Online-Nachricht - Donnerstag, 12.03.2020

Verfahrensrecht | Zum Erlass von Nachzahlungszinsen (BFH)

Die Erhebung von Nachforderungszinsen nach § 233a AO ist nicht allein deshalb sachlich unbillig, weil die Änderung eines Steuerbescheids gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erst nach Ablauf von 13 Monaten nach Erlass des Grundlagenbescheids erfolgt (Anschluss an ). Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Zinshöhe sind vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit Zinsen gem. § 233a AO

§ 233a AO enthält keine ausdrückliche Billigkeitsregelung. Dennoch sind die §§ 163, 227 AO allgemein auch auf Nachzahlungszinsen anwendbar.

Mit Blick auf den Sinn und Zweck der Nachzahlungszinsen ist für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung dann kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Steuerpflichtige keinen Vorteil erlangt hatte. In einem solchen Fall kommt ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit in Betracht.

Gleiches gilt für den Fall, wenn der Steuerpflichtige vor Festsetzung der Steuer freiwillige Leistungen erbringt und das FA diese Leistungen angenommen und behalten hat. Da aufgrund des Prinzips der Soll-Verzinsung die freiwilligen Leistungen bei der Zinsberechnung und -festsetzung unberücksichtigt bleiben, ist der Steuerpflichtige in einem solchen Fall auf den Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen verwiesen.

Allein aufgrund einer verspäteten Steuerfestsetzung durch die Finanzbehörde besteht kein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erlass der entstandenen Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit (vgl. Zugmaier/Nöcker/Hermes, § 233a AO Rz. 99 ff.)

Sachverhalt: Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Am ging bei dem für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger zuständigen FA eine Mitteilung über Einkünfte des Klägers aus der Beteilung an einer Personengesellschaft ein. Darauf hin änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 2012 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mit Änderungsbescheid vom . Dabei wurden Nachzahlungszinsen i.H.v. 305 € festgesetzt.

Die Kläger stellten zunächst einen Erlassantrag, gegen dessen Ablehnung legten sie Einspruch ein und verlangte aufgrund der langen Bearbeitungsdauer einen Teilerlass der Zinsen sowie eine Anpassung der Höhe des Zinssatzes. Das Einspruchsverfahren und das anschließende Klageverfahren blieben ohne Erfolg ().

Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück:

  • Die Ablehnung des Erlassantrags durch das FA war nicht ermessensfehlerhaft und somit die Erhebung der streitigen Nachzahlungszinsen nicht unbillig i.S. des § 227 AO.

  • Die von den Klägern vorgetragene sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.

  • Die Verzinsungsregelung in § 233a AO bezweckt einen typisierten Ausgleich für die Liquiditätsverschiebungen, die aus dem individuell sehr unterschiedlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens entstehen können.

  • Aus welchem Grund es zu einer Verzinsung gekommen ist und ob die möglichen Zins und Liquiditätsvorteile tatsächlich bestanden und genutzt wurden, ist grundsätzlich unbeachtlich.

  • Eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalles durch das FA ist deshalb für sich genommen nicht geeignet, eine abweichende Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu begründen.

  • Im Streitfall rechtfertigt die Bearbeitungszeit von 13 Monaten für sich betrachtet daher keinen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen. Insbesondere da § 233a AO typisierend von einer Bearbeitungsdauer von 15 Monaten ausgeht und diese nicht überschritten wurden.

  • Zudem hätten die Kläger die Zinsfestsetzung durch eine freiwillige Zahlung auf die zu erwartende Steuernachforderung umgehen bzw. minimieren können.

  • Auch die Einwendungen der Kläger gegen die Höhe des Zinssatzes rechtfertigen keinen Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen, denn solche Einwendungen sind vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen. Die Zinsfestsetzung ist jedoch in Bestandskraft erwachsen und kann daher grundsätzlich nicht durch einen Billigkeitserlass nachträglich korrigiert werden.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB GAAAH-44217