BVerwG Beschluss v. - 4 B 33/17

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 9 C 1229/13.T

Gründe

I

1 Die Kläger, Anwohner und Grundstückseigentümer in der Umgebung des Flughafens Frankfurt Main, wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt Main in der Gestalt, die er durch spätere Planergänzungsbeschlüsse erhalten hat.

2 Gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben auch zahlreiche andere Anlieger und Kommunen im Umfeld des Flughafens Klage. Von diesen Klagen wählte der Verwaltungsgerichtshof elf Klageverfahren als Musterverfahren aus; die Übrigen Klageverfahren, unter anderem dasjenige der Kläger, wurden ausgesetzt.

3 In den Musterverfahren verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten mit Urteil vom unter Aufhebung des entgegenstehenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr (bisher 17 Flugbewegungen) sowie über den Bezugszeitraum für die Zulassung von durchschnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wies er die Klagen ab (.T u.a. - LKRZ 2010, 66).

4 Auf die Revision der Kläger in acht Musterverfahren hat der Senat mit Urteil vom - 4 C 8.09 u.a. - (BVerwGE 142, 234) unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr (bisher 17 Flugbewegungen) sowie über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, soweit diese durchschnittlich 133 je Nacht übersteigen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen sind die Revisionen insoweit zurückgewiesen worden.

5 Zur Umsetzung dieses Urteils änderte der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss unter dem dahingehend ab, dass für die beiden Nachtrandstunden von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr und von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr insgesamt durchschnittlich 133 planmäßige Flugbewegungen pro Nacht zulässig sind. Zugleich hob der Beklagte die Regelungen über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr auf.

6 Der Planfeststellungsbeschluss wurde in der Folgezeit noch mehrfach geändert, unter anderem durch ein neues Schallschutzkonzept in Bezug auf gewerbliche Nutzungen, nachträgliche Schutzvorkehrungen gegen Wirbelschleppen (Planergänzungsbeschlüsse vom und vom ) sowie eine Umgestaltung des Terminals 3 (Planergänzungsbeschluss vom ).

7 Nachdem über die Musterklagen rechtskräftig entschieden war, hat der Verwaltungsgerichtshof die ausgesetzten Verfahren fortgesetzt. Im Verfahren der Kläger hat er von der nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, und die Klagen - soweit streitig entschieden - abgewiesen. Die Revision hat er nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Beschwerde.

II

8 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde zeigt keinen Verfahrensmangel auf, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Entgegen ihrer Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof von der Möglichkeit einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne Rechtsfehler Gebrauch gemacht.

9 Nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht, wenn über die Musterverfahren rechtskräftig entschieden worden ist, über die ausgesetzten Verfahren nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, wenn es einstimmig der Auffassung ist, dass die Sachen gegenüber rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist.

10 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO und die darin geregelten Voraussetzungen einer Entscheidung im Beschlusswege zutreffend ausgelegt. Er hat insbesondere erkannt, dass die Norm mit Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden muss ( - NVwZ 2011, 611 Rn. 12 f. m.w.N.) und Art. 6 Abs. 1 EMRK zu beachten ist.

11 a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist von wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne von § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den Musterverfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen könnte ( 4 A 1003.07 - juris Rn. 12). Die Nachverfahren dienen nicht dazu, die in den Musterverfahren getroffenen Entscheidungen erneut und umfassend auf den richterlichen Prüfstand zu stellen und einer nachträglichen richterlichen Selbstkontrolle zu unterziehen (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 A 1008.07 - juris Rn. 14, vom - 4 B 25.15 - juris Rn. 34 f. und vom - 4 B 57.15 - ZLW 2017, 548 Rn. 24).

12 Es obliegt den im Nachverfahren entscheidenden Richtern, sich im Rahmen einer Gesamtschau über die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege Klarheit zu verschaffen. Dies setzt eine vergleichende Betrachtung von Muster- und Nachverfahren voraus, die sich auch und gerade auf die jeweilige materiell-rechtliche Bewertung und damit den Ausgang des Nachverfahrens erstreckt. Dabei mögen unterschiedliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen.

