BGH Urteil v. - VII ZR 278/17

Schadensersatzanspruch des Bestellers bei Planungs- und Überwachungsfehlern des Architekten: Zahlungsanspruch in der Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten

Gesetze: § 249 Abs 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 634 Nr 4 BGB

Instanzenzug: Az: 2 U 1781/16vorgehend LG Nürnberg-Fürth Az: 9 O 237/14

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt von der Beklagten zu 1, einer Ingenieurgesellschaft, und der Beklagten zu 2 als deren persönlich haftender Gesellschafterin Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung.

2Die Klägerin ließ in Eschenau einen L.                        neu errichten. Im Februar 2003 beauftragte sie die Beklagte zu 1 mit der Erbringung von Architektenleistungen hierfür, unter anderem mit der Bauüberwachung. Bezüglich des Bodenaufbaus und der Fliesenarbeiten schloss die Klägerin - jeweils auf den von der Beklagten zu 1 vorbereiteten Vertragsformularen - Verträge mit der G.       GmbH und der R.             GmbH.

3Die Klägerin trägt vor, die Boden- und Fliesenarbeiten seien mangelhaft ausgeführt worden. Das eingebaute Mörtelbett sei nicht brauchbar. Der Bodenaufbau entspreche nicht den Richtlinien für Rüttelbettbeläge. Dies hätte die Beklagte zu 1 im Rahmen der von ihr geschuldeten Bauüberwachung feststellen und verhindern müssen. Der Mangel könne nur durch Erneuerung des Fußbodenaufbaus ab Oberkante Bodenplatte beseitigt werden. Vor diesem Hintergrund begehrt die Klägerin Ersatz bereits eingetretener Schäden in Höhe von 23.746,47 € nebst Zinsen, Schadensersatz für die - noch nicht durchgeführte - Mängelbeseitigung in Höhe von 346.818,07 € nebst Zinsen, Schadensersatz wegen vorgerichtlicher Aufwendungen in Höhe von 9.899,76 € nebst Zinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtliche weitere Schäden zu ersetzen.

4Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beklagten hat der Senat unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde - auch soweit sie sich gegen die Verneinung eines Mitverschuldens gerichtet hat - die Revision insoweit zugelassen als die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 346.818,07 € nebst Zinsen und weiterer 9.899,76 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist, wobei die Zulassung auf die Anspruchshöhe beschränkt worden ist. Im Umfang der Zulassung begehren die Beklagten die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage.

Gründe

5Die Revision der Beklagten führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem und bis zum geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.

I.

7Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:

8Die Beklagte zu 1 sei ihrer Pflicht zur Bauüberwachung nicht im geschuldeten Maß nachgekommen. Wer vertraglich die Bauaufsicht übernehme, habe schon während der Ausführung dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet werde. Er müsse die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen. Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufwiesen, sei er zu erhöhter Aufmerksamkeit und einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Das gelte im besonderen Maße, wenn das Bauwerk nicht nach einer eigenen Planung des Auftragnehmers, sondern gemäß den Vorgaben eines Dritten ausgeführt werde. Soweit der bauaufsichtsführende Architekt die Eignung der verwendeten Materialien nicht sicher beurteilen könne, bestehe gegebenenfalls auch Anlass zu einer Materialprüfung. Diesen Anforderungen sei die Beklagte zu 1 schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht nachgekommen. Ihr hätte auffallen müssen, dass mit dem verwendeten Material die geforderte Belastbarkeit des Bodens nicht hätte hergestellt werden können. Zudem sei die Beklagte zu 1 verpflichtet gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass am Tag der Übergabe des Nachbarschaftsladens die Zeit noch nicht verstrichen gewesen sei, die für eine vollständige Belastbarkeit des Estrichs erforderlich gewesen wäre.

9Hinsichtlich der Schadenshöhe brauche sich die Klägerin nicht darauf verweisen zu lassen, die Böden nur in den Bereichen auszubessern, in denen der Sachverständige seine Stichproben durchgeführt habe. Es bestehe kein Anlass zu der Annahme, dass gerade nur an diesen Stellen zufällig Mängel vorliegen würden. Die Klägerin könne deshalb vollständig die vom Sachverständigen festgestellten Kosten für eine noch vorzunehmende Sanierung des gesamten Bodenbelags als Schadensersatz verlangen.

II.

10Das hält der rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

111. Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision und der Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass der Klägerin gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Bauüberwachung zusteht, weil diese dazu geführt hat, dass der Bodenbelag nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht.

122. Keinen Bestand hat indes die Feststellung der Höhe dieses Anspruchs.

13Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Klägerin durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen Mängelbeseitigungskosten betreffend den Bodenbelag des Bauwerks bemessen. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk ausscheidet (vgl. Rn. 60-67, BGHZ 218, 1; Urteil vom - VII ZR 100/16 Rn. 15, BauR 2019, 536 = NZBau 2019, 100). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb ein Schaden der Klägerin in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe nicht festgestellt werden.

143. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel des Bodenbelags neu festzustellen und zu berechnen. Hierzu muss der Klägerin zunächst Gelegenheit gegeben werden, ihren Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern (vgl. Rn. 62-67, BGHZ 218, 1). Sodann wird das Berufungsgericht nach Anhörung der Parteien Feststellungen zur Schadenshöhe neu zu treffen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:211119UVIIZR278.17.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2020 S. 404 Nr. 7
CAAAH-40838