BAG Urteil v. - 9 AZR 98/19

Urlaub - Mitwirkungsobliegenheiten

Gesetze: § 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, Art 7 EGRL 88/2003, § 7 Abs 3 S 1 BUrlG, § 7 Abs 3 S 2 BUrlG, § 7 Abs 3 S 4 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 11 BUrlG

Instanzenzug: ArbG Magdeburg Az: 1 Ca 1412/15 HBS Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 5 Sa 77/16 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger verlangt vom Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2011 bis 2013 abzugelten.

2Der Beklagte, ein eingetragener Verein, betreibt einen Bürgersender. Der Kläger war beim Beklagten zuletzt auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom als Geschäftsführer/Leiter der Geschäftsstelle beschäftigt. Gemäß § 6 des Arbeitsvertrags hatte der Kläger Anspruch auf 34 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr. Mit Schreiben vom stellte der Beklagte den Kläger „einstweilen widerruflich“ frei.

3Der Arbeitsvertrag der Parteien sah eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum vor. Das Arbeitsgericht gab der Befristungskontrollklage des Klägers mit Urteil vom (- 1 Ca 3520/12 HBS -) statt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom (- 6 Sa 480/13 -) rechtskräftig zurückgewiesen. Im Verlauf des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Befristung bot der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom ein Prozessrechtsarbeitsverhältnis entsprechend den bisherigen Bedingungen an. Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom an und machte zugleich ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung wegen rückständiger Vergütung für die Monate Januar bis September 2013 geltend.

4Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, soweit für die Revision noch von Bedeutung, fünf Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2011 und 35 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2012 mit insgesamt 4.779,20 Euro brutto sowie 35 Arbeitstagen Urlaub aus dem Jahr 2013 mit 4.149,60 Euro brutto abzugelten. Seit dem steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber. Dies teilte er mit Schriftsatz vom im Verfahren (- 6 Sa 480/13 -) „zur Kenntnis des Gerichts“ mit. Mit einem im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsatz vom erklärte der Kläger, er lehne trotz seines Obsiegens im Befristungskontrollverfahren eine Weiterbeschäftigung beim Beklagten ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer vom Kläger erklärten ordentlichen Kündigung mit Ablauf des .

5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Urlaub aus den Jahren 2011 bis 2013 habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestanden, weil der Beklagte ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub verfalle, wenn er ihn nicht beantrage. Er sei zudem gehindert gewesen, den Urlaub zu nehmen, weil sich der Beklagte nach dem geweigert habe, ihn zu beschäftigen, und er am ein neues Arbeitsverhältnis angetreten habe.

6Der Kläger hat beantragt,

7Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers bestehe nicht, weil dessen Urlaub spätestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer des Vereins den Urlaub nicht von sich aus genommen habe.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zudem hat es den Beklagten zur Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzug für die Monate Januar bis Dezember 2013 verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig, soweit der Beklagte zu Zahlungen wegen Annahmeverzug verurteilt wurde. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein auf Urlaubsabgeltung gerichtetes Klagebegehren weiter.

Gründe

9Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaub im Umfang von 75 Arbeitstagen zustand, den der Beklagte mit einem Betrag iHv. 8.928,80 Euro brutto abzugelten hat. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

10I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei unbegründet, weil die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Kalenderjahren 2011 bis 2013 bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am verfallen seien. Soweit der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht „ausüben“ könne, verfalle der Urlaub zwar nicht am Ende des betreffenden Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums, spätestens aber 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Der Urlaub des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2013 sei deshalb spätestens am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verfallen.

11II. Diese Begründung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, der Urlaub des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2013 sei nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, wird von den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getragen. Dies folgt für den gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsanspruch des Klägers aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG.

121. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. im Einzelnen  - Rn. 21 ff.).

13a) Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich - auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt ( - Rn. 39 ff.). Zudem darf der Arbeitgeber, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub wahrzunehmen (vgl.  - [King] Rn. 39, 65;  - Rn. 40). Er darf ihn insbesondere nicht mit Umständen konfrontieren, die ihn davon abhalten könnten, seinen Jahresurlaub zu nehmen (vgl.  - [King] Rn. 37 ff. mwN; s. auch - C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 41 f.;  - Rn. 50; - 10 AZR 596/17 - Rn. 17).

