OFD Frankfurt/M. - S 1310 A-005-St 62

Einkommensteuerliche Behandlung von Mitgliedern diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen

1. Vorbemerkung

Bedienstete fremder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen genießen während ihres (dienstlichen) Aufenthalts in Deutschland bestimmte Vorrechte und Immunitäten, die sich insbesondere aus den folgenden Übereinkommen ergeben:

  • Für Diplomaten und deren Gefolge das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ( WÜD ) vom , BGBl 1964 II S. 957 (Auszüge in Anlage 1 )

  • Für Berufskonsuln und deren Gefolge das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ( WÜK ) vom , BGBl 1969 II S. 1585 (Auszüge in Anlage 2 )

Die Vorschriften des WÜD /WÜK gehen als allgemeine Regelungen des Völkerrechts gemäß § 2 AO den nationalen Vorschriften vor. Unter den Voraussetzungen des WÜD/WÜK sind die Diplomaten und Berufskonsuln von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit (Art. 34 WÜD, Art. 49 Abs. 1 WÜK). Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Befreiungsregelung des WÜD/WÜK für die Diplomaten und Berufskonsuln der Gedanke der sog. ,,Exterritorialität“ zu entnehmen (). Sie sind damit auch dann nach § 1 Abs. 1 EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig bzw. im Sinne der DBA in Deutschland ansässig, wenn sie zur Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit in Deutschland wohnen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit unterliegen die Diplomaten und Berufskonsuln im Inland der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 EStG. Die Dienstbezüge sind jedoch allgemein von der Besteuerung ausgenommen.

Die Befreiungsregelung im WÜD /WÜK gilt u.a. nicht für Steuern und sonstige Abgaben von privaten Einkünften, deren Quelle sich im Empfangsstaat befindet (z.B. Vermietungseinkünfte von in Deutschland belegenem Grundbesitz), H 3.29 ,,Wiener Übereinkommen“ Tz. 2 EStH. Solche Einkünfte unterliegen - mit Ausnahme der Dienstbezüge - nach Maßgabe des § 49 EStG der beschränkten Steuerpflicht.

Für dienstliches Hauspersonal der Diplomaten und Konsuln sowie für private Hausangestellte der Diplomaten bezieht sich die Steuerbefreiung im WÜD /WÜK nur auf die Dienstbezüge (s.u.); diese Personen bleiben dann weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig.

Deutsche Staatsangehörige, die in den Diensten deutscher diplomatischer oder konsularischer Vertretungen im Ausland stehen, sind umgekehrt stets unbeschränkt steuerpflichtig, § 1 Abs. 2 EStG. Unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 2 EStG ist eine Zusammenveranlagung mit dem im Ausland (Staat des ausländischen Dienstorts) lebenden Ehegatten möglich.

Die Regelungen des WÜD /WÜK gehen den DBA vor. Wenn die Voraussetzungen für die Freistellung nach dem WÜD/WÜK nicht erfüllt sind, kann es durch die DBA oder § 3 Nr. 29 EStG noch zu Steuerfreistellungen für die bezeichneten Personen kommen.

WÜD /WÜK sind anwendbar, soweit die beteiligten Staaten diesen Abkommen beigetreten sind. Die Verwaltungsanordnung der Bundesregierung über die steuerliche Behandlung der diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen auswärtiger Staaten in der Bundesrepublik Deutschland vom (MinBlFin 1950, 631) ist nach dem Inkrafttreten des WÜD /WÜK nur anzuwenden, wenn der Entsendestaat den genannten Abkommen noch nicht rechtswirksam beigetreten ist. Eine aktuelle Liste der dem WÜD /WÜK beigetretenen Staaten findet sich unter den folgenden Links:

Zur generellen Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen verweise ich auf das Rundschreiben des Auswärtigen Amtes vom ( https://www.auswaertiges-amt.de/blob/259366/95fb05e9a6a89de129f15d27f92f00aa/rundschreiben-beh-diplomaten-data.pdf ).

