Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) bei Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten
Leitsatz
1. NV: Die Zwischenschaltung einer nahe stehenden Person im Rahmen von Grundstücksaktivitäten des Steuerpflichtigen kann im Falle der beabsichtigten Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels nach der Rechtsprechung des BFH einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO begründen.
2. NV: Die von dem erwerbenden Ehegatten selbst durch die Erschließung ins Werk gesetzte Wertsteigerung der Grundstücke steht einer abweichenden steuerrechtlichen Zurechnung der Einkunftsquelle grundsätzlich entgegen.
Gesetze: AO § 42 Abs. 1 und 2; EStG § 2 Abs. 1 Satz 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5 und 6; EStG § 6b; EStG § 6c; EStG § 15 Abs. 1 und 2; GewStG § 2 Abs. 1;
Instanzenzug: , ,
Tatbestand
I.
1 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 2006 bis 2010 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie betreiben in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in B einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Kläger überließ der GbR mehrere Grundstücke zur Nutzung.
2 Bereits im Jahr 1996 hatte die Gemeinde B für Teile dieser Grundstücke einen Bebauungsplan aufgestellt. Kurze Zeit später schloss der Kläger mit der Gemeinde B einen städtebaulichen Vertrag, der eine Grundstückserschließung auf seine Kosten vorsah. Die Erschließung blieb zunächst aus, so dass die GbR die Grundstücke weiterhin landwirtschaftlich nutzte.
3 Mitte des Jahres 2006 wurden die Kläger nach eigenen Angaben bei der Gemeinde B vorstellig, um den Beginn der Erschließung voranzutreiben. Zum Zwecke der Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels in eigener Person beabsichtigte der Kläger zunächst, die beiden betroffenen Grundstücke an eine von ihm beherrschte —eigens hierfür gegründete— Personengesellschaft zu veräußern, die dann die Aufgabe übernehmen sollte, die Grundstücke zu erschließen, zu parzellieren und zu verkaufen. Er vertrat die Ansicht, durch die Veräußerung an die Personengesellschaft könne der hieraus im Sonderbetriebsvermögen der GbR entstehende Gewinn durch eine Rücklage nach §§ 6b, 6c des Einkommensteuergesetzes (EStG) kompensiert werden. Seinen hierauf gerichteten Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft beschied der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) am negativ. Ein gewerblicher Grundstückshandel einer Personengesellschaft schlage —so das FA— steuerlich auf die Ebene des Gesellschafters durch. Der Grundbesitz sei Umlaufvermögen, so dass eine Reinvestitionsrücklage nicht gebildet werden könne.
4 In Anbetracht dessen änderte der Kläger sein Vorhaben und verkaufte mit notariellem Vertrag vom die Grundstücke an die Klägerin, die nunmehr die Grundstücke baureif machen und parzelliert weiterverkaufen sollte. Der Kaufpreis von ... € wurde zwar sofort fällig gestellt, allerdings dergestalt gestundet, dass er erst ab dem Verkauf des sechsten Bauplatzes in Höhe des jeweils erzielten Erlöses bis Ende des Jahres 2011 ratierlich zu erbringen war. Verzinsungsabreden bestanden nicht, ebenso wenig sollte eine bei Zahlungsverzug bestehende Verzinsungsmöglichkeit vereinbart werden. Sicherheiten hatte die Klägerin nicht zu stellen.
5 Ende Oktober 2006 schloss die Klägerin mit der Gemeinde B einen Erschließungsvertrag ab. Die Erschließung wurde durch ein Ingenieur- und Architektenbüro koordiniert. Zur Finanzierung der von der Klägerin zu tragenden Erschließungskosten nahm sie im November 2006 zwei Darlehen über ... € auf, deren Rückzahlung durch eine Grundschuld auf im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücken gesichert wurde. Nach Abschluss der Erschließungsarbeiten veräußerte die Klägerin bis ins Jahr 2012 hinein sukzessive die parzellierten Baugrundstücke. Die Kaufpreiszahlungen an den Kläger nahm die Klägerin —nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen— ab August 2007 auf.
