BFH Beschluss v. - IX B 64/19

Nichtzulassungsbeschwerde: Grundsätzliche Bedeutung; Gehörsverletzung

Leitsatz

1. NV: Die —zu verneinende— Rechtsfrage, ob größerer Erhaltungsaufwand i.S. des § 82b EStDV aus dem Jahr 2012 auch noch in den letzten beiden Jahren des Fünfjahreszeitraums (2015 und 2016) je zur Hälfte geltend gemacht werden kann, ist ebenso wie die —zu bejahende— Rechtsfrage, ob bei erstmaliger Ausübung des Wahlrechts im Jahr 2015 ein „Zwangsabzug“ von einem Fünftel der Aufwendungen im Entstehungsjahr erfolgen darf, geklärt und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

2. NV: Zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO) ist nicht erforderlich, dass das FG in seiner Entscheidung auf die schriftsätzlich geäußerten Erwägungen der Kläger im Einzelnen „argumentativ eingeht“.

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3;

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht gegeben. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, dazu unter 1.) noch wegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, dazu unter 2.), zuzulassen.

3 1. Es kann dahinstehen, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) schlüssig i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt haben. Jedenfalls kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.

4 a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 115 Rz 100, m.w.N.).

5 b) Im Streitfall fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfragen, ob größerer Erhaltungsaufwand i.S. des § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) aus dem Jahr 2012 auch noch in den beiden letzten Jahren des Fünfjahreszeitraums (2015 und 2016) je zur Hälfte geltend gemacht werden kann sowie ob bei erstmaliger Ausübung des Wahlrechts im Jahr 2015 ein „Zwangsabzug“ von einem Fünftel der Aufwendungen im Entstehungsjahr erfolgen muss. Die Fragen sind bereits geklärt und i.S. der Vorinstanz zu beantworten.

6 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich aus § 82b EStDV, dass der Steuerpflichtige für das Jahr der Entstehung der Aufwendungen wählen kann, ob er die genannten Aufwendungen in diesem Jahr in vollem Umfang als Werbungskosten absetzen oder auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen will. Dabei kann der Steuerpflichtige die im Entstehungsjahr nicht als Werbungskosten abgezogenen Aufwendungen, soweit sie nicht auf Grund der Bestandskraft des Steuerbescheids dieses Jahres anteilig von der Verteilung ausgeschlossen sind, auch dann noch anteilig gleichmäßig auf die Folgejahre verteilen, wenn er im Entstehungsjahr das Wahlrecht nach § 82b EStDV nicht ausgeübt hat (vgl. , BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589, unter II.2.a, Rz 10; vom  - IX R 99/89, BFHE 170, 222, BStBl II 1993, 593, unter 1., Rz 6).

7 Ist der Steuerbescheid für das Jahr der Entstehung der Aufwendungen indes bereits bestandskräftig, so schließt dies zwar den Abzug des auf dieses Jahr entfallenden Anteils an den Aufwendungen aus, steht aber einer gleichmäßigen anteiligen Verteilung der verbleibenden Aufwendungen in den übrigen Jahren des Verteilungszeitraums nicht entgegen; denn die Bestandskraft entfaltet Wirkungen grundsätzlich nur für den Veranlagungszeitraum, für den sie eingetreten ist. Sind die Aufwendungen im Jahr ihrer Entstehung nicht nach § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und auch nicht teilweise nach § 82b EStDV abgezogen worden, so kann der für dieses Jahr bestandskräftig veranlagte Steuerpflichtige nachträglich weder den vollen noch den anteiligen Abzug der Aufwendungen wirksam geltend machen. In welchem Umfang der Steuerpflichtige die Aufwendungen in den Folgejahren anteilig als Werbungskosten abziehen kann, hängt davon ab, wie er die Aufwendungen verteilt. Die Wahl des Verteilungszeitraums legt zugleich fest, welcher Anteil der Aufwendungen auf das bestandskräftig veranlagte Entstehungsjahr entfällt und steuerlich nicht mehr zu berücksichtigen ist. Bei einer Verteilung auf fünf Jahre bleibt ein Fünftel der Aufwendungen unberücksichtigt, bei einer Verteilung auf vier Jahre ein Viertel usw. Wenn die Aufwendungen im Entstehungsjahr bestandskräftig in vollem Umfang nach § 11 Abs. 2 EStG oder teilweise entsprechend der Wahl des Steuerpflichtigen gemäß § 82b EStDV abgezogen worden sind, bleibt der Steuerpflichtige für die Folgejahre an die getroffene Wahl gebunden (BFH-Urteile in BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589, beginnend ab II.2.c, Rz 12 bis 14; in BFHE 170, 222, BStBl II 1993, 593, unter 1., Rz 6).