13 Für die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege spricht es, wenn die rechtliche Position des jeweiligen Klägers (etwa: als Umweltverband, Gebietskörperschaft, Enteignungsbetroffener oder mittelbar Betroffener) der rechtlichen Position eines Musterklägers entspricht und sein Antrag im Kern mit einem bereits in den Musterverfahren gestellten Antrag übereinstimmt. Ebenso spricht es für die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege, wenn die im Nachverfahren aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfragen inhaltlich bereits in den Musterverfahren behandelt und gewürdigt wurden und zu diesen lediglich ergänzend und vertiefend vorgetragen wird oder die in den Musterverfahren gebildeten Maßstäbe ausreichen, um neuen Vortrag zu bewerten.

14 Gegen die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege spricht, wenn Unterschiede zwischen den Verfahren bestehen, die im Nachverfahren zu einem von den Musterverfahren in der Sache abweichenden Entscheidungstenor führen oder jedenfalls führen können. Dies mag etwa der Fall sein, wenn in der Person des Klägers Umstände vorliegen, die sich von der rechtlichen Position der in den Musterverfahren aufgetretenen Kläger unterscheiden. Dies ist auch denkbar, wenn Anträge gestellt werden, die nicht Gegenstand der Musterverfahren waren und über die nicht unter Anwendung der in den Musterurteilen entwickelten Maßstäbe entschieden werden kann. Auch Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses nach dem rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren können - je nach Lage des Einzelfalls - eine Entscheidung im Beschlusswege ausschließen.

15 Der bloßen zeitlichen Dauer des Musterverfahrens und der ausgesetzten Verfahren kommt dabei keine Bedeutung zu. Denn gerade bei langer Dauer kann ein Interesse bestehen, eine weitere Verzögerung der Nachverfahren durch eine umfassende mündliche Verhandlung zu vermeiden. Ebenso ist eine Entscheidung im Beschlusswege nicht schon dann unzulässig, wenn sich das Gericht in seiner Entscheidung über ein Nachverfahren zu weiterem Vortrag eines Klägers äußert. Denn das Ziel des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO würde handgreiflich verfehlt, wenn jedweder neue, aktualisierte oder vertiefende Vortrag eines Beteiligten eine Entscheidung im Beschlusswege ausschlösse (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 37.17 - BA Rn. 17 ff. und vom - 4 B 53.17 - BA Rn. 17 ff.).

16 b) Die von der Beschwerde angeführten verfassungs- und konventionsrechtlichen Gesichtspunkte geben keinen Anlass, die vom Senat entwickelten Maßstäbe zu korrigieren (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 37.17 - BA Rn. 22 ff. und - 4 B 53.17 - Rn. 22 ff.).

17 aa) Die Bestimmungen über die Durchführung des Nachverfahrens, wie insbesondere über die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung (§ 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und die Beweiserhebung (§ 93a Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwGO), lassen den Verwaltungsgerichten einen Spielraum, um den Verfahrensgarantien gerecht zu werden ( - NVwZ 2009, 908 = juris Rn. 6). Ob der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt und effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt wird, hängt maßgeblich vom Verlauf der Musterverfahren und insbesondere von der konkreten Ausgestaltung des sich nach deren Durchführung anschließenden Nachverfahrens ab. Eine rechtliche Bindung an die in den Musterverfahren ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen für das ausgesetzte Verfahren besteht nicht. Das Recht und die Pflicht des Gerichts zur freien Beweiswürdigung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bleiben unberührt; eine Erstreckung der Rechtskraft der Musterurteile auf die Nachverfahren ordnet das Gesetz nicht an (BT-Drs. 11/7030 S. 29). Auch im vereinfachten Beschlussverfahren stehen den Beteiligten gegen den Beschluss diejenigen Rechtsmittel zu, die zulässig wären, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte (vgl. § 93a Abs. 2 Satz 5 VwGO), also insbesondere das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 Abs. 1 VwGO ( - NVwZ 2011, 611 Rn. 11). Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren kann der Beschwerdeführer unter anderem geltend machen, dass die Vorinstanz zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO bejaht und dadurch dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht hinreichend Rechnung getragen oder ihr Ermessen in verfassungswidriger Weise ausgeübt habe.