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Für die Streitjahre erklärten die Kläger aus dem der Klägerin zugerechneten Gewerbebetrieb „Baulandvermarktung“ folgende Einkünfte: | ||
2006 | ... € | |
2007 | ... € | |
2008 | ... € | |
2009 | ... € | |
2010 | ... € |
7 Für die Jahre 2006 und 2007 erließ das FA zunächst erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide.
8 Nach einer für die Jahre 2006 und 2007 durchgeführten Außenprüfung erkannte das FA den Grundstückskaufvertrag steuerrechtlich nicht an, da die Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht standhielten. Die Einkünfte aus der Baulandvermarktung seien dem Kläger zuzurechnen. Die Klägerin sei nach dem Gesamtplan beider Ehegatten nur zum Zwecke der Inanspruchnahme des Wahlrechts auf Bildung einer Reinvestitionsrücklage „zwischengeschaltet“ worden. Hierdurch seien rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 der Abgabenordnung (AO) missbraucht worden.
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Demzufolge erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007 sowie erstmalige Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010, in denen es dem Kläger Einkünfte aus der Baulandvermarktung wie folgt zurechnete: | ||
2006 | ... € | |
2007 | ... € | |
2008 | ... € | |
2009 | ... € | |
2010 | ... € |
10 Ferner setzte das FA gegenüber dem Kläger dementsprechende Gewerbesteuermessbeträge u.a. für die Jahre 2008 bis 2010 fest.
11 Nach jeweils erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die gegen die Einkommensteuer- (6 K 11029/14, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2018, 221) und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen (6 K 11031/14) getrennt geführten Klagen ab. Auch das FG hielt die Gestaltung für rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 AO. Für das von den Klägern erstrebte wirtschaftliche Ziel einer gewinnträchtigen Baulandvermarktung, auf die der Kläger nicht habe verzichten wollen, sei ein ungewöhnlicher Weg gewählt worden, der allein der Steuerminderung habe dienen sollen. Die Klägerin sei hierfür als nahe Angehörige „zwischengeschaltet“ worden.
12 Zur Begründung ihrer Revisionen wenden sich die Kläger gegen die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung sowie der hieraus abgeleiteten Zurechnung des Gewerbebetriebs beim Kläger. Es sei die Klägerin gewesen, die den Gewerbebetrieb „Baulandvermarktung“ auf eigene Rechnung und Gefahr geführt habe. Weder habe das FG festgestellt noch das FA behauptet, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die Erträge aus dem Gewerbebetrieb an den Kläger abzuführen bzw. dies freiwillig getan habe.
13 Die Gestaltung begründe keine Steuerumgehung, da der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, die Erwerbschance einer Baulandvermarktung selbst wahrzunehmen. Selbst ein familiäres Motiv für die Übertragung dieser Chance sei unschädlich.
14 Die Klägerin sei weder „zwischengeschaltet“ worden noch habe sie sich als „funktionslos“ erwiesen. Erst mit Abschluss des Erschließungsvertrags Ende Oktober 2006 sei der Gewerbebetrieb begründet worden. Diesen Betrieb habe die Klägerin von Anfang bis Ende allein geführt.
15 Selbst wenn —was allerdings nicht zutreffe— der Grundstückskaufvertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, bedeutete dies nicht, dass der Gewerbebetrieb dem Kläger zuzurechnen gewesen sei. Das Grundstück sei zivilrechtlich und wirtschaftlich auf die Klägerin übertragen worden. Eine Steuerumgehung könne allenfalls dann vorliegen, wenn —anders als im Streitfall— die Gestaltung die Existenz eines Gewerbebetriebs hätte verhindern sollen.
16 Auch die Besicherung der Erschließungskosten-Darlehen durch Grundschuldbestellungen des Klägers rechtfertige keine abweichende Zurechnung von Einkünften.
17 Die gewählte Gestaltung führe nicht zu einem ungerechtfertigten Steuervorteil. Vielmehr sei die vom Kläger erstrebte Möglichkeit, seinen im Sonderbetriebsvermögen bei der GbR zu berücksichtigenden Gewinn durch eine Reinvestitionsrücklage zu kompensieren, vom Sinn und Zweck des § 6b EStG erfasst. Die aufgedeckten stillen Reserven seien durch eine jahrzehntelange Zugehörigkeit der Grundstücke zu einem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entstanden.
