EuGH Urteil v. - C-591/17

Instanzenzug:

Gründe:

Zur Klage

23Zur Stützung ihrer Klage bringt die Republik Österreich vier Rügen in Bezug auf die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vor, die, wie klarzustellen ist, zwar erlassen wurden, aber noch nicht in Kraft getreten sind. Die erste und die zweite Rüge betreffen einen Verstoß gegen Art. 18 AEUV, der sich zum einen aus der kombinierten Wirkung der Infrastrukturabgabe und der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Kraftfahrzeuge und zum anderen aus der Ausgestaltung und dem Vollzug der Infrastrukturabgabe ergeben soll. Mit der dritten Rüge wird ein Verstoß gegen die Art. 34 und 56 AEUV durch alle mit der ersten und der zweiten Rüge beanstandeten Maßnahmen geltend gemacht. Die vierte Rüge ist auf einen Verstoß gegen Art. 92 AEUV durch die kombinierte Wirkung der Infrastrukturabgabe und der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Kraftfahrzeuge gestützt.

Zur ersten Rüge: Verstoß gegen Art. 18 AEUV aufgrund der kombinierten Wirkung der streitigen nationalen Maßnahmen

Vorbringen der Parteien

24Die Republik Österreich macht geltend, die kombinierte Wirkung der Infrastrukturabgabe und der damit einhergehenden Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, die den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen in Höhe eines Betrags gewährt werde, der mindestens dem dieser Abgabe entspreche, führe dazu, dass diese Abgabe de facto nur Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen belaste, die ganz überwiegend die Staatsangehörigkeit dieser anderen Mitgliedstaaten besäßen. Dieser Umstand begründe somit eine gegen Art. 18 AEUV verstoßende mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

25Eine solche Diskriminierung ergebe sich aus dem absoluten und untrennbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Infrastrukturabgabe und der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Kraftfahrzeuge, der impliziere, dass die streitigen nationalen Maßnahmen unionsrechtlich zusammen betrachtet und bewertet werden müssten.

26Die Republik Österreich weist außerdem darauf hin, dass Ziel der streitigen nationalen Maßnahmen die Umsetzung des Versprechens aus dem Wahlkampf für die Wahlen zum Deutschen Bundestag im Jahr 2013 sei, ausländische Fahrzeugführer an den Kosten der deutschen Infrastrukturfinanzierung zu beteiligen, ohne dass damit zusätzliche Belastungen deutscher Fahrzeughalter einhergingen.

27Schließlich verweist die Republik Österreich auf Rn. 23 des Urteils vom , Kommission/Deutschland (C-195/90, EU:C:1992:219), um das Vorliegen der behaupteten mittelbaren Diskriminierung zu untermauern.

28Die Bundesrepublik Deutschland räumt ein, dass die streitigen nationalen Maßnahmen sowohl nach subjektiver Regelungsabsicht als auch nach objektivem Regelungsgehalt eine Einheit bildeten, stellt aber das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund der Einführung der Infrastrukturabgabe, und zwar auch bei einer Betrachtung in Verbindung mit der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, in Abrede.

29Insoweit führt die Bundesrepublik Deutschland erstens aus, dass die Einführung der Infrastrukturabgabe zwar den Status quo zum Nachteil der Halter und Fahrer von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen ändere, aber keine Schlechterstellung dieser Halter und Fahrer gegenüber den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen bedeute. Die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen befänden sich, was den Beitrag zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur anbelange, im Gegenteil in einer günstigeren Situation als die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, da Erstere die Infrastrukturabgabe nur bezahlen müssten, wenn sie die deutschen Autobahnen nutzten, während Letztere auf jeden Fall dieser Abgabe unterlägen und darüber hinaus die Kraftfahrzeugsteuer zu tragen hätten, selbst wenn diese Steuer ermäßigt werden könne. Im Übrigen entspreche die Belastung der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen durch die Infrastrukturabgabe maximal der Belastung, die die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen insoweit in jedem Fall zu tragen hätten.

30Zweitens beruhe der Umstand, dass die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer nur den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen zugutekomme, auf dem Unionsrecht, namentlich auf der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. 1983, L 105, S. 59), die selbst die Verteilung der Kraftfahrzeug-Besteuerungsrechte nach dem Ort der Zulassung und damit nach dem gewöhnlichen Wohnsitz bestimme. Die Abgrenzung der nationalen Kraftfahrzeugsteuerbefugnisse nach dieser Richtlinie, mit der angesichts fehlender Harmonisierung in diesem Bereich eine Doppelbesteuerung von Marktteilnehmern bzw. Unionsbürgern ausgeschlossen werden solle, bedeute, dass für jedes Kraftfahrzeug allein die Kraftfahrzeugsteuer in dem Mitgliedstaat maßgeblich sei, in dem es zugelassen sei. Die Höhe der deutschen Kraftfahrzeugsteuer, die nur die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen betreffe, sei somit für die Halter von in den anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen irrelevant.

31Drittens diene die Einführung einer Infrastrukturabgabe, deren Aufkommen dem Verkehrshaushalt zugeführt und in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes verwendet werde, dem Ziel, die Nutzerfinanzierung für die Verkehrsinfrastruktur zu verstärken. Dieses Ziel habe den Mitgliedstaat zu einem Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung veranlasst. In diesem Zusammenhang habe sich die Bundesrepublik Deutschland, indem sie von ihrer Befugnis zur Regelung der direkten Steuern Gebrauch gemacht habe, dazu entschieden, die Kraftfahrzeugsteuer durch die Einführung einer teilweisen Steuerentlastung bei dieser Steuer anzupassen, um die finanzielle Gesamtbelastung der Halter von in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen auf dem bisherigen Niveau zu halten und eine unverhältnismäßige Doppelbelastung zu vermeiden.

32Viertens ergebe sich die Möglichkeit einer Kompensation der Infrastrukturabgabe durch eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer aus der Entstehungsgeschichte von Art. 7 Abs. 3 und Art. 7k der Eurovignetten-Richtlinie, die hinsichtlich der Regelungen zu Gebühren für die Nutzung des Straßennetzes durch Personenkraftwagen eine Leitbildfunktion habe. Die jüngste Praxis einiger Mitgliedstaaten wie des Vereinigten Königreichs oder des Königreichs Belgien, die von dieser Möglichkeit in Bezug auf schwere Nutzfahrzeuge Gebrauch gemacht hätten, untermauere die Vereinbarkeit der streitigen nationalen Maßnahmen mit dem Unionsrecht.

33Fünftens schließlich betont die Bundesrepublik Deutschland, dass Erklärungen, die in einem Wahlkampf abgegeben würden, für die Feststellung einer etwaigen, eine Diskriminierung darstellenden Ungleichbehandlung ohne jede Bedeutung seien.

