Online-Nachricht - Donnerstag, 31.10.2019

Einkommensteuer | Kein Beginn der Herstellung eines Gebäudes bei reinen Vorbereitungsmaßnahmen (BFH)

Der Herstellungsbeginn i.S. des § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG ist anzunehmen, wenn das Investitionsvorhaben "ins Werk gesetzt" wird. Dies kann vor den eigentlichen Bauarbeiten liegen. Reine Vorbereitungsarbeiten in der Entwurfsphase reichen nicht aus, um von dem Beginn der Herstellung nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG ausgehen zu können. Die Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG ist jedenfalls bis zum Jahr 2009 nicht verfassungswidrig (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Der Investitionszeitraum nach § 6b EStG

Eine § 6b-Rücklage ist nach Ablauf des vierjährigen Investitionszeitraums des § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG aufzulösen, es sei denn, die Frist von vier Jahren verlängert sich auf sechs Jahre (§ 6b Abs. 3 Satz 5 EStG). Die Fristverlängerung auf sechs Jahre sieht § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG vor, wenn mit der Herstellung eines neuen Gebäudes vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs begonnen worden ist.

Sachverhalt: Der Kläger erzielt gewerbliche Einkünfte, die er durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) ermittelt. Es besteht ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das immer zum 30.6. eines Jahres endet. Für das Jahr 2005 wurde eine Rücklage gem. § 6b EStG gebildet. Diese sollte auf ein nach 2010 fertiggestelltes Betriebsgebäude übertragen werden.

Der Bauantrag für das Gebäude wurde am - also nach dem vierjährigen Investitionszeitraum des § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG - gestellt. Der Kläger ging von einer Verlängerung des Investitionszeitraums auf sechs Jahre aus, weil er bereits im Frühjahr 2009 zu dem Ergebnis gekommen war, dass ein neues Betriebsgebäude benötigt wird. Zwecks Planung des neuen Gebäudes beauftragte der Kläger am einen Architekten. Der Architekt stellte am insgesamt 192 Arbeitsstunden für die Zeit vom bis zum in Rechnung. Davon betrafen 66,5 Stunden die Vor- und Entwurfsplanung in der Zeit bis zum .

Das FA kam zu dem Ergebnis, dass die § 6b Rücklage nicht auf das Gebäude übertragen werden konnte, weil der Bauantrag nicht zum Ende der vierjährigen Investitionsfrist am eingereicht wurde. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos (; vgl. unsere online Nachricht v. 11.4.2017).

Der BFH weist die Revision des Klägers als unbegründet zurück:

  • § 6b EStG dient dem Zweck, die aufgrund bestimmter Veräußerungsvorgänge freiwerdenden stillen Reserven steuerrechtlich nicht sofort zu erfassen, sondern sie auf ein Reinvestitionsgut zu übertragen.

  • Mit der vorgesehenen Verlängerung der grds. vierjährigen Reinvestitionsfrist auf sechs Jahre wird berücksichtigt, dass die Herstellung von Gebäuden erfahrungsgemäß eine längere Planungs- und Bauzeit erfordert. Die Verlängerung der Reinvestitionsfrist ist allerdings von der weiteren Voraussetzung abhängig, dass innerhalb der allgemein geltenden Vierjahresfrist bereits mit der Herstellung des Reinvestitionsobjekts begonnen worden ist.

  • Der Herstellungsbeginn ist anzunehmen, wenn das konkrete Investitionsvorhaben "ins Werk gesetzt" wurde (vgl. , Rz 13). Dieser Zeitpunkt kann vor den eigentlichen Bauarbeiten liegen.

  • Der Beginn der Herstellung kann grds. immer dann angenommen werden, wenn der Bauantrag gestellt wurde (soweit das hergestellte Gebäude mit dem geplanten übereinstimmt). Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen die Herstellung begonnen wurde, obwohl noch kein Bauantrag gestellt wurde. Dazu sind Handlungen vor Stellung des Bauantrages erforderlich:

    • Die Planung kann als Teil der Herstellung zu berücksichtigen sein, insbesondere weil auch die Planungskosten zu den (aktivierungspflichtigen) HK eines Gebäudes gehören.

    • Allerdings führen aktivierungspflichtige Herstellungskosten (i.S.d. § 6 EStG) nicht per se zum Herstellungsbeginn (i.S.d. § 6b EStG), weil die Begriffe unterschiedliche Ziele verfolgen.

  • Im Streitfall war schon das FG davon ausgegangen, dass die Planungen des Klägers nicht konkret bzw. verbindlich genug waren, um den Beginn der Herstellung zu bedeuten. Insbesondere waren die bisher durchgeführten Tätigkeiten (z.B. 66,5 Arbeitsstunden des Architekten) zu gering. Diese Würdigung des FG war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  • Die Auflösung der § 6b Rücklage führt zu einem Gewinnzuschlag von 6 % für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestand. Die Höhe des Gewinnzuschlags ist - zumindest bis 2009 - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da sich bis dahin noch kein strukturelles Niedrig-Marktzinsniveau verfestigt hatte.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter am BFH:

Die Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG bei neu hergestellten Gebäuden setzt den objektiv erkennbaren Beginn der Herstellung innerhalb der regulären Reinvestitionsfrist von vier Jahren voraus. Denn die Verlängerung soll schon nach dem Willen des Gesetzgebers der längeren Planungs- und Bauzeit Rechnung tragen. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen reicht deshalb nicht aus. Das konkrete Vorhaben muss „ins Werk gesetzt werden“.

Anders als bisher hat der BFH jedoch die Stellung eines Bauantrags innerhalb der nicht verlängerten Reinvestitionsfrist nicht als zwingend angesehen. Es ist lediglich ein starkes Indiz. Anders als jüngst der III. Senat des BFH in seinem Urteil vom – III R 22/17 (BFH/NV 2019, 642, Rz 16) zum (neuen) § 5 Abs. 2 Satz 5 InvZulG 2010 reicht jedoch nicht der Beginn der Entwurfsphase aus. Wann diese Objektivierung gegeben ist, hat das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung des Einzelfalls zu bestimmen.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB BAAAH-34020