14b) Infolge des Fehlens konkreter gesetzlicher Vorgaben ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, deren er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Es ist der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers davon abgehalten werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten hat der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil er hieraus eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet (vgl.  - Rn. 40).

15c) Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen (vgl.  - Rn. 52, BAGE 130, 119). Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt (vgl.  - Rn. 43).

16d) Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums ( - Rn. 44).

172. Die Grundsätze der Befristung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub des Klägers. Es ist insoweit von einem Gleichlauf auszugehen, weil die Parteien ihre Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs und die Voraussetzungen seiner Befristung nicht abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG geregelt haben. § 6 des Arbeitsvertrags bestimmt allein einen über den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) hinausgehenden Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers. Für einen Regelungswillen der Parteien, im Übrigen von den gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl.  - Rn. 51 f. mwN).

18III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

191. Die Mitwirkungsobliegenheiten des Beklagten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG entfielen nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Stellung des Klägers als „Geschäftsführer/Leiter der Geschäftsstelle“. Selbst wenn der Senat zugunsten des Beklagten unterstellt, der Kläger habe aufgrund der ihm vertraglich eingeräumten Befugnisse keinen Urlaubsantrag stellen müssen und sei berechtigt gewesen, Urlaub ohne vorherige Genehmigung durch den Beklagten zu nehmen, lag die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG beim Beklagten, der durch seinen Vorstand vertreten wird (§ 26 Abs. 1 BGB). Diesem oblag es, den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und ihn - erforderlichenfalls förmlich - aufzufordern, den Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht in Anspruch nehmen würde (vgl.  - Rn. 39 ff.).

202. Der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses, ließ die Mitwirkungsobliegenheiten des Beklagten nicht entfallen. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den hinaus stand der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Beklagten nicht entgegen. Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Befristung hatte lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Maßgeblich war allein die objektive Rechtslage (vgl. zur Entscheidung im Kündigungsschutzprozess  - Rn. 55).

213. Ebenso wenig entfielen die Mitwirkungsobliegenheiten des Beklagten aufgrund der Erklärungen des Klägers in den Schriftsätzen vom und vom . Entscheidend ist auch insoweit allein, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbestand. Das Landesarbeitsgericht hat ua. unter Bezugnahme auf Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG) angenommen, der Kläger habe das Arbeitsverhältnis mit den genannten Schriftsätzen nicht gekündigt; seine Erklärungen seien lediglich als Ablehnung einer weiteren Tätigkeit für den Beklagten zu verstehen gewesen. Diese Auslegung wird von den Parteien nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. zur Auslegung von Prozesserklärungen  - Rn. 15 mwN, BAGE 163, 282).

224. Die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber ab dem ließ die Mitwirkungsobliegenheiten des Beklagten bei der Verwirklichung der Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2013 nicht entfallen und stand deren Erfüllung nicht entgegen (vgl.  - Rn. 14 ff., BAGE 141, 27).

235. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts sind die Urlaubsansprüche des Klägers auch nicht unabhängig davon, ob der Beklagte ihn in die Lage versetzte, den Urlaub zu nehmen, 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres erloschen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, ob eine Befristung des Urlaubsanspruchs bei unterlassener Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten, zum Schutz eines überwiegenden Interesses des Arbeitgebers vor dem unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen, geboten sein kann (vgl.  - [King] Rn. 56 ff.; - C-214/10 - [KHS] Rn. 28, 38, 44;  - Rn. 15; - 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff., BAGE 142, 371). Vorliegend sind bereits keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, aufgrund deren ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Beklagten angenommen werden könnte.

246. Soweit der Beklagte erstmals in der Revision eingewandt hat, der Urlaubsanspruch des Klägers sei durch die Anordnung von Betriebsruhe im Sommer 2012 und zum Jahreswechsel 2012/2013 teilweise erfüllt worden, ist dies als neuer Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 559 Abs. 1 ZPO).