34Hilfsweise beruft sich die Bundesrepublik Deutschland – als Gründe, die eine etwaige mittelbare Diskriminierung aufgrund der Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen rechtfertigen könnten – auf Erwägungen im Zusammenhang mit dem Umweltschutz, dem Lastenausgleich zwischen den inländischen und den ausländischen Nutzern der Infrastrukturen sowie der Änderung des Systems zur Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen des Bundes.

35Das Königreich der Niederlande schließt sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Republik Österreich an und weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Situation der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen und die der Halter und Fahrer von in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, die die deutschen Autobahnen nutzten, vergleichbar seien.

36Das Königreich Dänemark teilt hingegen den Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland, wonach die streitigen nationalen Maßnahmen nicht diskriminierend sind, und unterstreicht u. a. die Befugnis der Mitgliedstaaten, direkte Steuern und nationale Abgaben, die auf Unionsebene nicht harmonisiert seien, festzulegen, zu ändern oder aufzuheben.

Würdigung durch den Gerichtshof

37Die Republik Österreich macht im Rahmen ihrer ersten Rüge im Wesentlichen geltend, dass die Infrastrukturabgabe und die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge, auch wenn sie formal nicht auf einer Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit beruhten, deutschen Staatsangehörigen eine günstigere Behandlung vorbehielten als Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten und damit gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV verstießen.

38Diese Bestimmung sieht vor, dass unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in deren Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist.

39Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Art. 18 AEUV, in dem der allgemeine Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verankert ist, eigenständig nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommen soll, für die der AEU-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (Urteil vom , Erzberger, C-566/15, EU:C:2017:562, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist namentlich im Bereich des freien Warenverkehrs in Art. 34 AEUV in Verbindung mit Art. 36 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Medisanus, C-296/15, EU:C:2017:431‚ Rn. 65), in dem der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Art. 45 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Bechtel, C-20/16, EU:C:2017:488‚ Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung) und in dem des freien Dienstleistungsverkehrs in den Art. 56 und 62 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Strojírny Prostějov und ACO Industries Tábor, C-53/13 und C-80/13, EU:C:2014:2011‚ Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung) umgesetzt worden.

41Daraus folgt, dass in der vorliegenden Rechtssache die streitigen nationalen Maßnahmen nur insoweit im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 AEUV geprüft werden können, als sie auf Sachverhalte Anwendung finden, die nicht unter diese vom AEU-Vertrag vorgesehenen besonderen Diskriminierungsverbote fallen.

42Sodann ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 18 Abs. 1 AEUV verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht nur unmittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfasst, sondern auch alle Formen der mittelbaren Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Bressol u. a., C-73/08, EU:C:2010:181, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43Zur Beurteilung der Begründetheit der ersten Rüge der Republik Österreich ist erstens zu prüfen, ob die streitigen nationalen Maßnahmen untereinander einen Zusammenhang aufweisen, der es rechtfertigt, sie unionsrechtlich zusammen zu beurteilen.

44Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Infrastrukturabgabe und die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, am selben Tag, d. h. am , eingeführt und dann in engem zeitlichem Zusammenhang am bzw. am geändert wurden und dass die Anwendung dieser Steuerentlastung vom Beginn der Erhebung der Infrastrukturabgabe abhängig gemacht worden ist. Des Weiteren entspricht die Steuerentlastung, die den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen zugutekommt, der Höhe nach dem Betrag der Infrastrukturabgabe, die diese Halter im Voraus entrichten mussten, außer in Bezug auf Fahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6, deren Haltern die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe zugutekommt, die über dem Betrag der Abgabe liegt, die sie entrichten mussten. Daraus folgt, dass die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in allen Fällen dazu führt, dass die neue Belastung, die in der Infrastrukturabgabe liegt, für die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen zumindest kompensiert wird.

45Sodann hat die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Erhebung der Infrastrukturabgabe bei den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen, dass diese Abgabe – ebenso wie die Kraftfahrzeugsteuer – aufgrund der Zulassung des Fahrzeugs geschuldet wird.

46Es ist daher festzustellen, dass zwischen den streitigen nationalen Maßnahmen sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht ein so enger Zusammenhang besteht, dass es gerechtfertigt ist, sie im Hinblick auf das Unionsrecht, insbesondere auf Art. 18 AEUV, zusammen zu beurteilen. Das Bestehen eines solchen Zusammenhangs hat die Bundesrepublik Deutschland im Übrigen, wie sich aus Rn. 28 des vorliegenden Urteils ergibt, eingeräumt.

47Zweitens ist zu prüfen, ob die streitigen nationalen Maßnahmen, zusammen beurteilt, eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit begründen.

48Insoweit steht fest, dass bei Anwendung dieser Maßnahmen alle Benutzer deutscher Autobahnen unabhängig vom Ort der Zulassung ihrer Fahrzeuge der Infrastrukturabgabe unterliegen. Den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen kommt jedoch eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe zugute, die mindestens dem Betrag der Abgabe entspricht, die sie entrichten mussten, so dass die wirtschaftliche Last dieser Abgabe de facto nur auf den Haltern und Fahrern von in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen ruht.

49Es zeigt sich somit, dass aufgrund der Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen die Halter und Fahrer von in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, die die deutschen Autobahnen benutzen, in Bezug auf die Benutzung dieser Autobahnen weniger günstig behandelt werden als die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, und zwar obwohl sie sich hinsichtlich dieser Benutzung in einer vergleichbaren Situation befinden.

50Diese Ungleichbehandlung ist bei Fahrzeugen der Emissionsklasse Euro 6 besonders deutlich. Während nämlich den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen dieser Art eine Überkompensation der Infrastrukturabgabe zugutekommt, müssen die Halter und Fahrer von in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen der Emissionsklasse Euro 6, die die deutschen Autobahnen nutzen, diese Abgabe in jedem Fall tragen. Letztere werden somit nicht nur gegenüber den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen der Emissionsklasse Euro 6 weniger günstig behandelt, sondern außerdem gegenüber den Haltern von in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen mit einem höheren Schadstoffausstoß.

51Schließlich ist festzuhalten, dass die festgestellte unterschiedliche Behandlung zwar nicht unmittelbar auf der Staatsangehörigkeit beruht, gleichwohl aber die große Mehrheit der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen nicht deutsche Staatsangehörige sind, während dies bei der großen Mehrheit der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen der Fall ist, so dass dieser Unterschied tatsächlich zum gleichen Ergebnis führt wie eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

52Der Umstand, dass zum einen die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen der Infrastrukturabgabe und darüber hinaus der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen und zum anderen der Betrag, den die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen als Infrastrukturabgabe entrichten müssen, höchstens dem Betrag entspricht, den Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen als Infrastrukturabgabe entrichten müssen, ändert entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nichts an der in Rn. 49 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellung. Somit ergibt sich die festgestellte Ungleichbehandlung zum Nachteil der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen aus dem Umstand, dass die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen aufgrund der Steuerentlastung, die ihnen zugutekommt, de facto nicht der wirtschaftlichen Belastung unterliegen, die die Infrastrukturabgabe bedeutet.

