Online-Nachricht - Freitag, 24.01.2020

Verfahrensrecht | Ablauf der Festsetzungsfrist nach Abschluss einer BP ohne Aufhebung des VdN (FG)

Die Festsetzungsfrist läuft nach einer Außenprüfung auch dann ab, wenn es das Finanzamt unterlässt, den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben, obwohl die Außenprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte und dies im Prüfungsbericht dokumentiert wurde (; Revision beim BFH - XI R 37/19).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, ist ein Bauunternehmen. Im Streitjahr 2012 hatte sie aufgrund der damaligen Verwaltungsauffassung die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bauleistungen einbehalten und abgeführt (Reverse-Charge). Die Umsatzsteuererklärung 2012 ging im Jahr 2013 beim beklagten FA ein und stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gleich. Eine im Jahr 2016 durchgeführte Außenprüfung führte in Bezug auf die Umsatzsteuer 2012 bis 2014 zu keinen Änderungen, was im Bericht vom auch vermerkt wurde. Der VdN blieb gleichwohl bestehen. Im Oktober 2018 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 zu mindern, weil die von ihr 2012 bezogenen Bauleistungen, die sie nicht zur Ausführung von eigenen Bauleistungen, sondern für sog. Bauträgerumsätze verwendet habe, nicht mehr als Reverse-Charge-Umsätze nach § 13b UStG zu behandeln seien. Das FA lehnte den Änderungsantrag ab. Der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung der bezahlten Umsatzsteuer sei bereits mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt.

Das FG bestätigte die Rechtsauffassung des FA und wies die Klage ab:

  • Die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO hat mit Ablauf des Kalenderjahres 2013 begonnen und mit Ablauf des Kalenderjahres 2017 geendet.

  • Verspäteter Änderungsantrag

    • Der Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO ist erst 2018 beim FA eingegangen und hat keine Ablaufhemmung mehr ausgelöst. Nur ein „vor Ablauf der Festsetzungsfrist“ gestellter Antrag führt dazu, dass die Festsetzungsfrist insoweit nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO).

  • Keine Ablaufhemmung wegen Außenprüfung

    • Der Ablauf der Festsetzungsfrist war auch nicht wegen der Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Danach läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, „bevor“ „nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 drei Monate verstrichen sind“. Nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO genügt es, wenn die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt, dass „dies dem Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird“.

    • Im Streitfall ist im Bericht über die Außenprüfung vom zur Umsatzsteuer jeweils ausgeführt „ohne Änderung“. Eine Mitteilung im Sinne des § 202 Abs. 1 S. 3 AO kann auch in einem diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweis im Prüfungsbericht liegen. Die Feststellung „ohne Änderung“ ist ein schriftlicher Hinweis nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO. Die Mitteilung ist eindeutig.

    • Dem Hinweis war zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Prüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat. Dies genügt, um das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung zu erfüllen. Die Mitteilung hat (lediglich) Dokumentations- und Protokollfunktion. Unbeachtlich ist, ob sie rechtmäßig ist. Daher kann dahin gestellt bleiben, ob die Außenprüfung unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu § 13b UStG mit der Mitteilung „keine Änderung“ hätte enden dürfen.

  • Keine Ablaufhemmung trotz unterlassener Aufhebung des VdN

    • Etwas anderes ergibt sich nicht dadurch, dass nach § 164 Abs. 3 S. 3 AO der VdN nach einer Außenprüfung aufzuheben „ist“, wenn sich keine Änderungen ergeben. Unterlässt das FA die Aufhebung des VdN, steht der Steuerbescheid weiterhin unter einem wirksamen VdN und kann nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden.

    • Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich nicht dafür entschieden, dass der VdN nach einer Außenprüfung entfällt, sondern der Finanzbehörde aufgegeben, diesen aufzuheben. Dies gilt auch, wenn nach einer Außenprüfung mitgeteilt wird, sie habe zu keiner Änderung geführt. Die nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 3 S. 3 AO („ist“) bestehende Verpflichtung zur Aufhebung des VdN, trotz bestehender Unsicherheiten über die Anwendung von § 13b UStG, mache den Bescheid über eine Aufhebung des VdN nicht zu einem „auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheid“ nach § 171 Abs. 4 AO mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist bis zu dessen Erlass gehemmt sei.

    • § 164 Abs. 3 S. 3 AO führt lediglich zu einem Anspruch des Steuerpflichtigen. Kommt das FA seiner Pflicht aus § 164 Abs. 3 S. 3 AO nicht nach, hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, die Aufhebung durch einen Rechtsbehelf durchzusetzen. Geschieht dies nicht, kann die Festsetzungsfrist ablaufen und der VdN entfallen (§ 164 Abs. 4 S. 1 AO).

    • Es sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Verfahrensfehler, die zu Rechtsverletzungen führen, gerügt werden müssen. In diesem Sinne sieht § 27 Abs. 19 UStG auch aus Gründen des Vertrauensschutzes vor, dass der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordern muss, die er in der Annahme entrichtet, Steuerschuldner zu sein. Hieran fehlt es für das Streitjahr vor Ablauf der Festsetzungsfrist.

Hinweis:

Gegen das Urteil wurde inzwischen Revision eingelegt (BFH - XI R 37/19).

Quelle: FG Baden-Württemberg Newsletter 1/2020 vom 23.1.2020 (ImA)

Fundstelle(n):
NWB MAAAH-40690