BGH Beschluss v. - IX ZB 75/18

Vergütung des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren: Verwirkung des Vergütungsanspruchs bei Pflichtverletzung in einem anderen Verfahren

Gesetze: § 63 InsO, § 64 InsO, § 654 BGB

Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 4 T 263/18vorgehend AG Wiesbaden Az: 10 IK 123/14

Gründe

I.

1Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht Wiesbaden das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte R.   H.        zum Treuhänder. Durch Beschluss vom wurde der Treuhänder auf seinen eigenen Antrag hin aus seinem Amt entlassen und der weitere Beteiligte zu 2 zum neuen Treuhänder bestellt. Über das Vermögen des früheren Treuhänders wurde mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom hat der frühere Treuhänder die Festsetzung seiner Vergütung und Auslagen in Höhe von 385,94 € beantragt. Das Amtsgericht hat den Vergütungsanspruch als verwirkt zurückgewiesen.

2Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der weitere Beteiligte zu 1 den Vergütungsanspruch des früheren Treuhänders weiter.

II.

3Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Ein Insolvenzverwalter verwirke seinen Anspruch auf Vergütung entsprechend dem der Regelung in § 654 BGB zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgedanken, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletze, dass er sich seines Lohnes als unwürdig erweise.

5Der frühere Treuhänder habe seinen Vergütungsanspruch aufgrund eines schweren Treubruchs gegenüber dem Insolvenzgericht, das ihn zum Treuhänder bestellt habe, verwirkt. Der frühere Treuhänder habe dem Insolvenzgericht vor seiner Ernennung nicht mitgeteilt, dass es in einem anderen Insolvenzverfahren zu einer doppelten Entnahme der Vergütung in Höhe von 7.787,44 € gekommen sei. Eine Rückführung der entnommenen Gelder durch ihn sei nicht erfolgt. Auch in einem weiteren Insolvenzverfahren sei es zu Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einer Abrechnung gekommen, die der frühere Treuhänder zwar nicht bestritten, aber als nicht so schwerwiegend dargestellt habe. Das Gericht betrachte die zutage getretenen unstreitigen Pflichtverletzungen insbesondere in der Gesamtschau als erheblich.

6Der frühere Treuhänder habe die Pflichtverletzungen vor seiner Bestellung begangen. Er habe damit seine Bestellung in dem vorliegenden Verfahren durch Täuschung erschlichen, indem er frühere Pflichtverletzungen bewusst verschwiegen habe.

7Soweit der weitere Beteiligte zu 1 darauf hingewiesen habe, dass durch den früheren Treuhänder Pflichtverletzungen allenfalls in Form einer fehlerhaften Aufsicht eingeräumt worden seien, führe auch dies zu der Annahme einer schwerwiegenden Verletzung der Treuepflicht, weil dann den Mitarbeitern sämtliche Abrechnungen ohne Prüfung überlassen worden seien.

82. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, denn das Beschwerdegericht hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, die eine Versagung des Vergütungsanspruchs des früheren Treuhänders rechtfertigen würden.

9a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirkt der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf Vergütung entsprechend dem der Regelung des § 654 BGB zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgedanken, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als "unwürdig" erweist. Da der Insolvenzverwalter einen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit hat, kommt ein Ausschluss der Vergütung bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Es genügt nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung. Die Versagung jeglicher Vergütung kommt vielmehr nur bei einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat (, ZIP 2019, 82 Rn. 16 mwN). Den entscheidenden Grund für die Beurteilung, dass der Anspruch auf Vergütung verwirkt ist, bildet der schwere Treuebruch des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht, das ihn zum Insolvenzverwalter bestellt hat. Das Insolvenzgericht hat zum Insolvenzverwalter nach § 56 Abs. 1 InsO eine geeignete Person zu bestellen. Zu den persönlichen Anforderungen an den Insolvenzverwalter gehört neben der fachlichen Qualifikation auch seine persönliche Integrität, insbesondere seine Ehrlichkeit (, ZIP 2016, 1648 Rn. 8 mwN). Deshalb kann die Verwirkung des Vergütungsanspruchs grundsätzlich nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden, für das er eine Vergütung beansprucht (, ZIP 2017, 2063 Rn. 11).