53Diese Feststellung kann auch nicht durch das in den Rn. 30 bis 32 des vorliegenden Urteils zusammenfassend dargestellte Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entkräftet werden.

54Was erstens das Argument betrifft, es sei mit dem Unionsrecht vereinbar, dass die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer nur den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen zugutekomme, hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei einer fehlenden Harmonisierung der Kraftfahrzeugbesteuerung in der Union frei sind, ihre Steuerhoheit in diesem Bereich auszuüben, wobei die Zulassung als natürliche Folge der Ausübung dieser Befugnis erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Cura Anlagen, C-451/99, EU:C:2002:195‚ Rn. 40 und 41). Dies erklärt, weshalb die Kraftfahrzeugsteuer nur die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen trifft, so dass nur diesen die Steuerentlastung bei dieser Steuer zugutekommt.

55Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Höhe dieser Steuer für die Beurteilung des Vorliegens einer Diskriminierung der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen nicht relevant wäre.

56Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Mitgliedstaaten nämlich ihre Befugnisse im Bereich der direkten Steuern unter Wahrung des Unionsrechts und insbesondere der vom AEU-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten ausüben (Urteile vom , Cura Anlagen, C-451/99, EU:C:2002:195‚ Rn. 40, und vom , TTL, C-553/16, EU:C:2018:604‚ Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten bei der Einführung von Kraftfahrzeugsteuern u. a. den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten müssen, damit die Modalitäten der Anwendung dieser Steuern kein Mittel zur Diskriminierung darstellen.

58Im vorliegenden Fall bewirkt die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer aber zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, dass die von diesen entrichtete Infrastrukturabgabe vollständig kompensiert wird, so dass, wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, die wirtschaftliche Last dieser Abgabe de facto allein auf den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen liegt, was eine diskriminierende Maßnahme zu deren Nachteil darstellt.

59Somit ist die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer hinsichtlich der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen relevant, da die für die Festsetzung dieser Steuer geltenden Regeln zu einer unterschiedlichen Behandlung zu ihren Lasten führen.

60Zweitens steht es, wie die Bundesrepublik Deutschland vorträgt, den Mitgliedstaaten frei, das System zur Finanzierung ihrer Straßeninfrastruktur zu ändern, indem sie ein System der Steuerfinanzierung durch ein System der Finanzierung durch sämtliche Nutzer einschließlich der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen, die diese Infrastruktur nutzen, ersetzen, damit alle Nutzer in gerechter und verhältnismäßiger Weise zu dieser Finanzierung beitragen, sofern bei dieser Änderung das Unionsrecht einschließlich des in Art. 18 Abs. 1 AEUV verankerten Diskriminierungsverbots beachtet wird. Eine solche Änderung beruht auf der freien Wahl jedes Mitgliedstaats, die Modalitäten der Finanzierung seiner öffentlichen Infrastrukturen unter Beachtung des Unionsrechts festzulegen.

61Im vorliegenden Fall geht aus den Schriftsätzen der Bundesrepublik Deutschland hervor, dass dieser Mitgliedstaat hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur des Bundes entschieden hat, teilweise von einem System der Steuerfinanzierung zu einem auf das „Benutzerprinzip“ und das „Verursacherprinzip“ gestützten Finanzierungssystem überzugehen.

62Diese Systemänderung beruht auf der Einführung der Infrastrukturabgabe, der alle Nutzer deutscher Autobahnen unabhängig davon, ob ihr Fahrzeug in Deutschland zugelassen ist oder nicht, unterliegen und deren Erträge zur Gänze zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur verwendet werden, wobei die Bundesrepublik Deutschland die Tarife für diese Abgabe entsprechend der Emissionsklasse der betreffenden Fahrzeuge ausgestaltet hat.

63Allerdings ist festzustellen, dass die streitigen nationalen Maßnahmen im Hinblick auf das von der Bundesrepublik Deutschland mit der Einführung der Infrastrukturabgabe verfolgte Ziel, auf das in Rn. 61 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, nicht kohärent sind.

64Insoweit hat die Bundesrepublik Deutschland parallel zur Einführung dieser Abgabe einen Mechanismus zu deren individuellen Kompensierung zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen im Wege einer Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer entworfen, die der Höhe nach mindestens dem Betrag der entrichteten Infrastrukturabgabe entspricht.

65Diesem Mitgliedstaat kann jedoch nicht gefolgt werden, wenn er vorträgt, dass diese Steuerentlastung den Übergang zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur durch alle Nutzer nach dem „Benutzerprinzip“ und dem „Verursacherprinzip“ widerspiegele.

66Die Bundesrepublik Deutschland hat nämlich in ihren Schriftsätzen selbst eingeräumt, dass die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen aufgrund dessen, dass ihnen die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer zugutekomme, trotz des Umstands, dass sie die Infrastrukturabgabe entrichten müssten, von der Einführung dieser Abgabe an in Wirklichkeit in keiner Weise zusätzlich belastet werden.

67Zwar trägt dieser Mitgliedstaat vor, dass diese Fahrzeughalter bereits vor Einführung der Infrastrukturabgabe über die Kraftfahrzeugsteuer zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur beigetragen hätten und dass mit dem Ausgleichsmechanismus somit eine unverhältnismäßige steuerliche Belastung vermieden werden solle. Jedoch hat die Bundesrepublik Deutschland abgesehen davon, dass sie selbst ganz allgemein betont, dass die Infrastrukturen des Bundes aus Steuermitteln finanziert würden, keine näheren Angaben zum Umfang dieses Beitrags gemacht und somit in keiner Weise dargetan, dass der diesen Fahrzeughaltern gewährte Ausgleich in Form einer Steuerentlastung bei der genannten Steuer in Höhe eines Betrags, der mindestens dem der Infrastrukturabgabe entspricht, diesen Beitrag nicht übersteigt und somit angemessen ist.

68Im Übrigen ist, was die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen anbelangt, festzustellen, dass die Infrastrukturabgabe so ausgestaltet ist, dass sie in keiner Weise davon abhängt, dass diese die Bundesstraßen tatsächlich nutzen. Somit schuldet zum einen ein solcher Fahrzeughalter diese Abgabe auch dann, wenn er diese Straßen niemals benutzt. Zum anderen unterliegt der Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs automatisch der Jahresabgabe und hat somit keine Möglichkeit, eine Vignette für einen kürzeren Zeitraum zu wählen, wenn eine solche der Häufigkeit, mit der er diese Straßen nutzt, besser entspräche. Diese Gesichtspunkte in Verbindung mit dem Umstand, dass diesen Fahrzeughaltern im Übrigen eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe eines Betrags zugutekommt, der mindestens dem der entrichteten Infrastrukturabgabe entspricht, zeigen, dass der Übergang zu einem Finanzierungssystem, das auf das „Benutzerprinzip“ und das „Verursacherprinzip“ gestützt ist, in Wirklichkeit ausschließlich die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen betrifft, während für die Halter von in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen weiterhin das Steuerfinanzierungsprinzip gilt.

69Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der im vorliegenden Fall in Rede stehende Ausgleichsmechanismus gegenüber den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen diskriminierend ist, nachdem die Bundesrepublik Deutschland nicht nachweisen konnte, dass dieser Mechanismus dem von diesem Mitgliedstaat angekündigten Ziel entspricht, von einem steuerfinanzierten System zu einem System der Finanzierung durch sämtliche Nutzer überzugehen, da die von diesem Mitgliedstaat eingeführte Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer tatsächlich eine Befreiung der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen von der Infrastrukturabgabe zur Folge hat.

70Drittens lässt sich in der Eurovignetten-Richtlinie für die Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen jedenfalls keine Grundlage finden, auch nicht im Wege einer analogen Anwendung.

71Insoweit genügt der Hinweis, dass keine Bestimmung dieser Richtlinie im Rahmen der Besteuerung von schweren Nutzfahrzeugen wegen der Nutzung der Infrastruktur einen Mechanismus zur Kompensation der Infrastrukturabgabe wie den im vorliegenden Fall in Rede stehenden erlaubt. Denn abgesehen davon, dass sich Art. 7k dieser Richtlinie nur auf einen „angemessenen Ausgleich“ bezieht, muss dieser Ausgleich jedenfalls mit dem Unionsrecht in Einklang stehen.

72Im Übrigen kann auch die Vermutung, dass es in anderen Mitgliedstaaten im Rahmen der Eurovignetten-Richtlinie Modelle für einen Ausgleich bei der Kraftfahrzeugsteuer ähnlich dem im vorliegenden Fall in Rede stehenden Modell gebe, keine Vereinbarkeit der Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen mit Art. 18 AEUV begründen.

73Drittens schließlich kann nach ständiger Rechtsprechung eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird (Urteil vom , Kommission/Österreich, C-75/11, EU:C:2012:605‚ Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74In diesem Zusammenhang beruft sich die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung der mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen auf Erwägungen im Zusammenhang mit dem Umweltschutz, mit dem Lastenausgleich zwischen deutschen Nutzern und ausländischen Nutzern zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems und mit der Änderung des Systems der Finanzierung der Infrastrukturen.

75Was zunächst Umwelterwägungen anbelangt, so stellt der Umweltschutz zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein legitimes Ziel dar, um eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu rechtfertigen (vgl. entsprechend zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten Urteil vom , Kommission/Spanien, C-428/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:218‚ Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung), jedoch legt die Bundesrepublik Deutschland nicht dar, inwiefern die Einführung einer Infrastrukturabgabe, die de facto nur die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen trifft, geeignet sein soll, dieses Ziel zu gewährleisten.

76Was sodann das Ziel des Übergangs von einem System der Finanzierung der Infrastrukturen aus Steuermitteln zu einer Finanzierung durch die Nutzer betrifft, geht, selbst unter der Annahme, dass dieses Ziel eine Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, aus den Rn. 64 bis 69 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen gleichwohl nicht zur Erreichung des genannten Ziels geeignet wäre.

77Schließlich kann auch dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland bezüglich des Erfordernisses, die Kohärenz des Steuersystems durch eine gerechte Verteilung der Lasten, die die Infrastrukturabgabe bedeute, zu gewährleisten, nicht gefolgt werden. Wie in Rn. 69 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, führt die Kombination der streitigen nationalen Maßnahmen nämlich de facto dazu, dass die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen von dieser Abgabe befreit werden und damit die Last, die diese Abgabe bedeutet, ausschließlich auf die Halter und Fahrer von Fahrzeugen beschränkt wird, die nicht in diesem Mitgliedstaat zugelassen sind.

78In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen greift die erste Rüge durch und ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 18 AEUV verstoßen hat, dass sie die Infrastrukturabgabe eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat.

Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 18 AEUV aufgrund der Ausgestaltung und des Vollzugs der Infrastrukturabgabe

Vorbringen der Parteien

79Die Republik Österreich macht geltend, dass die Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe selbst diskriminierend sei und damit gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV verstoße. Insoweit betont die Republik Österreich, dass das InfrAG in mehrfacher Weise zwischen in Deutschland zugelassenen und im Ausland zugelassenen Fahrzeugen unterscheide.

80Insbesondere seien die Eingriffsbefugnisse nach den §§ 11, 12 und 14 InfrAG, d. h. die stichprobenartige Überwachung, die Erhebung einer Sicherheitsleistung, die Untersagung der Weiterfahrt sowie die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe in Höhe der Jahresvignette bzw. der Differenz zwischen dem bereits entrichteten Betrag und der Jahresvignette nach § 12 InfrAG, nur auf im Ausland zugelassene Fahrzeuge anzuwenden.

81Die Verhängung von Bußgeldern gemäß § 14 InfrAG richte sich ebenfalls ganz überwiegend an die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen. Der Umstand, dass die Tatbestandsmerkmale bestimmter Zuwiderhandlungen wie die „unrichtige Entrichtung der Infrastrukturabgabe“ nur von diesen Fahrzeughaltern und -führern erfüllt werden könnten, untermauere dieses Vorbringen.

82Das Urteil vom , Kommission/Italien (C-224/00, EU:C:2002:185‚ Rn. 16 bis 19), bestätige das Vorliegen der Ungleichbehandlung, die der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfen werde.

83Die Republik Österreich räumt ein, dass das Ziel, die Entrichtung der von den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen geschuldeten Infrastrukturabgabe zu gewährleisten, möglicherweise die geltend gemachte unterschiedliche Behandlung, was die Eingriffsbefugnisse und die Verhängung von Bußgeldern anbelange, rechtfertigen könnte. Hingegen könne dieses Ziel einen solchen Unterschied nicht rechtfertigen, wenn es um die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe gemäß § 12 InfrAG gehe. Hierzu verweist die Republik Österreich auch auf das Urteil vom , Kommission/Italien (C-224/00, EU:C:2002:185‚ Rn. 26).

84Jedenfalls seien die konkreten Modalitäten der Entrichtung der Infrastrukturabgabe unverhältnismäßig.