18 Die Prozess- und Justizgrundrechte der Kläger im Nachverfahren sind danach durch die Ausgestaltung von § 93a Abs. 2 VwGO von Gesetzes wegen ausreichend gesichert. Dem Richter ist es verwehrt, durch eine übermäßig strenge Handhabung der verfahrensrechtlichen Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen. Sind ihm, wie in § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO, im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, so müssen diese im konkreten Fall mit Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden; sie dürfen nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz führen ( - NVwZ 2011, 611 Rn. 12 f. m.w.N.). Zu beachten ist dabei auch Art. 6 Abs. 1 EMRK mit dem Inhalt, den die Vorschrift in der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden hat (vgl. 8 B 47.14 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 85 Rn. 5 m.w.N.).

19 bb) Die zur Auslegung des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entwickelten Maßstäbe genügen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist daher nicht abweichend auszulegen und die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung nach anderen Maßstäben zu beurteilen, wenn die jeweilige Streitsache in den persönlichen (vgl. etwa EGMR, Entscheidung vom - 50108/06 - NVwZ 2011, 479 <480>) und sachlichen (vgl. 4 CN 9.98 - BVerwGE 110, 203 <205 ff.> und Beschluss vom - 4 BN 41.01 - NVwZ 2002, 87 <88>) Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 EMRK fällt (vgl. auch Jacob, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 93a Rn. 19 m.w.N.).

20 Nach dieser Vorschrift hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die deutschen Gerichte haben die Vorschrift wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden ( - BVerfGE 111, 307 <Ls. 1 und 315>). Eine mündliche und öffentliche Verhandlung ist ein in Art. 6 EMRK verankertes Grundprinzip. Die Verpflichtung, sie abzuhalten, gilt aber nicht uneingeschränkt. Es kann Verfahren geben, die einer mündlichen Verhandlung nicht bedürfen, wenn es zum Beispiel nicht um die Glaubwürdigkeit oder um bestrittene Tatsachen geht, die eine mündliche Erörterung notwendig machen, und die Gerichte fair und angemessen auf der Grundlage des Parteivortrags oder anderer schriftlicher Unterlagen entscheiden können (EGMR, Urteil vom - Nr. 33060/10, Blum/Österreich - NJW 2017, 2455 Rn. 70 m.w.N.; vgl. auch 1 B 57.19 - juris Rn. 9). Ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung rechtfertigen, hängt im Wesentlichen von der Art der vom Gericht des jeweiligen Staats zu entscheidenden Fragen ab, nicht von der Häufigkeit derartiger Situationen (EGMR, Urteil vom - Nr. 23621/11, Fröbrich/Deutschland - NJW 2017, 2331 Rn. 35). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt ferner an, dass die grundsätzliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung geeignet ist, den in Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gefährden (EGMR, Urteil vom - Nr. 73053/01, Jussila/Finnland - HUDOC Rn. 42; vgl. auch 7 B 25.18 - NVwZ 2019, 1854 Rn. 10). Denn bei Beurteilung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung erforderlich ist, müssen die Behörden ("authorities") auf die Effektivität und Wirtschaftlichkeit achten, damit dem Erfordernis einer Entscheidung binnen "angemessener Frist" in Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen werden kann (EGMR, Entscheidung vom - Nr. 31178/96, Petersen/Deutschland - NJW 2003, 1921 <1923>).

