III).

222. Für die erforderliche umfassende Interessenabwägung, bei der gegebenenfalls auch wirtschaftlich sinnvolle Abwehrmaßnahmen der Klägerin zu berücksichtigen sein können, fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts.

23a) In die Interessenabwägung ist auf Seiten der Betreiber werbefinanzierter Internetseiten wie der Klägerin das Interesse an einer ungestörten Verbreitung der Werbung einzustellen, über die sie den Nutzern kostenlos bereitgestellte Seiteninhalte finanzieren. Das Geschäftsmodell der Beklagten, das diese Werbung grundsätzlich blockiert und nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur gegen ein erhebliches Entgelt ganz oder teilweise von der Blockade ausnimmt, beeinträchtigt damit die Seitenbetreiber in durch die Grundrechte der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) geschützten Rechtspositionen (vgl. BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 39 - Werbeblocker III).

24b) Auf Seiten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass ihre Tätigkeit ebenfalls durch die Berufsfreiheit geschützt ist und sie ein marktgängiges Dienstleistungsangebot entwickelt hat, das, wie die Verbreitung ihres Werbeblockers zeigt, den Bedürfnissen eines nicht unerheblichen Teils der Internetnutzer entspricht und daher als Teil des Wettbewerbsprozesses bei Dienstleistungen der Online-Werbung angesehen werden kann (vgl. BGHZ 218, 236 Rn. 26 - Werbeblocker III).

25Zwar erscheint es nicht ohne weiteres schutzwürdig, dass die Nutzer des Werbeblockers der Beklagten Internetangebote unentgeltlich nutzen möchten, ohne bereit zu sein, die Anzeige der zu deren Refinanzierung von den Betreibern mit diesen Seiten verbundenen Werbung zu dulden. Zu berücksichtigen ist aber gleichwohl, dass die Nutzer rechtlich grundsätzlich nicht gehindert sind, die Anzeige von Werbung, insbesondere von besonders aufdringlicher Werbung, zu unterdrücken. Es kann daher auch der Beklagten nicht grundsätzlich versagt sein, die Nutzer hierbei durch die Bereitstellung eines Werbeblockers technisch zu unterstützen (BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 41 - Werbeblocker III).

26Daraus ergibt sich jedoch, dass das Interesse der Beklagten, durch Blockade und Freischaltung die Werbung der Seitenbetreiber zu steuern und an deren Werbeerlösen zu partizipieren, nicht als solches schutzwürdig ist, sondern nur insoweit berücksichtigt werden darf, als es legitimen Interessen derjenigen Internetnutzer dient, die den Werbeblocker der Beklagten installiert haben, oder dazu, die Entwicklung und Pflege des Werbeblockers zu finanzieren sowie damit einen angemessenen und risikoadäquaten Gewinn zu erzielen. Insbesondere kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass es keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt, wenn die Bereitstellung des Werbeblockers durch eine den Seitenbetreibern - in beliebiger Höhe - abverlangte Beteiligung an den durch die von der Beklagten veranlasste Freischaltung erzielten Umsatzerlösen mit nicht mehr blockierter Werbung finanziert wird. Andererseits kann dieses Finanzierungsmodell jedoch auch nicht schlechthin ausgeschlossen werden. Vielmehr bedarf es einer weitergehenden Berücksichtigung der Einzelheiten seiner Ausgestaltung, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat (BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 42 - Werbeblocker III).

27V. Das Berufungsurteil ist daher im bezeichneten Umfang aufzuheben. Die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.

281. Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Für die Beurteilung, ob der Hauptantrag zu 1 a unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Behinderung gemäß § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB begründet ist, fehlt es an erforderlichen Feststellungen des Berufungsgerichts.

29a) Sonstige kartellrechtliche Ansprüche hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.

30aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend keine horizontale Wettbewerbsbeschränkung infolge der "Whitelisting"-Vereinbarungen und der darin enthaltenen Kriterien für "akzeptable Werbung" angenommen und insbesondere darin kein koordiniertes Bündel vertikaler Verträge im Sinne eines "Sternvertrags" erkannt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es aber auch an einer vertikalen Wettbewerbsbeschränkung. Mit ihrem Werbeblocker befriedigt die Beklagte einen Nutzerwunsch. Folge der Nutzerentscheidung für den Werbeblocker ist, dass von einer "Blacklist" erfasste Werbung beim Nutzer nicht mehr angezeigt wird. Diese Behinderung beim Absatz von Onlinewerbung beruht nicht auf einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Kartellrechts. Soweit Werbung wieder freigeschaltet wird, fördert dies dagegen den Absatz von Onlinewerbung. Die Kriterien für "akzeptable Werbung" finden zudem allein gegenüber den Nutzern von "A.   P. " Anwendung; die Inhalteanbieter können gegenüber anderen Internetnutzern weiterhin beliebige Onlinewerbung verwenden. Es liegt damit auch keine Vereinheitlichung des Marktverhaltens der Inhalteanbieter vor.

31bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus § 21 Abs. 3 Nr. 3 GWB verneint. Die Revision erhebt dagegen keine Rügen. § 21 Abs. 2 GWB scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Seitenbetreiber und ihre Beauftragten beim Abschluss von "Whitelisting"-Vereinbarungen nicht kartellrechtswidrig handeln.

32b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Angebot der Software "A.   P. " weder eine unlautere Mitbewerberbehinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG noch eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a UWG (BGHZ 218, 236 - Werbeblocker II). Ebenso wenig stellt dieses Angebot eine allgemeine Marktstörung nach § 3 Abs. 1 UWG dar (BGHZ 218, 236 Rn. 42 bis 45 - Werbeblocker II). Schließlich hat das Berufungsgericht zu Recht Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung eines "virtuellen Hausrechts" verneint. Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit ein solches Recht anzuerkennen ist, kann es jedenfalls im Streitfall schon deshalb nicht verletzt sein, weil sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nichts dafür ergibt, dass die Klägerin erkennbar ein Verbot des Einsatzes von Werbeblockern ausgesprochen hat oder dass der Zugang zu diesen Internetseiten technisch oder vertraglich begrenzt worden ist.

33c) Ansprüche aus einem Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommen nicht in Betracht, weil zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis im lauterkeitsrechtlichen Sinn besteht und dementsprechend lauterkeitsrechtliche Vorschriften vorrangig anzuwenden sind. Ein danach nicht zu beanstandendes Verhalten stellt auch keinen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (, GRUR 2004, 877 = WRP 2004, 1272 [juris Rn. 41] - Werbeblocker I).

342. Für die weitere Prüfung weist der Senat auf Folgendes hin:

35a) Da der Klageantrag zu 1 a bislang im Wesentlichen durch die lauterkeitsrechtlichen Angriffe geprägt ist, wird das Berufungsgericht auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken haben.

36b) Ist relevanter Markt vorliegend der von der Beklagten selbst eröffnete Markt für die grundsätzlich entgeltliche Dienstleistung der Aufnahme in die Weiße Liste, so gilt für die Beklagte ohne weiteres die Vermutung der Marktbeherrschung gemäß § 18 Abs. 4 GWB. Infolgedessen muss die Beklagte substantiiert darlegen, warum sie gleichwohl im Hinblick auf Ausweichmöglichkeiten der Inhalteanbieter nicht marktbeherrschend ist (vgl. , WuW/E BGH 2483 [juris Rn. 38] - Sonderungsverfahren; Bardong in Langen/Bunte, GWB, 13. Aufl., § 18 Rn. 224).

37c) Gelangt das Berufungsgericht zu Feststellungen, aus denen sich eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten ergibt, wird es unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Beklagten und der Betreiber werbefinanzierter Internetseiten sowie der Nutzer solcher Seiten zu prüfen haben, ob die Klägerin von der Beklagten unbillig behindert oder diskriminiert wird. Die Darlegungs- und Beweislast für ein solches missbräuchliches Verhalten trifft grundsätzlich die Klägerin (vgl. Nothdurft in Langen/Bunte, GWB aaO § 19 Rn. 487). Dabei können auch folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:

38aa) Nach den vorstehenden Ausführungen zur Interessenabwägung (Rn. 23 bis 26) kann für die Frage einer unbilligen Behinderung insbesondere Bedeutung gewinnen, welche Wirkungen durch die Kombination von Schwarzer und Weißer Liste, die Kriterien für ein "Whitelisting" sowie die von der Beklagten gewählte Entgeltgestaltung erzielt werden.