18 Wenn nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch so entstehe, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre, bedeute dies im Streitfall allenfalls, dass der vom FG und FA beanstandete Grundstückskaufvertrag fremdüblich auszugestalten gewesen wäre. Eine Zurechnung der Einkunftsquelle „Baulandvermarktung“ auf den Kläger wäre hiermit hingegen nicht verbunden.
19 Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil 6 K 11029/14 und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007 vom und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus gewerblichem Grundstückshandel in erklärter Höhe der Klägerin zugerechnet werden.
20 Der Kläger beantragt zudem,
das angefochtene Urteil 6 K 11031/14, die Einspruchsentscheidung vom sowie die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom aufzuheben.
21 Das FA beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Gründe
II.
22 Die Revisionen X R 21/17 und X R 22/17 werden gemäß § 121 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
III.
23 Die Revisionen sind begründet. Die angefochtenen Urteile werden aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
24 1. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um dessen Würdigung zu stützen, die von den Klägern gewählte Gestaltung sei als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO anzusehen.
25 a) Die persönliche Zurechnung von Einkünften richtet sich danach, welche Person sie i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG „erzielt“ hat. Dies ist diejenige Person, die die Leistung bewirkt, durch die der Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß §§ 13 ff. EStG verwirklicht wird (vgl. ausführlich Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rz 100 ff., 125 ff., m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl., § 2 Rz 19). Einkünfte sind steuerrechtlich nicht zwangsläufig derjenigen Person zuzurechnen, die im Außenverhältnis diejenigen Rechtsgeschäfte abschließt, an die die Besteuerung anknüpft. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Rechnung und Gefahr die Tatbestandsverwirklichung erfolgt (, BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, unter II.2.b aa, m.w.N.).
26 Speziell bei betrieblichen Einkunftsarten sind die Einkünfte dem Unternehmer zuzurechnen, d.h. demjenigen, der Unternehmerinitiative entfaltet und das Unternehmerrisiko trägt. Das ist derjenige, nach dessen Willen und auf dessen Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in seinem Vermögen unmittelbar niederschlägt (BFH-Entscheidungen vom - III R 21/02, BFHE 207, 321, BStBl II 2005, 168, unter II.1., sowie vom - X B 106/09, BFH/NV 2010, 601; Schmidt/Wacker, EStG, 38. Aufl., § 15 Rz 136). Dieselben Erwägungen gelten für die Gewerbesteuer, da Steuerschuldner derjenige Unternehmer ist, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes —GewStG—).
27 b) Wird eine Einkunftsquelle auf einen anderen —dem Übertragenden regelmäßig nahe stehenden— Rechtsträger übertragen, kann dies dazu führen, dass die Einkünfte trotz zivilrechtlicher Wirksamkeit der Übertragung unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin dem übertragenden Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Übertragung als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO erweist.
28 aa) Ein solcher Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom (BGBl I 2007, 3150) —erstmals anwendbar für nach dem beginnende Kalenderjahre (Art. 97 § 7 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung)— vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt; dies ist allerdings nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO).
29 Für vorherige Besteuerungszeiträume fehlte in § 42 AO a.F. zwar eine gesetzliche Definition des Gestaltungsmissbrauchs. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wurde —nahezu im Einklang mit der jetzigen Gesetzeslage— ein solcher aber angenommen, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die mit Blick auf das erstrebte Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Hierbei macht allein das Motiv, Steuern zu sparen, eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Diese Schwelle wird erst dann überschritten, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (vgl. statt vieler , BFHE 257, 211, BStBl II 2017, 930, Rz 17, sowie vom - IX R 5/15, BFHE 262, 135, BStBl II 2019, 194, Rz 28).
30 Aus einem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten folgt grundsätzlich ein Steueranspruch, der eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene rechtliche Gestaltung abbildet (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO bzw. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO a.F.).
31 bb) Wann eine den Gestaltungsmissbrauch kennzeichnende „unangemessene rechtliche Gestaltung“ vorliegt, entzieht sich einer allgemeinen Definition und lässt sich nur durch Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall feststellen (, BFH/NV 2019, 542, Rz 19, m.w.N.). Insofern können lediglich bedeutsame Indizien benannt werden, bei deren Vorliegen ein solcher Missbrauch zumindest nahe liegt (BFH-Urteil in BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, unter II.2.d aa, m.w.N.).