21 Dem trägt die Ausgestaltung von und die Rechtsprechung zu § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ausreichend Rechnung. Die Norm verfolgt das Ziel, Massenverfahren mit einer Vielzahl von Betroffenen zu bewältigen (BT-Drs. 11/7030 S. 28). Sie dient dazu, den Anspruch der Beteiligten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK auf Rechtsschutz in angemessener Frist zu verwirklichen. Eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ist dabei nur zulässig, wenn die ausgesetzten Verfahren gegenüber rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn in den ausgesetzten Verfahren keine neuen, in den Musterverfahren noch nicht angesprochenen Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den Musterverfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen könnte ( 4 A 1003.07 - juris Rn. 12). Liegen diese Voraussetzungen vor, so darf das Gericht annehmen, dass es fair und angemessen auf der Grundlage des Parteivortrags oder anderer schriftlicher Unterlagen, insbesondere der aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangenen Musterurteile, entscheiden kann. Weil das Gesetz die Einstimmigkeit der entscheidenden Richter über die Entscheidung im Beschlusswege verlangt, ist zudem regelmäßig damit zu rechnen, dass sich die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung auf das Verfahrensergebnis nicht niederschlägt (vgl. Mayer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 64 <"Gradmesser">).

22 Von diesen rechtlichen Maßstäben hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Nachverfahren der Kläger leiten lassen. Er ist einstimmig davon ausgegangen, dass der Sachverhalt des Nachverfahrens geklärt ist und der Streitfall gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich deshalb als befugt angesehen, über die Nachverfahren im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO zu entscheiden und sich hieran weder durch Art. 103 Abs. 1 GG noch durch Art. 6 Abs. 1 EMRK gehindert gesehen (BA S. 11). Den auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom gerichteten Antrag und die auf Änderung bzw. Ergänzung der Betriebsregelungen für die Nachtrandstunden (22:00 Uhr bis 23:00 Uhr und 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr) sowie auf weitere Schutzauflagen gegen flugbedingten Lärm und andere Immissionen gerichteten Hilfsanträge hat er aus den Gründen der Musterverfahrensurteile als unbegründet abgewiesen (BA S. 13).

23 2. Das Beschwerdevorbringen führt auch im Übrigen nicht auf einen Verfahrensfehler.

24 Aus der Sicht der Beschwerde stand eine Reihe von Gesichtspunkten einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Der Vortrag geht indes in weitem Umfang daran vorbei, dass bei der Prüfung von Verfahrensmängeln stets von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz auszugehen ist, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte. Das gilt auch, soweit materiell-rechtliche Fragen als Vorfragen verfahrensrechtlicher Fragen zu beantworten sind (BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 10.15 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 44 Rn. 18 m.w.N. und vom - 6 B 14.17 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 111 Rn. 11). Daher kann die Wahl des Beschlussverfahrens § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nur verletzen, wenn das vorinstanzliche Gericht die prozessrechtliche Norm und insbesondere die dort geregelten Voraussetzungen einer Entscheidung im Beschlusswege selbst unzutreffend ausgelegt hat. Die umfangreiche Kritik der Beschwerde an der materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann daher einen Verfahrensfehler grundsätzlich nicht darlegen.

25 Auch in der Sache bleibt die Kritik der Beschwerde ohne Erfolg.

26 a) aa) Nach Auffassung der Beschwerde stand einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO von vornherein entgegen, dass der angegriffene Planfeststellungsbeschluss geändert worden ist, nachdem die Musterurteile in Rechtskraft erwachsen waren. Dies trifft nicht zu.

27 Ob bei Ergänzungen oder Änderungen des angegriffenen Bescheids nach dem Erlass bzw. infolge des Urteils im Musterverfahren durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entschieden werden kann, hängt nicht entscheidend von der prozessrechtlichen Einordnung der Antragsänderung als Klageänderung oder Änderung des Streitgegenstandes ab (vgl. zu § 130a VwGO BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 15.15 - juris Rn. 7 und vom - 8 B 47.14 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 85 Rn. 7). Maßgeblich ist vielmehr, ob die Sache unter Einbeziehung des Bescheids in seiner geänderten Gestalt und nach der rechtlichen Einordnung des klägerischen Angriffs gegenüber rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren wesentliche Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Eine gerade in umfangreichen Planfeststellungsverfahren häufige Planergänzung oder -änderung führt in der Regel nicht dazu, dass sich alle Rechts- oder Tatsachenfragen anders oder neu stellen. Auch im Fall einer nachträglichen Ergänzung oder Änderung kann das Beschlussverfahren nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO deshalb eröffnet sein, wenn die Ergänzung oder Änderung der Sache nach für den jeweiligen Kläger im Nachverfahren nicht mit neuen oder weitergehenden Beeinträchtigungen verbunden ist. Bei nachträglichen Änderungen eines Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen ist der Beschlussweg nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nur eröffnet, wenn trotz dieser Änderung keine neuen Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den Musterverfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen. Wann dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen Einzelfallumständen ab (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 37.17 - BA Rn. 33 und - 4 B 53.17 - Rn. 33). Allein die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses nach den Musterurteilen und die darauf folgende Klageänderung führten nicht zur Unzulässigkeit eines Beschlusses nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO.

