Online-Nachricht - Donnerstag, 12.12.2019

Einkommensteuer | Kein Pflege-Pauschbetrag für den amtlich bestellten Betreuer (BFH)

Die dem amtlich bestellten Betreuer gewährte Aufwandsentschädigung ist keine Einnahme für die Pflege der betreuten Person i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG. Dem amtlich bestellten Betreuer ist der Pflege-Pauschbetrag nur aufgrund des Betreuungsverhältnisses ohne eine darüber hinausgehende enge persönliche Beziehung zum Betreuten nicht zu gewähren, da dem Betreuer aus dem Betreuungsverhältnis die Pflege des Betreuten nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 EStG erwächst (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Ein Steuerpflichtiger kann nach § 33b Abs. 6 EStG wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer nicht nur vorübergehend hilflosen Person erwachsen, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 EUR im Kalenderjahr geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen erhält.

Sachverhalt: Der Kläger ist seit 2013 Betreuer der A und seit 2015 auch ihres Sohnes H bestellt (u.a. betreffend "Gesundheitsfürsorge"). Beide Betreuten wohnen seit 2012 in unterschiedlichen Pflegeheimen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der behinderte Sohn (Grad der Behinderung von 100; Merkmal "H") noch im Haushalt seiner Mutter gelebt.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger "steuerfreie Aufwandentschädigungen bzw. Einnahmen" als ehrenamtlicher Betreuer in Höhe von 798 EUR und machte Pflege-Pauschbeträge nach § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von jeweils 924 EUR für beide Betreuten geltend. Dies lehnte das beklagte FA u.a. unter Hinweis auf die Heimunterbringung der Betreuten ab.

Mit der Klage machte der Kläger (nur noch) den Pauschbetrag für B geltend. Dieser habe die Pflegestufe II, sitze im Rollstuhl und erhalte die Körperpflege durch das Heimpersonal. Er selbst, der Kläger, führe aber alle Fahrten außerhalb des Heims durch, mache Bewegungsübungen mit B, unterhalte sich mit ihm und übernehme sonstige Aufgaben.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (zur ersten Instanz s. unsere Online-Nachricht v. 8.3.2018).

  • Hilflos i.S. das § 33b Abs. 6 EStG ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (§ 33b Abs. 6 Satz 3 EStG). Weitere Voraussetzung für die Gewährung des Pauschbetrags ist, dass der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt (§ 33b Abs. 6 Satz 5 EStG).

  • Zudem setzt auch die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG nach der Rechtsprechung des BFH eine Zwangsläufigkeit voraus ( BStBl 1997 II S. 199).

  • Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann.

  • Im Streitfall war der Kläger weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen verpflichtet, die pflegerischen Maßnahmen gegenüber H zu erbringen. Insbesondere ergibt sich eine rechtliche Verpflichtung des Klägers nicht aus seiner Stellung als Betreuer des H. Denn die Betreuung ist nicht tatsächliche Hilfe, sondern Beistand in Form von Rechtsfürsorge.

  • Zudem war der Kläger auch aus sittlichen Gründen nicht zur Erbringung der Pflegeleistungen verpflichtet. Dem bindend festgestellten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass im Streitjahr enge persönliche Beziehungen zwischen dem Kläger und H bestanden.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter am BFH:

Zur Frage, ob die Inanspruchnahme des Pflege-Pauschbetrags eine persönliche Mindestpflegedauer durch den Steuerpflichtigen verlangt, hat sich der BFH nicht verhalten (müssen). Die überwiegende Literatur fordert --wie die Vorinstanz-- eine Pflege in nicht nur untergeordnetem Umfang, d.h. von mindestens 10 % des gesamten pflegerischen Zeitaufwandes (KKB/Bleschick, § 33b EStG Rz 41, 4. Aufl., Stand: ; Schmidt/ Loschelder, EStG, 38. Aufl., § 33b Rz 37; Schüler-Täsch in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 33b Rz 96; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 33b Rz 15; , EFG 1995, 722; a.A. Endert in Frotscher, EStG, § 33b Rz 56; Blümich/K. Heger, § 33b EStG Rz 128).

Der Steuerpflichtige kann sich daher bei der Pflege der hilflosen Person durch eine ambulante Pflegekraft (, BFH/NV 2008, 1827; R 33b Abs. 4 EStR) oder einer anderen Hilfsperson unterstützen lassen. Auch die Unterbringung in einer Tageseinrichtung ist insoweit unschädlich (KKB/Bleschick, § 33b EStG Rz 41, m.w.N., 4. Aufl., Stand: ).

Darüber hinaus hat der BFH dahinstehen lassen (können), ob im Fall der stationären Heimunterbringung der hilflosen Person überhaupt ein Pflege-Pauschbetrag i.S. des § 33b Abs. 6 EStG geltend gemacht werden kann. Denn die Pflege und/oder Hilfe muss nach § 33b Abs. 6 Satz 5 EStG in der Wohnung des Steuerpflichtigen/Pflegebedürftigen durchgeführt werden. In der Literatur wird der Begriff der Wohnung teilweise weit ausgelegt. Danach vermitteln persönliche Pflegeleistungen des Steuerpflichtigen auch bei einer Unterbringung des Pflegebedürftigen in einer eigenen Bleibe in einer anderen Wohnung oder einem Altenheim/-wohnheim den Pflege-Pauschbetrag (KKB/Bleschick, § 33b EStG Rz 42, 4. Aufl., Stand: ; sowie die Vorinstanz, jeweils m.w.N.).

Zur Inanspruchnahme des Pflege-Pauschbetrags, wenn die Pflegeperson ganzjährig in einem Heim untergebracht ist und nur an den Wochenenden in der Wohnung des Steuerpflichtigen betreut wird, siehe , EFG 1995, 722.

Quelle: ; veröffentlicht am ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB IAAAH-37606