Nach § 16 der Verordnung über die Zuständigkeiten der hessischen Finanzämter (ZustVOFÄ) ist das Finanzamt Frankfurt am Main I für die Vorermittlung steuerlich relevanter Sachverhalte bezüglich der Beschäftigten ausländischer Konsulate für alle hessischen Finanzämter zuständig.

Der privilegierte Status der Mitglieder von ausländischen diplomatischen Missionen und berufskonsularischen Vertretungen ist durch die vom Auswärtigen Amt bzw. den Staats- und Senatskanzleien der Länder ausgestellten Ausweise nachzuweisen (vgl. Rundvfg. ofix: Dipl/2).

2. WÜD

Für die folgenden Personen ist eine Steuerbefreiung der Bezüge durch den Gedanken der Exterritorialität nach dem WÜD vorgesehen (es besteht im Empfangsstaat keine unbeschränkte Steuerpflicht):

  • Diplomaten (Art. 34 WÜD) sowie die zum Haushalt eines Diplomaten gehörenden Familienmitglieder, wenn die Familienmitglieder nicht (Staats-)Angehörige des Empfangsstaats sind (Art. 37 Abs. 1 WÜD). Zu den Diplomaten im Sinne dieser Bestimmung gehören nach Art. 1 Buchst. e WÜD der Missionschef und die Mitglieder des diplomatischen Personals der Mission (Gesandte, Räte, Sekretäre, Attachés, Sonderattachés, Botschaftsseelsorger und -ärzte). Die begünstigten Familienmitglieder (Ehegatte, minderjährige Kinder und - soweit sie von den Privilegierten wirtschaftlich abhängig sind - volljährige unverheiratete Kinder, die Eltern und Schwiegereltern der Privilegierten) sind in H 3.29 ,,Wiener Übereinkommen“ Tz. 4 EStH aufgezählt.

  • Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals (Kanzleibeamte, Übersetzer, Schreibkräfte) sowie die zum Haushalt gehörenden Familienmitglieder, wenn sie weder (Staats-)Angehörige des Empfangsstaats noch in diesem ständig ansässig sind (Art. 37 Abs. 2 WÜD), zum Begriff der ,,ständigen Ansässigkeit“ s.u.

Für die folgenden Personen ist eine Steuerbefreiung der Bezüge nach dem WÜD vorgesehen (es besteht im Empfangsstaat unbeschränkte Steuerpflicht):

  • Dienstliches Hauspersonal (Kraftfahrer, Pförtner, Boten, Gärtner, Köche, Nachtwächter), wenn sie weder (Staats-)Angehörige des Empfangsstaats noch in diesem ständig ansässig sind (Art. 37 Abs. 3 WÜD).

  • Private Hausangestellte (persönliche Diener, Fahrer, Erzieher und Raumpflegekräfte) von Mitgliedern der Mission (Art. 37 Abs. 4 WÜD).

Der Unterschied zwischen dienstlichem und privatem Hauspersonal besteht darin, dass die Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals bei der Mission, die privaten Hausangestellten bei einem Mitglied der Mission angestellt sind (Art. 1 Buchst. g und h WÜD).


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WÜD
Voraussetzungen für die Steuerbefreiung
Steuerbefreiung der Bezüge durch
Keine Staatsangehörigkeit des Empfangsstaats
Nicht im Empfangsstaat ständig ansässig
Exterritorialität
Steuerfreistellung
Diplomaten
x
Familie des Diplomaten
x
x
Verwaltungs- und technisches Personal
x
x
x
Familie des Verwaltungs-und technischen Personals
x
x
x
Dienstliches Hauspersonal
x
x
x
Private Hausangestellte
x
x
x

3. WÜK

Das WÜK unterscheidet in der steuerlichen Behandlung zwischen Berufs- und Honorar- bzw. Wahlkonsuln. Während es sich bei den Berufskonsuln um entsandte Bedienstete des ausländischen Staates handelt, sind Honorar- bzw. Wahlkonsuln ehrenamtlich, teilweise als Staatsangehöriger des Empfangsstaates tätig.

Die Steuerbefreiungen gelten nur dann, wenn die Personen weder Staatsangehörige des Empfangsstaats noch in diesem ständig ansässig sind (Art. 71 WÜK). Außerdem ist Voraussetzung, dass im Empfangsstaat keine private Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (Art. 57 WÜK).