39Nach der eigenen Darstellung der Beklagten ist ihr Geschäftsmodell nicht auf die Unterdrückung jeglicher Werbung gerichtet, sondern zielt darauf ab, es den Internetnutzern zu ermöglichen, sich vor aufdringlicher, als belästigend empfundener Werbung zu schützen. Den Betreibern der für Nutzer kostenlosen Internetseiten solle indes ermöglicht werden, sich durch - nach von der Beklagten aufgestellten Kriterien - akzeptable Werbung zu refinanzieren.

40Da es naheliegt, dass die von der Beklagten angelegten Kriterien für "akzeptable" Werbung nicht mit den Kriterien übereinstimmen, die von den Seitenbetreibern unter dem Gesichtspunkt der Erzielung möglichst hoher Erlöse aus Werbeeinnahmen aufgestellt werden, wird das Berufungsgericht sein Augenmerk darauf zu richten haben, ob die von den Beklagten aufgestellten Kriterien unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Nutzer plausibel sind und ob die formulierten Kriterien auch tatsächlich und einheitlich angewandt und kontrolliert werden.

41Dies kann umso größere Bedeutung gewinnen, als eine großzügige Zulassung von Werbung gegen ein eher geringes Entgelt in Widerspruch zu der Absicht der Beklagten treten könnte, den Internetnutzern mit der Kombination von schwarzer und weißer Liste den Eindruck sowohl eines effektiven Schutzes vor unerwünschter Werbung als auch der Förderung "unterstützungswürdiger" Seitenbetreiber zu vermitteln. Wird ihr Preissetzungsspielraum dagegen nur durch die Notwendigkeit begrenzt, dem Seitenbetreiber einen Minimalanteil an den durch die "Freischaltung" generierbaren Werbeerlösen zu belassen, könnte dies der Beklagten erlauben, die Zulassung von Werbung besonders restriktiv auszugestalten und gleichwohl hohe Einnahmen aus dem "Whitelisting" zu erzielen.

42Andererseits könnte ein plausibles und auch tatsächlich angewandtes und kontrolliertes Schutzkonzept, bei dem Nutzern durch die für das "Whitelisting" angewandten Kriterien in der Standardeinstellung nur "akzeptable" Werbung angezeigt wird, gegebenenfalls auch aus der Sicht der Seitenbetreiber eine gewisse Gegenleistung für das für die Freischaltung entrichtete Entgelt darstellen, wenn die Werbung infolgedessen besser wahrgenommen würde oder sozusagen als Werbung "mit Prädikat" erschiene, insbesondere wenn sie deswegen von den Seitenbetreibern auch zu einem höheren Preis vermarktet werden könnte.

43bb) In diesem Zusammenhang wird gegebenenfalls auch zu erwägen sein, ob der generelle Ausschluss "nicht-statischer" Werbung von einem "Whitelisting" die Möglichkeiten der Betreiber werbefinanzierter Internetseiten unangemessen einschränkt, sich auf diese Weise potentiell Zugang zu denjenigen Nutzern zu verschaffen, die den Werbeblocker der Beklagten installiert haben. Für die Annahme einer unbilligen Behinderung könnte sprechen, wenn sich - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - die Kriterien der Beklagten für akzeptable Werbung als für die Bedürfnisse gerade der größten Unternehmen auf dem Markt für Online-Werbung maßgeschneidert erweisen sollten, während sie von Anbietern digitaler Medieninhalte wie der Klägerin nur schwer zu erfüllen wären. In diesem Zusammenhang könnte auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang sich die Kriterien der Beklagten auf die Möglichkeit eines solchen Anbieters auswirken, die Seiteninhalte über Werbeeinnahmen zu finanzieren.