28 bb) Die Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Schutz vor Wirbelschleppen schlossen eine Entscheidung durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht aus. Die in Frankfurt-Süd wohnenden Kläger sind von Wirbelschleppen bei Landeanflügen auf der Landebahn Nordwest bei Betriebsrichtung Ost nicht betroffen (BA S. 5). Sie sind deshalb weder Adressaten der Wirbelschleppen betreffenden Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses noch der in den Planergänzungsbeschlüssen vom und enthaltenen Schutzauflagen zur Bewältigung des Wirbelschleppenrisikos. Auch ihre Anträge beziehen sich nur auf den von diesen späteren Änderungen nicht erfassten Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses. Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 10) zu Recht ausgegangen.

29 Hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Aufhebungsanspruchs ist für wesentliche Besonderheiten rechtlicher oder tatsächlicher Art oder einen ungeklärten Sachverhalt nichts ersichtlich. Die Musterklägerin Stadt Raunheim hatte im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof neben einem Antrag auf Planaufhebung u.a. Verpflichtungsanträge auf Neufassung der Nebenbestimmung zu den Wirbelschleppen unter A XI Ziffer 2.3 des Planfeststellungsbeschlusses vom gestellt (vgl. .T u.a. - LKRZ 2010, 66 = juris Rn. 144 ff.); diese Anträge hat der Verwaltungsgerichtshof abgewiesen (a.a.O. juris Rn. 1191 ff., 1221). Das Revisionsverfahren der Stadt Raunheim (BVerwG 4 C 1.10) gegen die Musterentscheidung ist im Umfang der Erledigung eingestellt worden, soweit der Beklagte die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung durch Protokollerklärung verpflichtet hat, an den im Eigentum der Klägerin stehenden und im Bereich der Anfluggrundlinien liegenden Anwesen durch Verklammerung der Dachziegel Schutzvorkehrungen gegen wirbelschleppenbedingte Schäden durchzuführen ( 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 9). Im Übrigen sind die Klagen - mit Ausnahme einer Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung hinsichtlich der Regelungen zu den planmäßigen Flugbewegungen zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr sowie zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr sowie zum Schallschutz für gewerblich genutzte Grundstücke - abgewiesen und die weitergehenden Revisionen der Kläger zurückgewiesen worden. Damit ist durch die Musterentscheidung rechtskräftig entschieden, dass das Problem von Wirbelschleppen bewältigt werden kann, ohne die Gesamtplanung in Frage zu stellen, und daher weder eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch als Minus die Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher zu Recht angenommen, dass er an einer Entscheidung im Beschlusswege nicht gehindert ist, soweit die Kläger einen Anspruch auf Aufhebung und hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verfolgen.

30 cc) Soweit die Beschwerde für unzulässig hält, dass über Fragen des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses im Wege eines Teilbeschlusses entschieden werde, während die den Planänderungsbeschluss betreffenden Fragen in einem Urteilsverfahren behandelt werden, führt dies nicht auf einen Verfahrensfehler, weil der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren der Kläger einheitlich durch Beschluss entschieden hat. Im Übrigen kann unter den Voraussetzungen des § 110 VwGO im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO auch über einen Teil des Streitgegenstandes entschieden werden (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 A 1009.07 u.a. - juris Rn. 9 und vom - 4 B 37.17 - BA Rn. 17 und - 4 B 53.17 - Rn. 17).

