IWB Nr. 20 vom Seite 1

Blick nach China und Blick nach Luxemburg

Nils Henrik Feddersen | Verantw. Redakteur | iwb-redaktion@nwb.de

Nutzen Sie „Data & Analytics“? Wenn das Buzzword Big Data endlich nicht mehr an der Haustür klingelt, dann kommt es in dieser Variante zur Hintertür wieder herein. Das Bild ist vielleicht wenig schmeichelhaft – doch die Realität ist mitunter... (hüstel)... ambivalent.

[i]„Data & Analytics“ geht inzwischen weit über Datenauswertung hinausDie Digitalisierung durchdringt inzwischen viele Lebens- und Arbeitsbereiche. Zunehmend gelingt es, die Flut von Daten zu filtern, konkrete Zustände damit zutreffend zu analysieren und daraus Optionen abzuleiten. Sie mögen einwenden, dass Datenverarbeitung und -analyse doch ein alter Hut sind. Nicht in dieser Form. Viele Ansätze sind tatsächlich innovativ und versprechen Unternehmen sowie Organisationen echte Wettbewerbsvorteile. Es überrascht nicht, dass Berater die neuen Tools und Apps und die dahinterstehenden Dienstleistungen inzwischen in vielen Feldern anbieten. Wie das etwa im Bereich der Verrechnungspreise funktioniert, umreißen Schindler/Totzek ab . Die gute Nachricht ist, dass die Technik noch immer der Expertise bedarf, um beim Kunden Mehrwert zu stiften. Es bleibt absehbar ein Angebot, das nur in Verbindung mit professioneller Beratung sein Potenzial ausschöpft. Dann lassen sich damit Zukunftsszenarien entwickeln und bessere Entscheidungen treffen.

[i]Die umfassende Datenanalyse kann zur Steuerung ziviler Gesellschaften und Märkte führenDie schlechte Nachricht ist, dass diese Technik auch großes repressives Potenzial hat. Dies zeigt das Social Credit-System (SCS) für Personen und Unternehmen in China. Im Kern handelt es sich um ein aus vielen Parametern zusammengesetztes individuelles Rating – zu diesen Merkmalen zählt auch die Steuerehrlichkeit. Staatlich erwünschtes Verhalten gibt Pluspunkte, schädliches oder auch nur abweichendes Verhalten verschlechtert den Score. Ein gutes Rating kann niedrigere Steuersätze, besseren Marktzugang oder günstigere Kredite bedeuten. Ein schlechtes Rating führt zu Strafzahlungen, dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen oder gar zum Verbot der Geschäftstätigkeit. Wenn man sich bewusst macht, dass die Folgen auf alle Bereiche des Lebens in China ausstrahlen können, wird dem Berater westlicher Prägung flau.

[i]EU-Grundrechte gelten auch im SteuerrechtWelche Blüten Datenanalysen in Europa in Zukunft treiben werden, ist völlig offen. Aber umfassende Transparenzvorgaben gelten schon heute oder in naher Zukunft (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, BR-Drucks. 489/19). Darum ist es gut, sich zu vergewissern, dass hier ein europarechtlicher Grundrechtsschutz greift. Diese europäischen Grundrechte bieten auch Schutz gegen ein EU-Eingriffsrecht bei den direkten Steuern, wie Valta/Wöhrer ab erläutern. Zugleich wandert die steuerverfassungsrechtliche Kontrolle schrittweise von Karlsruhe nach Luxemburg. Die Rechtsprechung des EuGH steht insoweit teilweise noch am Anfang, teilweise ist sie bereits sehr differenziert. Daher lohnt sich für den Steuerberater auch der Blick nach Luxemburg.

Ich wünsche Ihnen viele hilfreiche Erkenntnisse

Nils Henrik Feddersen

Fundstelle(n):
IWB 20 / 2019 Seite 1
NWB KAAAH-32851