32 cc) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bei einer Zwischenschaltung Dritter in Grundstücksaktivitäten eines Steuerpflichtigen Fallgruppen aufgezeigt, in denen ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nahe liegt. Sämtliche Fallgruppen sind dadurch gekennzeichnet, dass durch eine —wirtschaftlich sinnlose— Zwischenschaltung steuerpflichtige Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel vermieden werden, d.h. die Gewinne aus der Wertschöpfung des Grundbesitzes in der nicht steuerbaren Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen vereinnahmt werden sollen.
33 (1) So hält der BFH bei einer grundsätzlich der Annahme nachhaltiger Betätigung i.S. von § 15 Abs. 2 EStG entgegenstehenden „en-bloc-Veräußerung“ mehrerer Grundstücke an eine Personengesellschaft, die sodann die Grundstücke einzeln weiter veräußert, einen Gestaltungsmissbrauch für nahe liegend, wenn die Mittel der Gesellschaft für den Kaufpreis ganz oder zu einem erheblichen Teil vom Veräußerer selbst stammen oder wenn die Gesellschaft die Kaufpreiszahlung im Wesentlichen erst aus den Weiterveräußerungserlösen erbringen kann. Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft nur zum Zwecke des Kaufs oder Weiterverkaufs gegründet worden ist und einen so hohen Kaufpreis zu zahlen hat, dass von vornherein nur ein Verlust oder ein nur unerheblicher Gewinn aus der Weiterveräußerung zu erwarten war, die Gesellschaft somit keine wirtschaftlich vernünftige Funktion inne hat. Besteht die Gesellschaft hierbei ausschließlich aus Personen, die dem Veräußerer nahe stehen, sei —so der BFH— zu vermuten, dass diese ausschließlich zum Zweck der Steuerersparnis zwischengeschaltet wurde (grundlegend Urteil vom - III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, unter 2.; ebenso BFH-Entscheidungen vom - IV R 28/92, BFH/NV 1993, 728, unter 2., sowie vom - III B 35/97, BFH/NV 2001, 138, unter 1.b).
34 (2) Aus den nämlichen Gründen soll auch die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsanteile der Veräußerer und/oder diesem nahe stehende Personen halten, einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten begründen können (BFH-Entscheidungen vom - VIII B 50/95, BFH/NV 1996, 746; vom - X R 1/96, BFHE 185, 242, BStBl II 1998, 346, unter II.8.; vom - III B 9/98, BFHE 186, 236, BStBl II 1998, 721, unter II.4.e bb; in BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, unter II.2.c sowie II.4.a; ähnlich Senatsurteil vom - X R 68/95, BFHE 186, 288, BStBl II 1998, 667, unter II.3.b und c sowie II.5.: „Durchgriff auf die Gesellschaft aufgrund Tatbestandserfüllung durch 'mittelbare Tatherrschaft'“). Anderes gilt wiederum, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft nicht funktionslos ist, sondern selbst eine wesentliche —wertschöpfende— Tätigkeit ausübt (, BFHE 228, 509, BStBl II 2010, 622, unter II.3.d cc).
35 (3) Wird, wie vorliegend, eine nahe stehende natürliche Person in die Grundstücksaktivitäten des Steuerpflichtigen einbezogen, sollen —wenn für die Gestaltung keine außersteuerlichen Gründe erkennbar sind— die Veräußerungen durch diese nahe stehende Person dem Steuerpflichtigen über § 42 AO zugerechnet werden können, wenn aufgrund einer Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse der Steuerpflichtige „das Geschehen beherrscht und steuert“ (u.a. Senatsurteil vom - X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817, unter B.II.2.c) bzw. die Zwischenschaltung wirtschaftlich sinnlos ist (, BFH/NV 1999, 146, unter 1.b cc [entgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einer Grundstücks-GbR auf den Ehepartner, wenn zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung bereits ein Erwerber des sodann veräußerten Grundbesitzes gefunden war]).