25IV. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht geprüft, ob der Beklagte durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Kläger in die Lage versetzt hat, den Urlaubsanspruch aus den Jahren 2011 bis 2013 tatsächlich wahrzunehmen. Es hat hierzu ebenso wie zum Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers und zur Höhe seines ggf. bestehenden Abgeltungsanspruchs keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:

261. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein offener Urlaubsanspruch besteht, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Ausgehend von § 6 des Arbeitsvertrags erwarb der Kläger jeweils zu Beginn der Jahre 2011 bis 2013 einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 34 Arbeitstagen, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch (§§ 1, 3, 4 BUrlG) einschloss. Der Kläger hat nicht dargetan, auf welcher Rechtsgrundlage ein Anspruch auf 35 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2012 und 2013 bestanden haben soll.

272. Im Hinblick auf den vom Beklagten in den Vorinstanzen erhobenen Einwand, die Urlaubsansprüche des Klägers seien durch dessen Freistellung mit Schreiben vom erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB), ist zu beachten, dass die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub eine vom Arbeitgeber im Voraus erklärte unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von einer sonst bestehenden Arbeitspflicht voraussetzt (vgl.  - Rn. 15 f.). Die Erklärung des Beklagten mit Schreiben vom , der Kläger werde „einstweilen widerruflich“ freigestellt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Für das Jahr 2013 ist der Beklagte zudem aufgrund der präjudiziellen Wirkung der Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 322 Abs. 1 ZPO), mit der er rechtskräftig verurteilt wurde, an den Kläger für die Monate Januar bis Dezember 2013 Vergütung wegen Annahmeverzug (§ 615 Satz 1 BGB) zu zahlen, mit dem Einwand ausgeschlossen, er habe dem Kläger im selben Zeitraum Urlaub gewährt (vgl. hierzu im Einzelnen  - Rn. 27 ff.).

283. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob der Urlaubsanspruch des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2013 nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob der Beklagte seinen bei richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch die Berufung auf die Wirksamkeit der Befristung das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den hinaus in Abrede stellte. Es bedurfte deshalb zur Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten einer Erklärung des Beklagten, er sei trotz des Streits über die Wirksamkeit der Befristung bereit, dem Kläger nach dem durch eine Freistellung und die Zahlung der Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs oder eine ihn bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (vgl.  - Rn. 18, BAGE 150, 355; - 2 AZR 449/15 - Rn. 68). Zusätzlich wäre ein Hinweis auf die Befristung des Urlaubsanspruchs und den bei Fehlen eines Urlaubsverlangens mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums eintretenden Verfall erforderlich gewesen (vgl.  - Rn. 51).

294. Sollte der Urlaubsanspruch des Klägers nicht verfallen sein, hat das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren die Höhe des ggf. bestehenden Abgeltungsanspruchs festzustellen. Der Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist entsprechend § 11 BUrlG zu berechnen (vgl. ErfK/Gallner 20. Aufl. BUrlG § 7 Rn. 73; HWK/Schinz 8. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 112). Die Parteien haben für die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs keine von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes abweichenden Vereinbarungen getroffen, so dass von einem Gleichlauf auszugehen ist. Ausgehend von dem in § 11 BUrlG geregelten Referenzprinzip (vgl.  - Rn. 16 mwN, BAGE 135, 301) ist als Geldfaktor für die Ermittlung der Höhe des Anspruchs - entgegen der Berechnung des Klägers - nicht auf seinen Durchschnittsverdienst in den letzten drei Abrechnungsmonaten abzustellen, sondern auf den durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Kläger in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses - unter Außerachtlassung anderweitigen Verdienstes (vgl.  - zu I 3 b aa der Gründe) - beanspruchen konnte (vgl.  - Rn. 13; zur Bemessung des gewöhnlichen Arbeitsentgelts vgl.  - Rn. 19 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:221019.U.9AZR98.19.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 372 Nr. 7
BB 2020 S. 829 Nr. 14
NJW 2020 S. 705 Nr. 10
BAAAH-40205