31 b) Ein Verfahrensfehler ist nicht dargetan, soweit die Beschwerde geltend macht, das Absehen von einer mündlichen Verhandlung sei rechtswidrig, weil die Kläger zusätzliche und weitergehende Tatsachen vorgetragen hätten.

32 aa) Die Rüge der Beschwerde, dass die Entscheidung im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO aufgrund des Vortrags der Kläger zur Betriebsrichtungsverteilung unter Einrechnung der sog. Rückenwindkomponente verfahrensfehlerhaft sei, greift nicht durch.

33 Die Beschwerde macht geltend, die Kläger hätten vorgetragen, dass der Beklagte den Auswirkungsbereich des planfestgestellten Vorhabens fehlerhaft ermittelt habe. Die für diese Ermittlung maßgebliche Betriebsrichtungsverteilung entspreche nicht der am Vorhabenstandort bestehenden Windrichtungsverteilung, sondern sei auf der Grundlage der von der Deutschen Flugsicherung GmbH - DFS - festgelegten sog. Rückenwindkomponente modifiziert worden. Für diese Maßnahme der Lärmminderungsplanung bzw. des Fluglärmschutzes sei die DFS sachlich nicht zuständig. Deshalb habe die Rückenwindkomponente bei der Ermittlung der maßgeblichen Betriebsrichtungsverteilung nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Frage sei in den Musterverfahren nicht erörtert worden.

34 Der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 17 f.) hat insoweit wesentliche Besonderheiten des Nachverfahrens der Kläger oder einen in den Musterverfahren ungeklärt gebliebenen Sachverhalt verneint. Die Umstände seien bereits Gegenstand der Musterverfahrensentscheidungen gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu festgestellt, dass die in dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte abschätzende Ermittlung von Sigma-Zuschlägen für den wechselnden Betrieb der Bahnen den Anforderungen an den Detaillierungsgrad genüge, der erforderlich sei, um die Lärmschutzbelange im Rahmen der Gesamtabwägung bewerten zu können. Das methodische Vorgehen unter Berücksichtigung der meteorologisch bedingten Betriebsrichtungsverteilung in einem Zeitraum von zehn Jahren einschließlich der sog. Rückenwindkomponente sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen hätten keine Anhaltspunkte festgestellt werden können, dass die Planfeststellungsbehörde für den Fall, dass sich aus derartigen Pauschalierungen höhere Betroffenheiten ergeben sollten, eine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte, und zwar auch dann, wenn sich die Ermittlung der Sigma-Zuschläge als fehlerhaft herausstellen sollte. Damit sei der Sachvortrag zur behaupteten Unangemessenheit der Sigma-Regelung in den Musterverfahren als rechtlich unerheblich zurückgewiesen und alle Sachanträge als unbegründet abgewiesen worden, die darauf abzielten oder daran anknüpften, dass die Lärmwerte nach einer anderen Berechnungsmethode ermittelt werden.

35 Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof nur zur Ermittlung von Sigma-Zuschlägen geäußert habe. Beim klägerischen Vorbringen gehe es jedoch darum, dass die Kläger die Berücksichtigung der Rückenwindkomponente als unzulässig ansähen. Der Senat kann offenlassen, ob die Zulässigkeit der Rückenwindkomponente im Musterurteil des Verwaltungsgerichtshofs diskutiert worden ist oder es sich um einen neuen Aspekt des Nachverfahrens handelt. Denn die Beschwerde setzt sich nicht mit der selbständig tragenden Begründung des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, dass in den Musterurteilen auch für den Fall, dass sich die Ermittlung der Sigma-Zuschläge als fehlerhaft herausstellen sollte, keine Anhaltspunkte festgestellt worden seien, dass die Planfeststellungsbehörde eine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte. Für die Rückenwindkomponente soll nach der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz ersichtlich nichts anderes gelten. Die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung wegen entscheidungserheblicher Besonderheiten der Nachverfahren gegenüber den Musterverfahren ist damit nicht dargetan.

