Online-Nachricht - Donnerstag, 30.01.2020

Verfahrensrecht | Säumniszuschläge trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit - Aufrechnung nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren (BFH)

Säumniszuschläge entstehen gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kraft Gesetzes. Nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren sind die während der Masseunzulänglichkeit geltenden Aufrechnungsverbote nicht mehr anzuwenden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Am zeigte er gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO Masseunzulänglichkeit an. Danach gab er u.a. eine Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2011 ab. Die Steuer wurde nicht entrichtet, war aber durch eine vom FA am vorgenommene Umbuchung getilgt worden. Am fertigte ein Bearbeiter des FA einen die Säumniszuschläge betreffenden Aktenvermerk und übermittelte diesen am selben Tag dem Kläger.

Im Juli 2012 zeigte der Kläger dem Insolvenzgericht eine Verbesserung der finanziellen Verhältnisse und das Ende der Masseunzulänglichkeit an.

Am gab der Kläger die Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal 2014 ab, aus der sich ein Guthaben von 1.558 € ergab. Das FA stimmte dieser Voranmeldung zu, zahlte das Guthaben jedoch nicht aus, sondern buchte es auf die seiner Auffassung nach gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit ( bis ) entstandenen Säumniszuschläge zur Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2011 um.

Auf Antrag des Klägers erging ein Abrechnungsbescheid. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos ().

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück:

  • Auch während der vorübergehenden Masseunzulänglichkeit fallen Säumniszuschläge an.

    • Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes, so dass sie auch in Phasen der Masseunzulänglichkeit anfallen, soweit dies nicht gesetzlich anders geregelte ist.

    • Es existiert mit § 251 Abs. 2 Satz 1 AO lediglich ein Insolvenzvorbehalt für die Vollstreckung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, nicht für deren Entstehung. Die Säumniszuschläge entstehen folglich auch in Phasen der Masseunzulänglichkeit.

    • Der Aktenvermerk vom und dessen Übermittlung an den Kläger führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Säumniszuschläge waren kraft Gesetzes schon in voller Höhe entstanden. Die Äußerung einer Rechtsansicht ist kein Erlöschenstatbestand (§ 47 AO). Selbst wenn das FA in dem Aktenvermerk also die Rechtsansicht geäußert hätte, nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit seien keine Säumniszuschläge mehr entstanden, wäre dies irrelevant. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben könnte eine derartige Äußerung allenfalls Wirkung für die Zukunft, entfalten (so z.B. , BFH/NV 2015, 1001, Rz 5, m.w.N.). Im Übrigen hat sich das FA am nicht zur Entstehung von Säumniszuschlägen geäußert, sondern lediglich zu deren Erhebung (vgl. § 210 InsO).

  • Nachdem die Masse wieder zulänglich geworden war, konnte das FA gemäß § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB mit den entstandenen Säumniszuschlägen gegen die Masseforderung aus der Umsatzsteuervorauszahlung aufrechnen. Die während der Masseunzulänglichkeit zu berücksichtigenden Aufrechnungsverbote gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, § 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 InsO analog oder § 210 InsO analog galten nicht mehr.

    • Die Säumniszuschläge sind als Masseverbindlichkeiten zu werten. Die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für 2014 führte hingegen zu einer Masseforderung. Die Fälligkeit der Vorauszahlungen und die dadurch entstandene Aufrechnungslage bleiben erhalten, auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein Jahressteuerbescheid ergeht.

    • Die Aufrechnung wurde auch ordnungsgemäß erklärt, dies erfolgte spätestens mit dem Abrechnungsbescheid über die Umsatzsteuervorauszahlungen.

    • Nach Anzeige der wiedererlangten Zulänglichkeit der Masse stand der Aufrechnung auch kein Aufrechnungsverbot mehr entgegen. Die Aufrechnungslage ist also nach der Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren entstanden.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB GAAAH-41087