BGH Beschluss v. - 4 StR 318/19

Strafurteil des Tatgerichts: Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse molekulargenetischer Vergleichsgutachten

Gesetze: § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Detmold Az: 21 KLs 34/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

21. Das Urteil hält wegen eines durchgreifenden Darstellungsmangels in der Beweiswürdigung der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

3a) Das Landgericht hat sich auf Grund einer Vielzahl von Beweiszeichen von der Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestritten hat, überzeugt. Es hat den Angeklagten unter anderem deshalb als überführt angesehen, weil von der Polizei am Tatfahrzeug, nämlich an der Außenseite der Beifahrertür und am Türgriff innen, sichergestellte DNA-Spuren eindeutig dem Angeklagten zuzuordnen seien. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich jeweils die Mehrheit der in den beiden Spuren befindlichen Zellen nach dem Abgleich in der DNA-Analyse-Datenbank mit erhöhter Signalstärke dem Angeklagten zuordnen ließen. Das ermittelte DNA-Muster habe exakt dem des Angeklagten entsprochen. In beiden Spuren deute sich zwar zudem eine fragmentarische Beimengung weiterer Zellen an; diese seien aber nur von minimaler Intensität gewesen. Nach der biostatistischen Bewertung des beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen tätigen Gutachters bestünden keine berechtigten Zweifel daran, dass die in den Spuren dominierend nachgewiesenen DNA-Merkmale von dem Angeklagten stammten.

4b) Dies genügt den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung nicht. Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 79/19, Rn. 5; vom - 1 StR 564/18, Rn. 7; vom - 4 StR 410/18, NStZ 2019, 294; jeweils mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zu Grunde, wie dies etwa bei daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 410/18, NStZ 2019, 294; vom - 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).

5Für molekulargenetische Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuchlichen Verfahren lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen (, NJW 2018, 3192, 3193). Bei Mischspuren, d.h. solchen Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), ist jedoch in den Urteilsgründen weiterhin mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 79/19, Rn. 6; vom - 1 StR 564/18, Rn. 8 f.; vom - 1 StR 499/18, NStZ 2019, 427, 428; jeweils mwN). Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten. Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 79/19, Rn. 6; vom - 2 StR 572/16, Rn. 13; jeweils mwN; Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447).

6Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Den Ausführungen der Strafkammer, dass sich in beiden Spuren jeweils eine fragmentarische Beimengung weiterer Zellen von minimaler Intensität andeute, ist zu entnehmen, dass es sich bei beiden Spuren um Mischspuren mit eindeutigem Hauptverursacher handelt. Die Zahl der möglichen Spurenverursacher sowie die dem Begriff „minimale Intensität“ zu Grunde liegenden Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus dem Urteil allerdings nicht. Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen Darstellung der untersuchten Systeme und den sich ergebenden Übereinstimmungen. Dem Urteil sind auch die Ergebnisse der biostatistischen Berechnung nicht zu entnehmen.

7c) Da das Landgericht dem Umstand, dass am Tatfahrzeug DNA-Spuren des Angeklagten aufgefunden wurden, bei der Gesamtschau aller Indizien besonderes Gewicht beigemessen hat, kann der Senat das Beruhen des Urteils auf diesem Darstellungsmangel nicht ausschließen.

82. Für die neue Hauptverhandlung merkt der Senat an:

9Im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Hinblick auf die Frage, ob der Angeklagte im Tatzeitpunkt unter laufender Bewährung stand, Feststellungen zur Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Osnabrück vom und zur Dauer der Bewährungszeit zu treffen haben. Auf den Zeitpunkt des Straferlasses nach § 56g StGB kommt es insoweit nicht an.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:201119B4STR318.19.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 10 Nr. 3
NJW 2020 S. 350 Nr. 5
SAAAH-40717