85Insbesondere hinsichtlich der Zahlung einer Sicherheitsleistung weist die Republik Österreich darauf hin, dass nämlich, wie der Gerichtshof in Rn. 43 des Urteils vom , Kommission/Spanien (C-514/03, EU:C:2006:63), entschieden habe, dann, wenn die Möglichkeit der Vollstreckung von Bußgeldern aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben oder völkerrechtlicher Verträge bestehe, die Leistung einer Sicherheit über das hinausgehe, was zur Sicherstellung der Zahlung des Bußgelds erforderlich sei. Insoweit verweist die Republik Österreich auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen.

86Die Bundesrepublik Deutschland führt aus, dass die Regelungen über den Vollzug und die Kontrolle der Infrastrukturabgabe unterschiedslos auf Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen und auf Halter von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen Anwendung fänden.

87Es treffe zwar zu, dass die in § 11 Abs. 7 InfrAG vorgesehene Erhebung einer Sicherheitsleistung nur die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen betreffe, jedoch sei eine solche Erhebung gerechtfertigt, da der ausländische Schuldner der Infrastrukturabgabe bei Verlassen des deutschen Hoheitsgebiets für die für die Abgabe zuständige Behörde und die überwachende Verwaltungsbehörde nicht greifbar sei. Im Übrigen sei die Erhebung einer Sicherheitsleistung nicht zwingend vorgeschrieben, und ihr Betrag sei auch nicht unverhältnismäßig.

88Bezüglich des von der Republik Österreich angeführten Urteils vom , Kommission/Spanien (C-514/03, EU:C:2006:63), betont die Bundesrepublik Deutschland, dass der Gerichtshof darin die Einforderung einer Sicherheit keineswegs generell für angesichts des Entwicklungsstands grenzüberschreitender Zusammenarbeit im Bereich der Justiz unverhältnismäßig erachtet habe, sondern vielmehr aus Verhältnismäßigkeitsgründen lediglich die Berücksichtigung einer bereits im Herkunftsmitgliedstaat geleisteten Sicherheit gefordert habe, was hier aber nicht der Fall gewesen sei.

89Die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe in Höhe der Jahresvignette bzw. der Differenz zwischen dem bereits entrichteten Betrag und der Jahresvignette solle sicherstellen, dass die geschuldete Infrastrukturabgabe tatsächlich geleistet werde, und sei in Anbetracht dieses Ziels verhältnismäßig. In diesem Zusammenhang weist die Bundesrepublik Deutschland darauf hin, dass die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen nicht anders behandelt würden als die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, die in jedem Fall den Preis einer Jahresvignette zahlen müssten.

90Das Bußgeld schließlich, das für den Fall vorgesehen sei, dass die Verpflichtungen bezüglich der Infrastrukturabgabe nicht eingehalten würden, sei weder diskriminierend noch unverhältnismäßig. Die Bundesrepublik Deutschland weist insoweit darauf hin, dass die Verhängung eines solchen Bußgelds nicht automatisch erfolge und weiterhin dem Übermaßverbot unterliege.

Würdigung durch den Gerichtshof

91Es ist zu prüfen, ob die Bestimmungen des InfrAG betreffend die stichprobenartige Überwachung, die Untersagung der Weiterfahrt mit dem betreffenden Fahrzeug, die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe, die mögliche Verhängung eines Bußgelds sowie die Zahlung einer Sicherheitsleistung eine Diskriminierung zum Nachteil der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen begründen und, wenn ja, ob diese gerechtfertigt werden kann.

92Insoweit ist, was erstens die Bestimmungen des InfrAG betreffend die stichprobenartige Überwachung, die Untersagung der Weiterfahrt und die mögliche Verhängung eines Bußgelds im Fall eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Entrichtung der geschuldeten Infrastrukturabgabe anbelangt, festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 80 und 81 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nichts in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten den Schluss zulässt, dass diese Bestimmungen nur auf die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen Anwendung fänden.

93Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen, dass sowohl die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen als auch die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen stichprobenartigen Kontrollen unterzogen werden können, um zu überprüfen, ob sie der Pflicht zur Entrichtung der geschuldeten Infrastrukturabgabe nachgekommen sind, und dass ihnen, sollte dies nicht der Fall sein, die Weiterfahrt mit dem betreffenden Fahrzeug untersagt und gegen sie ein Bußgeld verhängt werden kann, wie die Bundesrepublik Deutschland in ihren Ausführungen geltend gemacht hat.

94Im Übrigen hat die Republik Österreich nicht dargetan, dass die Bestimmungen des InfrAG insoweit, obgleich sie neutral formuliert sind, die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen besonders benachteiligen würden.

95In diesem Zusammenhang ist, was die Bestimmungen über die Verhängung von Bußgeldern anbelangt, zum einen darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich der Umstand, dass die Tatbestandsmerkmale bestimmter Zuwiderhandlungen wie die unrichtige Entrichtung der Infrastrukturabgabe oder die unrichtige Erteilung einer Auskunft nur von Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen erfüllt werden können, nicht die Behauptung stützt, dass diese Bestimmungen überwiegend Letztere beträfen.

96Dieser Umstand ist nämlich eine unvermeidliche Folge der objektiven Unterschiede zwischen den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen und den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, was sowohl die Festsetzung der Höhe der Infrastrukturabgabe als auch deren Entrichtung betrifft. Hierzu ist zu bemerken, dass, während die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen verpflichtet sind, die Abgabe in Form einer bei der Zulassung von Fahrzeugen erworbenen Jahresvignette in von der zuständigen Behörde von Amts wegen festgesetzter Höhe zu entrichten, die Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen diese Abgabe nur entrichten müssen, wenn sie die deutschen Autobahnen nach dem Grenzübertritt nutzen, und zwar in Form einer Vignette mit variabler Dauer je nach Wahl des betreffenden Nutzers und in einer nach den von diesem gemachten Angaben festgesetzten Höhe.

97Zum anderen hat die Republik Österreich keine Angaben zur Höhe etwaiger Bußgelder gemacht, die wegen Zuwiderhandlungen verhängt werden könnten, die nur von Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen begangen werden können, so dass die dem Gerichtshof vorgelegten Akten keinerlei Anhaltspunkte dafür enthalten, dass diese Höhe im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung unverhältnismäßig wäre.

98Was zweitens die in § 12 InfrAG vorgesehene nachträgliche Erhebung der nicht gezahlten Infrastrukturabgabe in Höhe der Jahresvignette im Fall der Benutzung der deutschen Autobahnen ohne gültige Vignette bzw. der Differenz zwischen dem bereits entrichteten Betrag und der Jahresvignette im Fall der Nutzung der deutschen Autobahnen mit einer Vignette mit einer zu kurzen Gültigkeitsdauer anbelangt, so erscheint eine solche Bestimmung nicht als diskriminierend, da die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen ebenfalls den einer Jahresvignette entsprechenden Betrag zahlen müssen.