Für die folgenden Personen ist eine Steuerbefreiung der Bezüge durch den Gedanken der Exterritorialität nach dem WÜK vorgesehen (es besteht im Empfangsstaat keine unbeschränkte Steuerpflicht):

  • Konsularbeamte (Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln, Konsularagenten, andere Angehörige des konsularischen Dienstes) und die Bediensteten des Verwaltungs- und technischen Personals (Kanzleibeamte, Übersetzer, Schreibkräfte) sowie die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder (H 3.29 ,,Wiener Übereinkommen“ Tz. 4 EStH), Art. 49 WÜK. Zu den Konsularbeamten im Sinne dieser Bestimmung gehört jede in dieser Eigenschaft mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben beauftragte Person einschließlich des Leiters der konsularischen Vertretung (Art. 1 Buchst. d WÜK). Unter konsularischer Vertretung ist jedes Generalkonsulat, Konsulat, Vizekonsulat und jede Konsularagentur zu verstehen (Art. 1 Buchst. a WÜK).

Für die folgenden Personen ist eine Steuerbefreiung der Bezüge nach dem WÜK vorgesehen (es besteht im Empfangsstaat unbeschränkte Steuerpflicht):

  • Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals (Kraftfahrer, Pförtner, Boten, Gärtner, Köche, Nachtwächter), die bei der konsularischen Vertretung beschäftigt sind (Art. 49 Abs. 2 WÜK). Eine Befreiungsvorschrift für private Hausangestellte besteht nicht.

  • Wahlkonsularbeamter (Honorargeneralkonsuln, Honorarkonsuln, Honorarvizekonsuln, Konsularagenten), Art. 66 WÜK. Das Verwaltungs- und technische Personal sowie die zum Haushalt des Wahlkonsularbeamten gehörenden Familienmitglieder sind ausdrücklich von jeglichen Steuerprivilegien ausgenommen (Art. 58 Abs. 3 WÜK).


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WÜK
Voraussetzungen für die Steuerbefreiung
Steuerbefreiung der Bezüge durch
Keine Staatsangehörigkeit des Empfangsstaats
Nicht im Empfangsstaat ständig ansässig
Exterritorialität
Steuerfreistellung
Konsuln und deren Familienmitglieder
x
x
x
Verwaltungs- und technisches Personal (der Konsuln) und deren Familienmitglieder
x
x
x
Dienstliches Hauspersonal
x
x
x
Private Hausangestellte
Keine Steuerbefreiung
Wahlkonsularbeamter
x
x
x
Familienmitglieder der Wahlkonsularbeamten; Verwaltungs- und technisches Personal der Wahlkonsularbeamten
Keine Steuerbefreiung

4. Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 29 EStG

§ 3 Nr. 29 Buchst. a EStG enthält eine Steuerbefreiung für die Gehälter und Bezüge der diplomatischen Vertreter ausländischer Staaten, die ihnen zugewiesenen Beamten und die in ihren Diensten stehenden Personen. Die Steuerbefreiung gilt nicht für deutsche Staatsangehörige oder im Inland ständig ansässige Personen.

Nach § 3 Nr. 29 Buchst. b EStG sind die Gehälter und Bezüge der Berufskonsuln, Konsulatsangehörigen und ihres Personals von der Einkommensteuer befreit, wenn diese Personen Angehörige des Entsendestaats sind (§ 3 Nr. 29 Buchst. b EStG bezieht sich nicht auf wahlkonsularische Vertretungen). Nach Art. 71 WÜK ist eine Steuerbefreiung nur für Angehörige des Empfangsstaats ausgeschlossen. Somit ergibt sich die Steuerbefreiung für (Staats-)Angehörige aus Drittstaaten (und des Entsendestaats) regelmäßig bereits aus dem vorrangig anzuwendenden WÜK.

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 29 Buchst. b EStG gilt nicht für Personen, die im Inland ständig ansässig sind oder außerhalb ihres Amtes oder Dienstes einen Beruf, ein Gewerbe oder eine andere gewinnbringende Tätigkeit ausüben.