36 (4) Im Ergebnis gleich, allerdings dogmatisch abweichend, hat der erkennende Senat entschieden, dass bei der Zwischenschaltung einer nahe stehenden Person, die keinen eigenen unternehmerischen Erfolgsbeitrag beisteuert, sondern der lediglich eine bereits ausgehandelte („unterschriftsreife“) Geschäftschance übertragen wird, dem Übertragenden auch ohne Rückgriff auf § 42 AO die Einkünfte zugerechnet werden können. Begründet wurde dieser „Durchgriff“ damit, dass der Steuerpflichtige in diesem Teil kraft „mittelbarer Tatherrschaft“ wesentliche Teile des steuerbaren Handlungstatbestands selbst verwirkliche und ihm deshalb auch der steuerliche Handlungserfolg zuzurechnen sei (BFH-Urteil in BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817, unter B.II.2.d bis f).
37 dd) Die Würdigung, ob eine Gestaltung als rechtlich missbräuchlich i.S. von § 42 AO anzusehen ist, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Verstößt sie weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze, ist sie also zumindest möglich, ist der BFH als Revisionsgericht daran gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden (vgl. , BFH/NV 2013, 1094, Rz 18).
38 c) Nach Maßgabe der aufgezeigten Rechtsgrundsätze tragen die Feststellungen des FG nicht dessen Würdigung, die Übertragung der Grundstücke sowie die hiermit der Klägerin verschaffte Möglichkeit, diese nach Erschließung und Parzellierung gewinnbringend an Dritte zu veräußern, stelle eine missbräuchliche Gestaltung gemäß § 42 AO dar. Die Würdigung ist rechtsfehlerhaft und kann den Senat nicht nach § 118 Abs. 2 FGO binden. Aufgrund dessen ist das Urteil aufzuheben.
39 aa) Die Vorinstanz hat im Ausgangspunkt unberücksichtigt gelassen, dass der Wertschöpfungsprozess im Streitfall —anders als in den aufgezeigten Konstellationen einer Zwischenschaltung— zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin im Oktober 2006 noch nicht abgeschlossen war. Erst durch deren Erschließung entwickelten sich die Grundstücke vom Rohbauland zu baureifem Land; erst hierdurch wurden Objekte anderer Marktgängigkeit geschaffen, die einen gewerblichen Grundstückshandel begründen könnten (vgl. insoweit , BFHE 211, 195, BStBl II 2006, 166, unter 1.a, m.w.N.).
40 bb) Demzufolge ist die Wertung des FG, die Klägerin habe „keine wirtschaftliche Funktion“ erfüllt, auf Grundlage der Feststellungen nicht nachvollziehbar. Denn nach der zivilrechtlichen Vertragslage war es die Klägerin, die mit der Gemeinde B die Erschließung auf eigene Kosten vereinbarte, ein Ingenieurbüro sowie Bauunternehmen mit den Erschließungsarbeiten beauftragte und sodann die parzellierten Baugrundstücke an Dritte veräußerte. Ebenso war sie es, die nach den Feststellungen des FG die prognostizierten Erschließungskosten zunächst fremdfinanzierte. Jedenfalls nach Maßgabe der Vertragslage wurde der Klägerin somit keine bereits fertig ausgehandelte, sondern erst eine von ihr selbst umzusetzende Erwerbschance übertragen.
41 cc) Wenn das FG anführt, der Kläger habe auf die Wertschöpfung aus der Baulandvermarktung nicht verzichten wollen, ist dies ebenfalls nicht durch hinreichende Feststellungen gedeckt. Insbesondere hat es im Hinblick auf seine Würdigung des Geschehens als Gestaltungsmissbrauch nicht festgestellt, dass trotz der Grundstücksübertragung nur der Kläger den Erschließungs- und Wertsteigerungsprozess beherrscht und gesteuert habe. Hierzu genügt weder, dass auch der Kläger einzelne Termine für Baustellenbesichtigungen und Abnahmen wahrgenommen hat, noch dessen ursprüngliches Vorhaben, die Grundstücke selbst zu erschließen bzw. an eine von ihm beherrschte Personengesellschaft zu veräußern. Eine —wenn auch steuerlich motivierte und kurzfristige— Änderung der Gestaltung lässt eine solche Wertung grundsätzlich nicht zu.
42 Unerheblich ist zudem, dass die Erschließungskosten-Darlehen durch Grundschuldbestellungen des Klägers besichert wurden. Fehlendes Unternehmerrisiko der Klägerin kann hieraus wegen möglicher Rückgriffsansprüche des Klägers (vgl. § 1143 Abs. 1 i.V.m. § 1192 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) jedenfalls nicht abgeleitet werden.