99Im Übrigen wäre diese Bestimmung selbst unter der Annahme, dass sie eine Ungleichbehandlung zum Nachteil der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen begründet, durch das Ziel gerechtfertigt, die tatsächliche Zahlung der geschuldeten Infrastrukturabgabe sicherzustellen. Denn abgesehen davon, dass eine solche Bestimmung die Erreichung dieses Ziels ermöglicht, erscheint die Verpflichtung der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, im Fall einer Zuwiderhandlung die Infrastrukturabgabe in Höhe der Jahresvignette bzw. der Differenz zwischen dem Betrag der Jahresvignette und dem bereits entrichteten Betrag zu zahlen, nicht unverhältnismäßig, wenn man berücksichtigt, dass die deutschen Behörden, die bei einer stichprobenartigen Kontrolle einen Verstoß gegen die Verpflichtung feststellen, für die Benutzung der deutschen Autobahnen eine Vignette zu erwerben, im Allgemeinen nicht erkennen können, wie lange der Zuwiderhandelnde bereits auf diesen Straßen ohne die fällige Vignette gefahren ist.

100Drittens besteht die in § 11 Abs. 7 InfrAG vorgesehene Möglichkeit, dass die Behörden, die bei einer stichprobenartigen Kontrolle einen Verstoß gegen die Pflicht zur Entrichtung der geschuldeten Infrastrukturabgabe feststellen, einen Betrag als Sicherheitsleistung erheben, der dem verhängten Bußgeld und den Kosten des Verwaltungsverfahrens entspricht, zwar, wie die Bundesrepublik Deutschland in ihren Ausführungen bestätigt hat, nur gegenüber Zuwiderhandelnden, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzen. Folglich begründet diese Bestimmung eine unterschiedliche Behandlung zum Nachteil der Letztgenannten.

101Die Bundesrepublik Deutschland macht jedoch geltend, dass dieser Unterschied durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Zahlung der Bußgelder sicherzustellen, die gegen Zuwiderhandelnde verhängt würden, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzten, wenn man die Schwierigkeit berücksichtige, diese Forderungen beizutreiben, nachdem diese Zuwiderhandelnden das deutsche Hoheitsgebiet verlassen hätten.

102Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Fehlen von Übereinkünften, die die Vollstreckung einer Verurteilung in einem anderen als demjenigen Mitgliedstaat, in dem sie ausgesprochen worden ist, gewährleisteten, objektiv eine unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden rechtfertigen kann und dass der Umstand, dass nur gebietsfremde Betroffene einen Geldbetrag als Kaution stellen müssen, verhindern kann, dass diese sich einer wirksamen Sanktion einfach durch die Erklärung entziehen, sie stimmten der sofortigen Erhebung des Bußgelds nicht zu (Urteil vom , Kommission/Italien, C-224/00, EU:C:2002:185, Rn. 21).

103In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass aufgrund des Ziels, die Zahlung der gegen Zuwiderhandelnde, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzen, verhängten Bußgelder sicherzustellen, das dadurch verfolgt wird, dass von diesen Zuwiderhandelnden die Zahlung einer Sicherheitsleistung verlangt werden kann, die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung dieser Zuwiderhandelnden und der Zuwiderhandelnden, die ein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzen, gerechtfertigt ist.

104Das Bestehen eines bilateralen Vertrags über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland ist insoweit unerheblich, da die Bundesrepublik Deutschland, wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht auch mit allen anderen Mitgliedstaaten vergleichbare Verträge geschlossen hat.

105Da die Möglichkeit, die Zahlung eines Betrags als Sicherheit zu verlangen, es ermöglicht, das verfolgte Ziel zu erreichen, bleibt noch zu prüfen, ob dieser Anspruch über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

106Hierzu ist festzustellen, dass zum einen, wie sich aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 7 InfrAG ergibt und wie die Bundesrepublik Deutschland in ihren Erklärungen ausgeführt hat, die deutschen Behörden in dem Fall, dass bei einer stichprobenartigen Kontrolle eine Zuwiderhandlung gegen die nationalen Bestimmungen über die Infrastrukturabgabe festgestellt wird, von den Zuwiderhandelnden, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzen und die sofortige Zahlung des verhängten Bußgelds verweigern, die Zahlung einer Sicherheit zur Sicherstellung der Zahlung dieses Bußgelds verlangen können, aber nicht verlangen müssen.

107Da die Zahlung einer Sicherheit nicht automatisch von allen Zuwiderhandelnden verlangt wird, ist vernünftigerweise anzunehmen, dass die zuständigen Behörden diesen Anspruch nur dann durchsetzen, wenn in Anbetracht der individuellen Umstände die Gefahr besteht, dass das verhängte Bußgeld nicht oder nur sehr schwer erlangt werden kann. Jedenfalls hat die Republik Österreich nichts vorgebracht, was diese Vermutung in Frage stellen könnte.

108Zum anderen ist der für diese Sicherheitsleistung festgesetzte Betrag auf das verhängte Bußgeld und die Kosten des Verwaltungsverfahrens beschränkt.

109Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass die Ungleichbehandlung, die sich aus der Möglichkeit ergibt, von Zuwiderhandelnden, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzen, die Zahlung einer Sicherheit zu verlangen, um die Zahlung eines verhängten Bußgelds sicherzustellen, im Hinblick auf das verfolgte Ziel unverhältnismäßig wäre.

110In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die zweite Rüge zurückzuweisen.

Zur dritten Rüge: Verstoß gegen die Art. 34 und 56 AEUV

Vorbringen der Parteien

111Die Republik Österreich macht geltend, dass die streitigen nationalen Maßnahmen Auswirkungen auf grenzüberschreitende Lieferungen von Waren mit der Infrastrukturabgabe unterliegenden Personenkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t und auf die Erbringung von Dienstleistungen durch Gebietsfremde bzw. die Erbringung von Dienstleistungen an Gebietsfremde haben könnten, so dass diese Maßnahmen gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs verstießen.

112Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Rahmen der ersten und der zweiten Rüge betont die Republik Österreich, dass die streitigen nationalen Maßnahmen diskriminierend seien und auch unzulässige Beschränkungen der in der vorstehenden Randnummer genannten Grundfreiheiten darstellten.

113Die Bundesrepublik Deutschland vertritt die Auffassung, dass die Infrastrukturabgabe den Vertriebsweg für zu verkaufende Produkte betreffe und daher eine Verkaufsmodalität im Sinne des Urteils vom , Keck und Mithouard (C-267/91 und C-268/91, EU:C:1993:905), darstelle, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV falle, da sie nicht offen oder versteckt diskriminierend sei.

114Die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer weise daneben schon keinen grenzüberschreitenden Bezug auf, da sie nur Inländer betreffe, und sei demnach keine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen.

