Online-Nachricht - Donnerstag, 19.12.2019

Insolvenzrecht | Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit (BFH)

Im Falle der Beteiligung des Insolvenzschuldners an einer Personengesellschaft ist es zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ausreichend, wenn die Beteiligung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehörte und die Einkünfte hieraus nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt wurden (; veröffentlicht am ).

Diese Rechtsgrundsätze gelten im Falle einer treuhänderisch gehaltenen Beteiligung des Insolvenzschuldners an einer Personengesellschaft entsprechend, wenn die auf die Treuhand-Gesellschafter entfallenden Gewinnanteile an der Personengesellschaft auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin steuerrechtlich dem Insolvenzschuldner als Mitunternehmer zuzurechnen sind.

Werden in einem bestandskräftigen Feststellungsbescheid die Gewinnanteile der Treuhand-Gesellschafter trotz des Insolvenzverfahrens weiterhin dem Insolvenzschuldner als Mitunternehmer steuerlich zugerechnet, so ist aufgrund der Bindungswirkung dieses Grundlagenbescheids für das Einkommensteuerverfahren vom Fortbestand des Treuhandverhältnisses auszugehen.

Die Bindungswirkung der für die Personengesellschaft und die Treuhand ergangenen Feststellungsbescheide erstreckt sich nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 InsO, die daher im Einkommensteuerverfahren eigenständig zu prüfen sind.

Hintergrund: Masseverbindlichkeiten

Aus der Insolvenzmasse vorweg sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Zu den Masseverbindlichkeiten zählen insbesondere solche, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören, sowie Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung der Insolvenzverwalter zur Masse oder für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt hat incl. der ggf. darauf entfallenden Umsatzsteuer. Weitere Informationen zum Insolvenzverfahren finden Sie bei Gehrmann im infoCenter.

Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des B (Insolvenzschuldner). Der Insolvenzschuldner war bis zum Geschäftsführer der B-KG. Die Kommanditisten hielten ihre Geschäftsanteile ausschließlich treuhänderisch für den Insolvenzschuldner B. Die Treuhandverträge sowie in 2001 bekundete Abtretungsangebote der Kommanditisten wurden dem Kläger erst am bekannt.

Das FA rechnete dem B Einkünfte aus der KG-Beteiligung zu (bestandskräftig) und setzte für 2010 Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit fest (streitgegenständlicher Bescheid). Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt ().

Der BFH hebt das Urteil des FG auf:

  • Die Einkommensteuer ist, soweit sie auf die ab dem erzielten Einkünfte des Insolvenzschuldners aus der treuhänderischen Beteiligung an der B-KG entfällt, in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2010 als gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festzusetzende Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO zu erfassen.

  • Durch die bestandskräftigen Feststellungsbescheide für das Jahr 2010 betreffend die B KG steht für die Einkommensteuer 2010 bindend fest, dass die den Treuhandkommanditisten zugewiesenen Gewinnanteile aufgrund insolvenzrechtlich fortbestehender Treuhandverträge dem Insolvenzschuldner als Mitunternehmer zuzurechnen sind und er insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

  • Die hierauf entfallende Einkommensteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO dar.

  • Die Einkünfte des Insolvenzschuldners an der B KG fielen in die Insolvenzmasse. Denn gem. § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

  • Im Streitfall umfasste das Vermögen nicht nur das Recht auf Annahme des von den Treuhändern notariell beurkundeten Abtretungsangebots, sondern im Streitjahr 2010 vor allem auch den Anspruch auf Herausgabe des Erlangten. Denn die Gewinne waren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und damit Teil der Insolvenzmasse, da der Insolvenzverwalter diesbezüglich keine Freigabe erklärt hatte.

  • Die auf die Einkünfte des Insolvenzschuldners an der B-KG entfallende Einkommensteuer erfüllte - was die Zuordnung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft - die Voraussetzungen für die Annahme einer Masseverbindlichkeit.

  • Die Einkommensteuerschulden betreffend die Einkünfte aus der treuhänderischen Beteiligung an der B KG sind - als weitere Voraussetzung für die Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO - "in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse" begründet worden; sie gehören daher nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter am BFH:

Einkommensteuern können im Fall der Insolvenz Masseverbindlichkeiten sein, etwa wenn eine Beteiligung an einer Personengesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört. Dies wird regelmäßig bereits im Feststellungsverfahren geklärt. Dem Insolvenzschuldner sind dann Gewinnanteile als Mitunternehmer (bestandskräftig) zugerechnet worden. Bedenken gegen eine Mitunternehmerstellung müssen also dort geltend gemacht werden.

Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung ist allerdings über den Charakter der Einkommensteuerschuld als Insolvenzforderung, Masseverbindlichkeit oder insolvenzfreies Vermögen zu entscheiden. (Jedenfalls) ab Kenntnis des Bestehens einer Personengesellschaftsbeteiligung verwaltet der Insolvenzverwalter sie i.S. des § 55 Abs. 1 InsO, wenn er sie nicht freigibt. Er muss deshalb die Erträge als Masseverbindlichkeiten gegen sich gelten lassen. Einer weitergehenden Einschränkung seines Tuns, wie etwa im Fall des bloßen Duldens bei einer selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners, verneint der BFH ausdrücklich.

Der BFH verneint auch die notwendige Beiladung des Insolvenzschuldners, soweit nicht ein Antrag nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO (noch - entscheidungserheblich) vorliegt.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB LAAAH-38428