8 bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Finanzgericht (FG) zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger die im Jahr 2012 entstandenen Erhaltungsaufwendungen im Streitjahr 2016 nur zu einem Fünftel —und nicht zur Hälfte— abziehen können. Bei einer „gleichmäßigen“ Verteilung der Erhaltungsaufwendungen aus dem Jahr 2012 („Jahr 1“) auf fünf Jahre —nur auf diese Weise lässt sich eine Erstreckung des Abzugszeitraums auf das Streitjahr 2016 („Jahr 5“) erreichen— kommt als Abzugsbetrag zwangsläufig nur ein Fünftel der Aufwendungen in Betracht. Denn mit der Wahl des Verteilungszeitraums haben die Kläger gleichzeitig festgelegt, welcher Anteil des Gesamtaufwands auf jedes Jahr entfällt (vgl. Drüen in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 21 Rz B 381). Sofern hinsichtlich einzelner Jahre des Verteilungszeitraums Bestandskraft eingetreten ist, erfolgt die Nachholung stets nur „anteilig“ (Schmidt/Kulosa, EStG, 38. Aufl., § 21 Rz 126; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 21 EStG Rz 99).

9 Zwar ist den Klägern darin zuzustimmen, dass sie die Erhaltungsaufwendungen auch auf zwei Jahre hätten verteilen können. Dies wären indes die (bestandskräftig veranlagten) Jahre 2012 und 2013 gewesen, nicht die Jahre 2015 und 2016. Andernfalls käme es zu einer „ungleichmäßigen“ Verteilung der Erhaltungsaufwendungen (2012, 2013 und 2014: kein Abzug; 2015 und 2016: Abzug je zur Hälfte). Etwas anderes ergibt sich —entgegen der in den Schriftsätzen vom 05.01. und geäußerten Ansicht der Kläger— weder aus II.2.a, Rz 10 des BFH-Urteils in BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589 noch aus der dort angegebenen Kommentarliteratur (HHR/Kister, § 11 EStG Rz 157).

10 2. Ebenso wenig liegt der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) in Gestalt einer Gehörsverletzung vor.

11 a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der tatsächlichen Würdigung oder der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. , Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056; , BFH/NV 2011, 1523). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom  - IX S 10/14, BFH/NV 2015, 47, Rz 2, und vom  - IX B 22/16, BFH/NV 2016, 1013, Rz 7).

12 b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG die in der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeführten —zum Teil aus dem Vorverfahren stammenden— Schriftsätze der Kläger nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen haben könnte. Die Vorinstanz hat sich jedenfalls mit den in den Schriftsätzen genannten Argumenten auseinandergesetzt und dabei auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung, der auch die von den Klägern zitierte Kommentarliteratur folgt, rekurriert. Entgegen der Ansicht der Kläger ist es nicht erforderlich, dass das FG in seiner Entscheidung auf die schriftsätzlich geäußerten Erwägungen im Einzelnen „argumentativ eingeht“.

13 3. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

14 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:B.041119.IXB64.19.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 224 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2020 S. 287
DAAAH-39352