44cc) Da sich die Beschränkung der Freiheit der Seitenbetreiber, selbst darüber zu entscheiden, ob und wie sie den Nutzern Seiteninhalte nur zusammen mit Werbung anzeigen wollen, durch den Werbeblocker und die Entgeltforderung der Beklagten für ein "Whitelisting" nicht durch das Interesse der Beklagten, Werbeerlöse von den Seitenbetreibern teilweise auf sich umzulenken, sondern nur durch einen von der Beklagten befriedigten Nutzerwunsch nach einer Blockade unerwünschter Werbung rechtfertigen lässt, wird auch zu prüfen sein, ob sich eine unbillige Behinderung daraus ergibt, dass dem Nutzer keine transparente und leicht handhabbare Möglichkeit zur Verfügung steht, eine Internetseite selbst auf eine Weiße Liste zu setzen.

45Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Nutzer "bei entsprechenden Computerkenntnissen" einzelne Internetseiten selbst freischalten oder eigene Weiße Listen erstellen und pflegen kann und außerdem die Möglichkeit besteht, den Werbeblocker temporär zu deaktivieren, wenn dem Nutzer sonst Seiteninhalte nicht oder nicht vollständig oder nur in weniger attraktiver Form angezeigt werden. Für die Abwägung der Interessen kann es jedoch darauf ankommen, ob es den Seitenbetreibern durch eine einfachere benutzerfreundliche und deutlich herausgestellte andere Ausgestaltung des Werbeblockers erleichtert werden könnte, einen Nutzer (dauerhaft) zur Aufnahme einer bestimmten Internetseite auf eine Weiße Liste zu veranlassen und damit den Interessen des Seitenbetreibers gegenüber dem Entgeltinteresse der Beklagten jedenfalls dann Geltung zu verschaffen, wenn dies dem Nutzerwunsch entspricht.

46dd) Auf eine unbillige Behinderung dürfte hindeuten, wenn die Beklagte Versuchen der Seitenbetreiber, den Nutzer durch eine Beschränkung des Seitenzugangs zu einer Deaktivierung des Werbeblockers zu veranlassen, ihrerseits durch technische Maßnahmen entgegenwirkte (zur entsprechenden Wertung im Lauterkeitsrecht vgl. BGHZ 218, 236 Rn. 32, 41 - Werbeblocker II).

47ee) Ferner wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob die Differenzierung zwischen Seitenbetreibern, denen von der Beklagten für die Aufnahme in die "Weiße Liste" ein Entgelt abverlangt wird, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, sachlich angemessen ist und von der Beklagten auch diskriminierungsfrei praktiziert wird.

48ff) Ebenso wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob das von der Beklagten von größeren Webseitenbetreibern wie der Klägerin regelmäßig für die Freischaltung verlangte Entgelt von 30% der mit der freigeschalteten Werbung erzielten Erlöse als sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann (vgl. BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 61 f. - Werbeblocker III).

49Näherer Prüfung bedarf dabei auch, ob eine Berechnung des für die Freischaltung zu zahlenden Entgelts in Form eines Erlösanteils überhaupt als sachlich angemessen angesehen werden kann (BGH, WRP 2019, 1572 Rn. 63 - Werbeblocker III).

50Sollte sich kein Markt feststellen lassen, auf dem Entgelte und Entgeltstruktur einen Vergleich mit den von der Beklagten verlangten Entgelten zulassen, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob sich eine missbräuchliche Preisstruktur oder -höhe daraus ergibt, dass die von der Beklagten verlangten Entgelte in ihrer Summe in einem Missverhältnis zu den Kosten der Entwicklung und fortlaufenden Pflege des Werbeblockers zuzüglich eines angemessenen und risikoadäquaten Unternehmensgewinns der Beklagten stehen. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch den Vortrag der Beklagten zu würdigen haben, sie müsse erheblichen Aufwand betreiben, um ihre Dienstleistungen anzubieten, da sowohl die Freischaltung als auch die spätere Überwachung, bei der die Beklagte die Einhaltung der Kriterien für akzeptable Werbung überprüfe, sehr aufwendig seien. Die Beklagte wird dies gegebenenfalls näher darzustellen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:101219UKZR57.19.0

Fundstelle(n):
OAAAH-44771