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Online-Nachricht - Donnerstag, 28.11.2019

Umsatzsteuer | Ermäßigter Steuersatz für Wissenschafts- und Forschungszweckbetriebe (BFH)

Für die Finanzierung des Trägers einer Wissenschafts- und Forschungseinrichtung i.S. von § 68 Nr. 9 AO kommt es auf den Mitteltransfer an, der ihm ohne eigene Gegenleistung zufließt. Zum Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 9 AO gehören nur notwendige Nebentätigkeiten zur Eigen- und Grundlagenforschung (, veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer u.a. für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützige Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine Hochschule (Körperschaft des öffentlichen Rechts), schloss mit Y einen Werkvertrag zur Durchführung und Erstellung einer wissenschaftlichen Studie ab. Für die Erstellung der Studie beauftragte die Klägerin auch Unterauftragnehmer. Die in diesem Rahmen erbrachten Leistungen rechnete sie teilweise mit dem ermäßigten Steuersatz ab.

Das FA vertrat die Auffassung, dass die Umsätze dem regulären Umsatzsteuersatz gem. § 12 Abs. 1 UStG unterliegen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg ().

Der BFH hebt das Urteil des FG auf und verweist die Sache zurück:

  • Für die Streitjahre gilt noch § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i.V.m. § 4 KStG (Für Umsätze nach dem gilt inzwischen § 2b UStG).

  • Demnach erbrachte die Klägerin als Unternehmerin steuerbare Umsätze, weil die Erstellung der Studie eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit gegen Entgelt darstellt.

  • § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG in der bis geltenden Fassung befreite die Umsätze der staatlichen Hochschulen aus Forschungstätigkeit. Nicht zur Forschungstätigkeit gehörten u.a. Tätigkeiten, die sich auf die Anwendung gesicherter Erkenntnisse beschränken.

  • Die Leistungen der Klägerin fallen nicht unter § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG und es wurde auch kein Antrag auf Steuerbefreiung gestellt, so dass die Umsätze im Ergebnis steuerpflichtig sind.

  • § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 1 UStG ermäßigt den Steuersatz für die Leistungen der nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaften. Dies gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 2 UStG i.V.m. § 64 Abs. 1 AO für die Leistungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur, wenn es sich bei diesem um einen Zweckbetrieb handelt. Auch "Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen" sind unter den Voraussetzungen von § 68 Nr. 9 AO Zweckbetriebe. Dies gilt für solche Einrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanziert. Der Wissenschaft und Forschung dient auch die Auftragsforschung. Nicht zum Zweckbetrieb gehören Tätigkeiten, die sich auf die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränken, die Übernahme von Projektträgerschaften sowie wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Forschungsbezug".

  • Es besteht keine unionsrechtliche Grundlage für eine allgemeine Steuersatzermäßigung der Leistungen der Träger von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 68 Nr. 9 AO. Die Vorschrift ist daher einschränkend auszulegen.

  • Das in § 68 Nr. 9 AO geforderte Finanzierungserfordernis liegt bei der Klägerin vor, denn zu den "Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung" gehört auch der "Mitteltransfer, der der Körperschaft ohne eigene Gegenleistung zufließt" ( unter II.3.a aa). Dies trifft auch auf die Haushaltsfinanzierung der Klägerin zu.

  • Im Ergebnis ist die Sache nicht spruchreif. Der BFH kann die übrigen Zweckbetriebsvoraussetzungen nicht prüfen, weil dazu keine Feststellungen getroffen wurden.

  • Es wird darauf hingewiesen, dass Auftragsforschung nur als für den Transfer der Forschungsergebnisse notwendige Nebentätigkeit in die Steuervergünstigung einbezogen werden kann. Dabei spricht die Einbindung von Unterauftragnehmern (Subunternehmer) gegen die Verwertung eigener Forschungsergebnisse als Nebentätigkeit.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter am BFH:

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben, weil es das Finanzierungserfordernis nach § 68 Nr. 9 AO verkannt hat. Zu den "Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung" gehört der Mitteltransfer, der der Körperschaft ohne eigene Gegenleistung zufließt.

Das eigentlich Interessante an dem Urteil ist die mit der Aufhebung verbundene „Segelanleitung“, mit der der BFH dem FG aufgibt, was bei der erneuten Entscheidung zu beachten ist. Zum einen sind die Begriffe Wissenschaft und Forschung im Bereich der Umsatzbesteuerung (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG) eng auszulegen, weil es keine unionsrechtliche Grundlage für eine allgemeine Steuersatzermäßigung der Leistungen der Träger von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen gibt. Auch der Wille des historischen Gesetzgebers gebietet eine einschränkende Auslegung der Zweckbetriebsfiktion dahingehend, dass Auftragsforschung nur als für den Transfer der Forschungsergebnisse notwendige Nebentätigkeit in die Steuervergünstigung einbezogen werden kann. Daher gehören zum Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 9 AO nur notwendige Nebentätigkeiten zur Eigen- und Grundlagenforschung. Die Hürden für einen Klageerfolg der Klägerin im zweiten Rechtsgang sind damit zahlreich und hoch.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
JAAAH-36168