43 dd) Soweit das FG eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Gestaltung zudem maßgeblich darauf stützt, dass der Grundstückskaufvertrag vom infolge der dort vereinbarten Stundung der Kaufpreiszahlung bis zum Verkauf des sechsten Bauplatzes und der fehlenden Besicherung der Kaufpreiszahlungsverpflichtung nicht fremdüblich ausgestaltet gewesen sei, verkennt es, dass zwischen der Übertragung der Grundstücke und deren anschließender wertsteigernder Nutzung als Einkunftsquelle zu differenzieren ist. Ein —vermeintlich— nicht dem Fremdvergleich standhaltender Kaufvertrag über ein Wirtschaftsgut lässt somit grundsätzlich keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Verwendung dieses Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung über die Grundsätze von § 42 AO weiterhin dem vorherigen Rechtsträger zuzurechnen ist.
44 2. Ob die Gewinne aus der Baulandvermarktung —wie vom FA angenommen— einkommen- und gewerbesteuerlich trotz zivilrechtlich wirksamer Übertragung der Grundstücke dem Kläger zuzurechnen sind, muss daher in einem zweiten Rechtsgang erneut entschieden werden.
45 a) Hierbei ist zunächst durch eine weitere Sachaufklärung —insbesondere durch eine persönliche Anhörung beider Kläger und ggf. durch eine Beweisaufnahme— festzustellen, ob sich die Tätigkeit des Klägers im Wesentlichen in der Übertragung der beiden Grundstücke auf die Klägerin erschöpfte oder ob er darüber hinaus die Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Erschließung, Parzellierung und Veräußerung der einzelnen Baugrundstücke sowohl im Außenverhältnis zu den jeweiligen Vertragspartnern als auch im Innenverhältnis zur Klägerin derart intensiv steuerte und verantwortete, dass abweichend von der zivilrechtlichen Vertragslage der Gewerbebetrieb „Baulandvermarktung“ steuerrechtlich nur ihm zugerechnet werden kann. In letztgenanntem Fall wären die angefochtenen Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide rechtmäßig.
46 b) Sollten die vom FG nachzuholenden Feststellungen dagegen ergeben, dass die Klägerin die Baulandvermarktung eigenverantwortlich betrieb, bestünde für eine von der zivilrechtlichen Vertragslage abweichende steuerrechtliche Zuordnung dieser Einkunftsquelle über § 42 AO kein Raum. Insbesondere wäre unerheblich, dass die vorliegende Gestaltung —unstreitig— dadurch motiviert war, den Gewinn aus der Veräußerung der noch unerschlossenen Grundstücke einer Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG zuführen zu können. Insofern ergäbe sich hinsichtlich der Zurechnung der Einkunftsquelle vom Grundsatz nichts anderes, als hätte der Kläger sein Rohbauland im Wege eines landwirtschaftlichen Hilfsgeschäfts an einen fremden Investor veräußert, der sodann die werterhöhenden Maßnahmen auf eigene Initiative und eigenes Risiko durchgeführt hätte (vgl. hierzu , BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359).
47 c) Hiervon deutlich zu trennen ist die ebenfalls entscheidungserhebliche Frage, ob der am geschlossene Grundstückskaufvertrag steuerrechtlich anzuerkennen ist. Insoweit wird das FG —für den Fall der Zurechnung der Einkunftsquelle bei der Klägerin— erneut zu würdigen haben, ob die Vereinbarungen zwischen den Eheleuten einem Fremdvergleich standhalten (vgl. zu den Anforderungen hierzu allgemein Senatsurteil vom - X R 44-45/17, BFHE 263, 11, BStBl II 2019, 203, Rz 18 f., m.w.N.). In den Gesamtabwägungsprozess dürften hierbei nicht nur die bereits vom FG angeführte Stundung der Kaufpreisschuld sowie deren fehlende Besicherung (vgl. zur Bedeutung fehlender Besicherung von [Darlehens-]Verbindlichkeiten bei Angehörigenverträgen , BFH/NV 2009, 12, unter II.2.a, sowie Senatsurteil vom - X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374, Rz 54), sondern ebenso die fehlende Verzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit einzubeziehen sein. Andererseits könnte zu prüfen sein, inwiefern sich die fehlende Besicherung und Verzinsung in der Höhe des vereinbarten Kaufpreises niedergeschlagen haben könnten.