115Jedenfalls sei der Zusammenhang zwischen der Einführung einer Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen und möglichen Behinderungen des Marktzugangs für mit diesen Fahrzeugen transportierte Waren nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, u. a. dem Urteil vom , CMC Motorradcenter (C-93/92, EU:C:1993:838), zu ungewiss und zu mittelbar, als dass überhaupt eine Beschränkung des freien Warenverkehrs im Sinne von Art. 34 AEUV angenommen werden könnte.

116Ferner beeinträchtige die Infrastrukturabgabe auch nicht den freien Dienstleistungsverkehr im Sinne von Art. 56 AEUV. Es gebe nämlich keine effektive Beschränkung des Zugangs der Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten der Union auf dem deutschen Markt, da die Auswirkungen der streitigen Maßnahmen auf die Kosten der betreffenden Dienstleistungen geringfügig seien.

117Die Bundesrepublik Deutschland weist darauf hin, dass Maßnahmen, deren einzige Wirkung es sei, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie deren Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats berührten, nicht von Art. 56 AEUV erfasst seien (Urteil vom , Mobistar und Belgacom Mobile, C-544/03 und C-545/03, EU:C:2005:518, Rn. 31). Sie betont insoweit, dass die Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten durch die Einführung der Infrastrukturabgabe und der gleichzeitigen Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer keine mittelbare Diskriminierung gegenüber deutschen Erbringern und Empfängern derselben Dienstleistungen erleiden würden.

118Das Königreich Dänemark schließlich weist darauf hin, dass Art. 7k der Eurovignetten-Richtlinie zwingend voraussetze, dass die Einführung von Benutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge bei gleichzeitigem Ausgleich für inländische Verkehrsunternehmen, die indirekt zu einer Beeinträchtigung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs führen könne, keinen Verstoß gegen die Art. 34 und 56 AEUV begründe. Es stünde in fundamentalem Widerspruch zu den Art. 7k zugrunde liegenden Grundsätzen, wenn außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie keine entsprechenden Ausgleichsregelungen eingeführt werden dürften.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Warenverkehrs

119Der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist ein elementarer Grundsatz des AEU-Vertrags, der in dem in Art. 34 AEUV niedergelegten Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung seinen Ausdruck gefunden hat (Urteil vom , Noria Distribution, C-672/15, EU:C:2017:310, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120Das in Art. 34 AEUV aufgestellte Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfasst nach ständiger Rechtsprechung jede Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (Urteil vom , Kommission/Spanien, C-428/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:218‚ Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

121Zudem fällt eine Maßnahme, auch wenn sie weder bezweckt noch bewirkt, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, unter den Begriff der „Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen“ im Sinne von Art. 34 AEUV, wenn sie den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zum Markt eines Mitgliedstaats behindert (Urteil vom , Kommission/Spanien, C-428/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:218‚ Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

122Schließlich kann nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, durch einen der in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. In beiden Fällen muss die nationale Bestimmung geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist (Urteile vom , Kommission/Belgien, C-150/11, EU:C:2012:539, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Visnapuu, C-198/14, EU:C:2015:751‚ Rn. 110).

123Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die streitigen nationalen Maßnahmen den freien Warenverkehr beeinträchtigen.

124Zum Zweck dieser Prüfung ist darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der zwischen diesen Maßnahmen bestehende Zusammenhang ihre gemeinsame Beurteilung anhand des Unionsrechts und damit des Art. 34 AEUV rechtfertigt.

125Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Infrastrukturabgabe, auch wenn sie nicht auf die beförderten Waren als solche erhoben wird, gleichwohl geeignet ist, Waren, die mit in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Personenkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t geliefert werden, beim Grenzübertritt zu beeinträchtigen, so dass sie in Verbindung mit der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer anhand der für den freien Warenverkehr geltenden Bestimmungen zu prüfen ist.

126Sodann erlauben die in den Rn. 48 und 49 des vorliegenden Urteils dargestellten Erwägungen die Feststellung, dass die Infrastrukturabgabe, obwohl sie formal sowohl im Hinblick auf mit in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen gelieferte Waren als auch im Hinblick auf mit in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen gelieferte Waren gilt, aufgrund der im Hinblick auf die erste Kategorie von Waren geltenden Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer tatsächlich nur die zweite Kategorie von Waren beeinträchtigen kann. Folglich werden die letztgenannten Waren aufgrund der kombinierten Anwendung der streitigen nationalen Maßnahmen weniger günstig behandelt als die mit in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen gelieferten Waren.

127Aus dem Vorstehenden folgt, dass die streitigen nationalen Maßnahmen geeignet sind, den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zum deutschen Markt zu behindern. Die Infrastrukturabgabe, der tatsächlich nur die Fahrzeuge unterliegen, die diese Erzeugnisse befördern, ist nämlich geeignet, die Transportkosten und damit auch die Preise dieser Erzeugnisse zu erhöhen, und beeinträchtigt damit deren Wettbewerbsfähigkeit.

128Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, wonach die Infrastrukturabgabe lediglich eine Verkaufsmodalität im Sinne des Urteils vom , Keck und Mithouard (C-267/91 und C-268/91, EU:C:1993:905), darstelle, kann nicht gefolgt werden.

129Da nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 118 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Begriff „Verkaufsmodalitäten“ nur nationale Vorschriften erfasst, die die Art und Weise regeln, in der Waren vermarktet werden können, fallen Regelungen betreffend die Art und Weise, in der Waren befördert werden können, nicht unter diesen Begriff.

130Ebenso wenig kann dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland gefolgt werden, wonach etwaige beschränkende Wirkungen der Infrastrukturabgabe gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs, u. a. dem Urteil vom , CMC Motorradcenter (C-93/92, EU:C:1993:838), zu ungewiss und zu mittelbar seien, um gegen Art. 34 AEUV zu verstoßen.

131Insoweit genügt die Feststellung, dass angesichts der sich aus den streitigen nationalen Maßnahmen ergebenden Folgen, die in Rn. 127 des vorliegenden Urteils dargestellt worden sind, vernünftigerweise nicht geltend gemacht werden kann, dass die beschränkenden Wirkungen dieser Maßnahmen zu ungewiss und mittelbar seien, um gegen Art. 34 AEUV zu verstoßen.

132Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die streitigen nationalen Maßnahmen eine gegen Art. 34 AEUV verstoßende Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellen, sofern diese nicht objektiv gerechtfertigt ist.

133Insoweit hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch keinen Grund angeführt, der eine solche Beschränkung rechtfertigen könnte. Jedenfalls kann den Erwägungen, die dieser Mitgliedstaat in Erwiderung auf die erste Rüge zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen und der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen geltend gemacht hat, aus den bereits in den Rn. 75 bis 77 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen für eine Rechtfertigung der genannten Beschränkung keine Bedeutung zukommen.