Im Hinblick auf die Steuerbefreiungen des WÜD/WÜK hat § 3 Nr. 29 EStG nur klarstellenden Charakter.

5. Begriff der ständigen Ansässigkeit

Unter ,,ständiger Ansässigkeit“ im Sinne der Art. 37, 38 WÜD, Art. 71 WÜK und § 3 Nr. 29 EStG ist Folgendes zu verstehen:

Der dem Völkerrecht entnommene Begriff der ,,ständigen Ansässigkeit“ knüpft nicht an die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG an. Nach völkerrechtlichem Verständnis stellt der Tatbestand der ständigen Ansässigkeit einer Person neben ihrem Aufenthalt auch auf den Aufenthaltsgrund ab. So ist u.a. zu prüfen, ob neben dem Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen weitere Gründe für seinen Aufenthalt im Inland vorliegen (Vgl. , EFG 1995, 440, , , EFG 2001, 552).

Folgende Gründe kommen hierbei in Betracht:

  • Eheschließung mit einem deutschen Partner,

  • Immobilienerwerb im Inland,

  • die Aufenthaltsdauer im Inland (bei einem Aufenthalt von über 10 Jahren ist von einer ständigen Ansässigkeit im Inland auszugehen, Tz. 2.7 des Rundschreiben des Auswärtigen Amtes vom ),

  • der Bedienstete unterliegt nicht mehr dem üblichen Versetzungsturnus,

  • es liegt eine Bescheinigung des Leiters der ausländischen Vertretung über die ständige Ansässigkeit des Bediensteten im Inland vor

Ortskräfte

Alle von den ausländischen Vertretungen am Ort eingestellten Bediensteten (Ortskräfte) werden ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit als in der Bundesrepublik Deutschland ,,ständig ansässig“ angesehen, es sei denn, der Leiter der ausländischen Mission legt im Einzelfall dar, dass die betreffende Ortskraft sich nur vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und die Absicht hat, später in den Entsendestaat oder in ein drittes Land auszuwandern. Als Ortskräfte in dem vorbezeichneten Sinn sind nicht nur die bereits vorher am Ort wohnhaften Personen, sondern auch diejenigen Arbeitnehmer anzusehen, die von der diplomatischen Mission oder konsularischen Vertretung zwar im Ausland angeworben, jedoch im Inland unter Vertrag genommen werden und zu diesem Zweck in die Bundesrepublik Deutschland einreisen (, EFG 2001, 552). Es ist zu prüfen, ob das Besteuerungsrecht Deutschlands durch das einschlägige DBA (vgl. Art. 19 OECD-MA 2017) beschränkt wird. Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Ziffer ii OECD-MA 2017 ist hinsichtlich der Formulierung ,,nicht ausschließlich deshalb in diesem Staat ansässig geworden ist, um die Dienste zu leisten“ dahingehend auszulegen, dass es auf die Beweggründe im Zeitpunkt der Begründung der Ansässigkeit ankommt. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Person in einem Vertragsstaat ansässig wird, um die Dienste zu leisten, wenn das Ansässigwerden in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Übernahme der Tätigkeit in dem Nicht-Kassenstaat steht.

6. DBA

Die DBA lassen die steuerlichen Vorrechte der Diplomaten und Berufskonsuln unberührt. Eigene Regelungen über die Besteuerung der Mitglieder diplomatischer und konsularischer Vertretungen enthalten z.B. das DBA-Frankreich und das DBA-Österreich (Art. 24 DBA-Frankreich und Art. 29 DBA-Österreich). Es kann jedoch auch im Einzelfall die Regelung über Vergütungen für im öffentlichen Dienst erbrachte Leistungen (vgl. Art. 19 OECD-MA 2017) in Betracht kommen.

7. Umsatzsteuer

Bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Lieferungen und Leistungen an ausländische diplomatische Missionen und berufskonsularische Vertretungen bzw. deren Mitglieder wird auf die Rundvfg. ofix: UStG/4/56 verwiesen.

OFD Frankfurt/M. v. - S 1310 A-005-St 62

Fundstelle(n):
LAAAH-30389