48 Sollte die Würdigung des FG dazu führen, dass der Kaufvertrag fremdunüblich ausgestaltet wäre, könnte dieser der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden (vgl. , BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243, unter II.2.b). Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Klägerin mangels Anschaffungsvorgangs keine Anschaffungskosten in Abzug bringen könnte (vgl. für den Fall eines nicht fremdüblichen Kaufvertrags über ein vermietetes Grundstück des Privatvermögens , EFG 2011, 525 [keine Absetzungen für Abnutzung]; vgl. auch Kiesow, Deutsches Steuerrecht 2013, 2252, 2256). Vielmehr wären die Grundstücke zum Teilwert in ihr Betriebsvermögen eingelegt worden (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 5 Satz 1 EStG), so dass das FG den Teilwert der beiden Grundstücke zum Übertragungsstichtag am festzustellen hätte.
49 d) Schließlich hält es der Senat mit Blick auf die Chronologie der Abläufe nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass die vom Kläger im Laufe des Jahres 2006 in Gang gesetzten grundstücksbezogenen Aktivitäten für ihn selbst den Beginn eines gewerblichen Grundstückshandels ausgelöst haben könnten. Insofern dürfte —was vom FG festzustellen wäre— insbesondere bedeutsam sein, welche Aktivitäten der Kläger im Jahr 2006 im Hinblick auf die bereits im Jahr 1996 vertraglich vereinbarte Erschließung gegenüber der Gemeinde B entfaltet hat und inwiefern sowohl der Ende Oktober 2006 mit der Gemeinde B geschlossene Erschließungsvertrag als auch die kurze Zeit später erfolgte Vergabe der Erschließungsarbeiten bereits zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke durch den Kläger ausgehandelt waren. Sollte ein gewerblicher Grundstückshandel bereits vom Kläger eröffnet worden sein, wären die betroffenen Grundstücke zunächst aus dem Sonderbetriebsvermögen bei der GbR zum Buchwert ins Umlaufvermögen des neu gegründeten Gewerbebetriebs zu überführen gewesen (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG). Durch den Vertrag vom wären sodann die Grundstücke, ggf. sogar der gesamte Gewerbebetrieb auf die Klägerin übertragen worden.
50 e) Unabhängig von Vorgenanntem wird das FG zu prüfen haben, ob die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2006 überhaupt zulässig war. Für den Senat bestehen zumindest Zweifel, ob die Kläger insoweit eine Beschwer i.S. von § 40 Abs. 2 FGO darlegen können. Denn sie begehren keine Herabsetzung der Einkommensteuer, sondern lediglich eine personell abweichende —allerdings betragsidentische— Zurechnung von Einkünften aus Gewerbebetrieb (jeweils ... €). Etwaige gewerbesteuerliche Auswirkungen sind hierfür ohne Bedeutung. Insbesondere kann aus der Berichtigungsvorschrift des § 35b GewStG keine Beschwer für die Einkommensteuer abgeleitet werden, da die Vorschrift lediglich im Fall einer Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids anwendbar ist (, juris, unter 1.).
51 Die Rechtsprechung erkennt in diesen Fällen eine Beschwer —ausnahmsweise— nur dann an, wenn die zutreffende Zurechnung der Einkünfte für eine spätere Aufteilung der Steuerschuld gemäß § 268, § 270 Satz 2 AO bedeutsam sein kann. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass ein Aufteilungsantrag dem Grunde nach noch gestellt werden kann. § 269 Abs. 2 Satz 2 AO schließt dies aus, wenn die zusammenveranlagten Steuerpflichtigen die festgesetzte Einkommensteuer bereits vollständig gezahlt haben (vgl. zu diesen Grundsätzen , juris, unter 1., mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Letzteres ist für den Senat nach Maßgabe der Bescheid- und Aktenlage nicht abschließend feststellbar.
52 3. Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 143 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:U.100719.XR21.17.0
Fundstelle(n):
HFR 2020 S. 204 Nr. 3
JAAAH-39872