36 bb) Wesentliche Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art oder ein in den Musterverfahren nicht geklärter Sachverhalt folgen auch nicht aus dem Vortrag zum Verkehrsbedarfsplan II zum Landesentwicklungsplan Hessen '80 (im Folgenden: LEP Hessen '80).

37 Nach dem Vortrag der Kläger sei bereits im Jahre 1972 seitens des damals zuständigen Ministeriums erkannt worden, dass eine weitere Parallelbahn am Flughafen Frankfurt Main zu unvertretbaren Lärmbelästigungen in der Umgebung des Flughafens führen würde; diese Überlegungen hätten im Planfeststellungsbeschluss 1971 ihren Niederschlag gefunden und seien in den LEP Hessen '80 - Verkehrsbedarfsplan II - eingeflossen. Aus diesen Ausführungen trete klar zutage, dass die Errichtung einer weiteren Parallelbahn am Flughafen Frankfurt Main ausgeschlossen sei und ein Ausbau des Flughafens nicht in Betracht komme.

38 Der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 15 ff.) hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sich diesem Vorbringen der Kläger keine Planungshindernisse entnehmen ließen, die einer Übertragbarkeit der Musterverfahrensentscheidung auf das Nachverfahren der Kläger entgegenstehen könnten. In den Musterurteilen habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass dem Planfeststellungsbeschluss 1971 keine rechtswirksame Zusicherung oder Zusage der Planfeststellungsbehörde zu entnehmen sei, einen weiteren Ausbau des Flughafens Frankfurt Main zukünftig zu unterlassen. Das Bundesverwaltungsgericht habe dies in seinem Revisionsurteil in den Musterverfahren bestätigt. Der von den Klägern nunmehr in Bezug genommene LEP Hessen '80 entfalte nach mehrfacher zwischenzeitlicher Änderung (für sich genommen) keine Wirkung mehr für den Planfeststellungsbeschluss 2007. Er führe auch nicht in der Zusammenschau mit der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses 1971 zu einer verbindlichen Zusage, weil es dem Planfeststellungsbeschluss - wie dargestellt - insoweit am Rechtsbindungswillen mangele.

39 Die fehlende Entscheidungserheblichkeit des klägerischen Vortrags zum Verkehrsbedarfsplan II im LEP Hessen '80 hat der Verwaltungsgerichtshof mithin kumulativ begründet. Der Senat kann offenlassen, ob der erste Grund - die Annahme, dass der LEP Hessen '80 im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses 2007 aufgrund mehrfacher zwischenzeitlicher Änderung außer Kraft getreten gewesen sei - bereits Gegenstand der Musterurteile war. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann eine mündliche Verhandlung - wie dargelegt - unter anderem dann entbehrlich sein, wenn es nicht um die Glaubwürdigkeit oder um bestrittene Tatsachen geht, die eine mündliche Erörterung notwendig machen, und die Gerichte fair und angemessen auf der Grundlage des Parteivortrags oder anderer schriftlicher Unterlagen entscheiden können. Die gerichtliche Beurteilung des Verkehrsbedarfsplans erfordert deshalb zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig die Erörterung in einer mündlichen Verhandlung. Der Verwaltungsgerichtshof durfte insoweit annehmen, dass er fair und angemessen auch auf der Grundlage des Parteivortrags oder anderer schriftlicher Unterlagen entscheiden kann. Denn nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung kam es für die rechtliche Würdigung des Verkehrsbedarfsplans II auf eine Zusammschau mit den Aussagen des Planfeststellungsbeschlusses an, die bereits Gegenstand der Musterverfahren waren (vgl. 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 35 ff.). Den nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Ermessensspielraum hat der Verwaltungsgerichtshof damit nicht überschritten.

40 cc) Eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist auch nicht dargetan, soweit die Beschwerde aus den tatsächlichen Entwicklungen nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Landebahn Nordwest wesentliche Besonderheiten des Nachverfahrens ableitet.

