BGH Beschluss v. - 2 ARs 172/19

Anwendungsbereich der Verfahrensabgabe nach Jugendgerichtsgesetz

Gesetze: § 42 Abs 3 S 1 JGG, § 58 Abs 3 S 1 JGG, § 58 Abs 3 S 2 JGG, § 85 Abs 5 JGG

Gründe

1Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Tiergarten hat die Verurteilte mit Urteil vom wegen Diebstahls in sechs Fällen sowie versuchten Diebstahls in sieben Fällen schuldig gesprochen und die Entscheidung über die Vollstreckung der verhängten Jugendstrafe zunächst zurückgestellt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.640,04 Euro angeordnet. Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht Tiergarten die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

2Mit Beschluss vom hat der Jugendrichter beim Amtsgericht Tiergarten gemäß § 58 Abs. 3, § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG i.V.m. § 462a Abs. 2 Satz 2 StPO die infolge der Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich werdenden weiteren Entscheidungen sowie gemäß § 85 Abs. 5 JGG die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen an das Amtsgericht Köln abgegeben, da die Verurteilte in den dortigen Bezirk umgezogen war und dort ihren Lebensmittelpunkt hat. Der Jugendrichter beim Amtsgericht Köln hat zwar die weitere Überwachung der Bewährung übernommen, durch Beschluss vom aber die Übernahme der Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgelehnt, da es sich insoweit nicht um eine jugendstrafrechtliche Sanktionsvollstreckung, sondern um eine der Mobiliar-zwangsvollstreckung ähnelnde Maßnahme handele.

3Das Amtsgericht Tiergarten hat mit Beschluss vom die Vorgänge, „soweit sie die Vollstreckung der Vermögensabschöpfungsentscheidung betrifft“, dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

41. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht der Amtsgerichte Tiergarten (Bezirk des Kammergerichts) und Köln (Oberlandesgerichtsbezirk Köln) zur Entscheidung des zwischen den Jugendgerichten bestehenden Streits nach § 14 StPO berufen, der auch für das Vollstreckungsverfahren (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 14 Rn. 1 mwN) und – hier – bei Ablehnung der Übernahme der Vollstreckungsleitung nach § 85 Abs. 5 JGG gilt (vgl. auch Senat, Beschluss vom – 2 ARs 80/81, BGHSt 30, 78, 79 [zum inhaltsgleichen § 85 Abs. 3 JGG aF]; Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 85 Rn. 18).

52. Zuständig für die zwischen den beiden Jugendgerichten allein im Streit stehende Vollstreckung der angeordneten Einziehung des Wertes der Taterträge aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter beim Amtsgericht Köln.

6a) Von § 85 Abs. 5 JGG wird auch die Abgabe der Vollstreckung einer Vermögensabschöpfungsentscheidung erfasst. Der Anwendungsbereich des § 85 Abs. 5 JGG ist nicht auf jugendrichterliche Sanktionen im engeren Sinne beschränkt (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 ARs 80/81, BGHSt 30, 78, 79 [zum inhaltsgleichen § 85 Abs. 3 JGG aF]; vgl. auch BeckOK-JGG/Sengbusch, 13. Ed., § 85 Rn. 13), sondern gilt auch für die Vollstreckung von Nebenstrafen, Maßregeln und Nebenfolgen (vgl. NK-JGG/Rose, 10. Aufl., § 82 Rn. 2; Eisenberg, aaO, § 82 Rn. 39), worunter auch die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB fällt (vgl. , juris Rn. 12 ff.; Urteil vom – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 177 f.; MüKo-StGB/Laue, 3. Aufl., § 6 JGG Rn. 6; BeckOK-JGG/Putzke, aaO, § 8 Rn. 8; NK-JGG/Ostendorf, aaO, § 6 Rn. 2; Eisenberg, aaO, § 6 Rn. 5).

7b) Mit der – hier auch im Übrigen – sachgerechten Abgabe der Vollstreckung nach § 85 JGG geht die gesamte Verantwortlichkeit des Vollstreckungsorgans auf den nachfolgenden Vollstreckungsleiter über (vgl. nur Eisenberg, aaO, § 85 Rn. 4). Sachliche Gründe, die Vollstreckung der Vermögensabschöpfungsentscheidung hiervon auszunehmen, sind nicht ersichtlich. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend ausgeführt hat, zeigt sich hier zudem, dass die zwangsweise Durchsetzung des Wertersatzes schon in Hinblick auf etwaig notwendig werdende Zahlungserleichterungen nicht sinnvoll von der weiteren – vom Amtsgericht Köln bereits übernommenen – Bewährungsüberwachung getrennt werden kann (vgl. zu diesem Gesichtspunkt einheitlicher Entscheidungskompetenz bei Nachtragsentscheidungen auch Senat, Beschluss vom – 2 ARs 524/17, NStZ-RR 2018, 227).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:060819B2ARS172.19.0

Fundstelle(n):
JAAAH-38365