10b) Dagegen führen Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters in anderen Verfahren nur unter besonderen Umständen zum Verlust des Anspruchs auf die Vergütung (vgl. aaO). So kommt die Versagung der Vergütung grundsätzlich nur bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtverstößen in Betracht (vgl. , BGHZ 159, 122, 132). Allerdings kann eine einmalige, in der Begehung einer Straftat zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung genügen, denn auch eine in einem anderen Verfahren verübte Straftat kann die charakterliche Eignung des Verwalters, fremdes Vermögen zu verwalten, entfallen lassen (vgl. , WM 2011, 663 Rn. 20). Zudem sind Vergütungsansprüche auch dann ausgeschlossen, wenn der Insolvenzverwalter seine Bestellung in strafbarer Weise erschleicht und damit im eigenen wirtschaftlichen Interesse eine Gefährdung der erfolgreichen Abwicklung des Insolvenzverfahrens in Kauf nimmt (vgl. aaO). Ein Insolvenzverwalter ist aber nicht verpflichtet, dem Insolvenzgericht vor der Bestellung ungefragt jegliche Pflichtwidrigkeit aus anderen Verfahren mitzuteilen. Daher führt eine unterlassene Offenbarung von Pflichtverletzungen in anderen Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht zum Verlust des Vergütungsanspruchs (vgl. , ZIP 2016, 1648 Rn. 9). Vielmehr muss die unterlassene Offenbarung der Pflichtverletzungen in anderen Insolvenzverfahren selbst eine schwere, subjektiv in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht darstellen (vgl. aaO Rn. 6). Dies kommt erst in Betracht, wenn es sich um Pflichtwidrigkeiten in einem Ausmaß handelt, bei dem im Falle des Bekanntwerdens nach der Bestellung die sofortige Entlassung aus dem Amt des Verwalters nach § 59 InsO nicht nur gerechtfertigt, sondern die zwingende Folge wäre. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet eine enge Begrenzung der Fälle, in denen ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen ist (vgl. , ZIP 2011, 1526 Rn. 6).

11c) Verhaltensweisen des früheren Treuhänders, die als eine derart schwere Verletzung der ihm obliegenden Treuepflicht zu werten wären, sind durch das Beschwerdegericht nicht festgestellt worden. Allein der Umstand, dass der frühere Treuhänder bei seiner Bestellung im hiesigen Verfahren dem Insolvenzgericht nicht mitgeteilt hat, es sei einem anderen Insolvenzverfahren durch ihn als Insolvenzverwalter zu einer doppelten Entnahme der Vergütung in Höhe von 7.787,44 € gekommen, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr ist das konkrete pflichtwidrige Verhalten des früheren Treuhänders nach Art, Inhalt und Umfang festzustellen und sind stets die Umstände im Hinblick auf die dem Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht obliegende Treuepflicht zu würdigen (vgl. , ZIP 2017, 2063 Rn. 19).

12Soweit das Beschwerdegericht darauf abgestellt hat, dass es auch in einem weiteren Insolvenzverfahren zu Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einer Abrechnung gekommen sein soll, hat es eigene Feststellungen insoweit nicht getroffen. Auch dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts sind Feststellungen hierzu nicht zu entnehmen.

133. Die angefochtene Entscheidung war danach aufzuheben und die Sache, weil sie nicht zur Entscheidung reif ist, zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).

14Dabei wird das Beschwerdegericht zu berücksichtigen haben, dass eine Versagung der Vergütung im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erst in Betracht kommt, wenn gewichtige, vorsätzliche oder zumindest leichtfertige Pflichtverstöße des früheren Treuhänders in anderen Insolvenzverfahren festgestellt worden sind, deren unterlassene Offenbarung selbst eine schwere, subjektiv in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht darstellt. Ein entscheidendes Gewicht liegt bei der Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung (vgl. , BGHZ 159, 122, 131).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:120919BIXZB75.18.0

Fundstelle(n):
PAAAH-36127