41 Die Beschwerde macht geltend, dass sich viele Prognosen der Planfeststellung letztlich als unzutreffend herausgestellt hätten. Diese Abweichungen zwischen der im Planfeststellungsverfahren prognostizierten und der tatsächlichen Entwicklung hätten nicht Gegenstand der Musterverfahren sein können. Die Kläger hätten einen Anspruch darauf, die damit verbundenen Fragen in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern.

42 Der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 21 ff.) hat sich an einer Übertragung der im Musterverfahren zur Planrechtfertigung und zur Verkehrsprognose getroffenen Feststellungen auf das Verfahren der Kläger nicht gehindert gesehen, weil es bei der gerichtlichen Überprüfung von Prognosen maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan ankomme (BA S. 23). Zwar könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ( 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <122>) im Einzelfall das Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher tatsächlicher Entwicklung als Indiz für eine unsachgemäße Aufstellung der Prognose in Betracht zu ziehen sein (sog. fehlgeschlagene Prognose). Indes habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass es sich dabei um Fallgestaltungen handele, in denen infolge unvorhersehbarer Ereignisse die tatsächliche Entwicklung von einer im hier verstandenen Sinn - zutreffend - aufgestellten Prognose in extremer Weise abweiche. Gemessen hieran stelle die nachträgliche Entwicklung der Zahl der Flugbewegungen kein Indiz für eine unsachgemäße Prognose dar (BA S. 24). Anhaltspunkte dafür, dass der Planfeststellungsbeschluss funktionslos geworden sei, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht erkannt (BA S. 26).

43 Diese Ausführungen stehen mit § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO im Einklang. Die Anforderungen werden nicht überspannt, wenn das Gericht - wie hier - neuen Tatsachenvortrag im Nachverfahren unter Anwendung geklärter Rechtsmaßstäbe nachvollziehbar für offenkundig ungeeignet hält, das Ergebnis der Musterentscheidung in Zweifel zu ziehen oder seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen zu lassen.

44 dd) Unberechtigt ist auch die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof sei bei der Bewertung der sog. NORAH-Studie, auf die die Kläger hingewiesen hätten, einem Irrtum unterlegen, der bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte ausgeräumt werden können.

45 Die Beschwerde macht geltend, die NORAH-Studie und ihre Ergebnisse hätten nicht in das Fluglärmschutzgesetz einfließen können, das vor Erstellung dieser Studie in Kraft getreten sei. Auch die Entscheidungen in den Musterverfahren seien sämtlich vor Erstellung der Studie ergangen. Die umfangreichen Feststellungen dieser aktuellen Studie hätten einer mündlichen Erörterung bedurft.

46 Der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 39 ff.) hat sich der Revisionsentscheidung des Senats in den Musterverfahren ( 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 155; vgl. auch - NVwZ 2011, 991 = juris Rn. 38 ff.) angeschlossen, wonach eine Verletzung gesetzlicher Nachbesserungspflichten gerichtlich erst festgestellt werden kann, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden ist. Mit dem von den Klägern vorgetragenen, seit der Entscheidung der Tatsacheninstanz in den Musterverfahren im Jahr 2009 weiter entwickelten wissenschaftlichen Erkenntnisstand werde eine derartige evidente Untragbarkeit der Regelungen im Fluglärmschutzgesetz nicht dargelegt. Das gelte auch für die NORAH-Studie (BA S. 41). Die daraus wiedergegebenen Erkenntnisse stellten nur weitere Varianten der grundsätzlich bereits in früher erstellten Lärmwirkungsstudien erkannten Gesundheitsrisiken des Fluglärms dar, die schon in das Fluglärmschutzgesetz eingeflossen und dadurch Gegenstand der Musterverfahren gewesen seien.

47 Warum der Verwaltungsgerichtshof gleichwohl hätte annehmen müssen, dass die Ausführungen zur NORAH-Studie Zweifel an dem in den Musterverfahren gefundenen Ergebnis begründen, dessen Übertragbarkeit als problematisch erscheinen oder Anlass zu einer weiteren Sachaufklärung geben, erschließt sich nicht.

48 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

49 Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 2, Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:210120B4B33.17.0

Fundstelle(n):
KAAAH-43180