134Folglich stellen die streitigen nationalen Maßnahmen eine gegen Art. 34 AEUV verstoßende Beschränkung des freien Warenverkehrs dar.

Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs

135Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs steht Art. 56 AEUV jeder nationalen Regelung entgegen, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert (Urteil vom , Kohll, C-158/96, EU:C:1998:171, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs sind solche nationalen Maßnahmen, die die Ausübung dieser Freiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen (Urteil vom , TTL, C-553/16, EU:C:2018:604, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

137Dagegen erfasst Art. 56 AEUV solche Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb eines Mitgliedstaats berühren (Urteil vom , Mobistar und Belgacom Mobile, C-544/03 und C-545/03, EU:C:2005:518, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

138Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach gefestigter Rechtsprechung die Dienstleistungsfreiheit nicht nur die aktive Dienstleistungsfreiheit einschließt, in deren Rahmen sich der Leistende zum Empfänger der Dienstleistungen begibt, sondern auch die passive Dienstleistungsfreiheit, d. h. die Freiheit der Leistungsempfänger, sich zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sich der Leistende aufhält, zu begeben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Cowan, 186/87, EU:C:1989:47‚ Rn. 15, und vom , Schwarz und Gootjes-Schwarz, C-76/05, EU:C:2007:492‚ Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139Schließlich ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nur zulässig ist, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, soweit sie in einem solchen Fall geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom , TTL, C-553/16, EU:C:2018:604, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

140Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die streitigen nationalen Maßnahmen, zusammen beurteilt, den freien Dienstleistungsverkehr beeinträchtigen.

141Insoweit ist unstreitig, dass die Dienstleistungserbringer, die sich mit einem Fahrzeug mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t, das in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassen ist, nach Deutschland begeben, um dort Dienstleistungen zu erbringen, der Infrastrukturabgabe unterliegen und dass diese Dienstleistungserbringer mehrheitlich in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland ansässig sind, während die Erbringer von Dienstleistungen in Deutschland, die sich zur Erbringung dieser Dienstleistungen mit einem in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeug an einen anderen Ort begeben, mehrheitlich in Deutschland ansässig sind.

142Des Weiteren ist unstreitig, dass die Dienstleistungsempfänger, die sich mit einem in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeug nach Deutschland begeben, um dort die betreffenden Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, dieser Abgabe unterliegen und dass diese Empfänger mehrheitlich aus einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland stammen, während die Empfänger von in Deutschland erbrachten Dienstleistungen, die sich, um diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, mit einem in Deutschland zugelassenen Fahrzeug an einen anderen Ort begeben, normalerweise aus diesem Mitgliedstaat stammen.

143Zudem erlauben die in den Rn. 48 und 49 des vorliegenden Urteils dargestellten Erwägungen die Feststellung, dass die Infrastrukturabgabe wegen der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, die den in Deutschland ansässigen Erbringern und Empfängern von Dienstleistungen zugutekommt, tatsächlich nur die aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen trifft.

144Aus dem Vorstehenden folgt, dass die streitigen nationalen Maßnahmen geeignet sind, den Zugang von aus einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland stammenden Dienstleistungserbringern und -empfängern zum deutschen Markt zu behindern. Die Infrastrukturabgabe kann nämlich aufgrund der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, die Teil der streitigen nationalen Maßnahmen ist, entweder die Kosten der Dienstleistungen erhöhen, die von diesen Dienstleistern in Deutschland erbracht werden, oder die Kosten erhöhen, die sich für diese Dienstleistungsempfänger daraus ergeben, dass sie sich in diesen Mitgliedstaat begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

145Die Bundesrepublik Deutschland kann sich nicht mit Erfolg auf die in Rn. 117 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung berufen, um das Vorliegen einer Beeinträchtigung im vorliegenden Fall auszuschließen.

146Diese Rechtsprechung ist nämlich nur übertragbar, wenn die betreffenden nationalen Maßnahmen die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats berühren, was vorliegend nicht der Fall ist.

147Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die streitigen nationalen Maßnahmen eine gegen Art. 56 AEUV verstoßende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, sofern diese nicht objektiv gerechtfertigt ist.

148Insoweit hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch keinen Grund angeführt, der eine solche Beschränkung rechtfertigen könnte. Jedenfalls kann den von diesem Mitgliedstaat in Erwiderung auf die erste Rüge zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen und der Halter und Fahrer von in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen geltend gemachten Erwägungen aus den bereits in den Rn. 75 bis 77 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen für eine Rechtfertigung der genannten Beschränkung keine Bedeutung zukommen.

149Folglich stellen die streitigen nationalen Maßnahmen eine gegen Art. 56 AEUV verstoßende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.

150In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen greift die dritte Rüge durch und ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 34 und 56 AEUV verstoßen hat, dass sie die Infrastrukturabgabe eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat.

Zur vierten Rüge: Verstoß gegen Art. 92 AEUV

Vorbringen der Parteien

151Die Republik Österreich macht geltend, dass die deutsche Regelung gegen Art. 92 AEUV verstoße, der ein Diskriminierungsverbot im Verkehrsbereich normiere, für das eine Rechtfertigung ausgeschlossen sei, und dessen Anwendungsbereich gewerbliche Bustransporte oder Warentransporte mit Personenkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t erfasse.

152Voraussetzung für die Nicht-Anwendbarkeit von Art. 92 AEUV sei der Erlass sekundärrechtlicher Vorschriften. Für Personenkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t gebe es aber kein verbindliches sekundärrechtliches Regime.

153Die Republik Österreich ist daher der Ansicht, dass der Rechtsgrundsatz, der sich aus Rn. 23 des Urteils vom , Kommission/Deutschland (C-195/90, EU:C:1992:219), ergebe, auf die vorliegende Rechtssache übertragbar sei.

154Die Bundesrepublik Deutschland macht erstens geltend, dass Art. 92 AEUV die Infrastrukturabgabe, auch in ihrer Kombination mit der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, schon von ihrem Anwendungsbereich nicht erfasse, da der gewerbliche Verkehr in Anbetracht der Beschränkung der Abgabe auf bestimmte Kategorien von Fahrzeugen weitgehend von der Abgabepflicht ausgenommen sei.

155Zweitens schreibe das Verschlechterungsverbot des Art. 92 AEUV entgegen der vom Gerichtshof im Urteil vom , Kommission/Deutschland (C-195/90, EU:C:1992:219), vertretenen Auslegung dieser Vorschrift als Stillhalteklausel nicht die Aufrechterhaltung des Status quo in Bezug auf die Wettbewerbslage vor, sondern verbiete nur eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung ausländischer Verkehrsunternehmer, und gegen dieses Verbot sei im vorliegenden Fall nicht verstoßen worden.

156Drittens sei Art. 92 AEUV selbst unter der Annahme, dass diese Vorschrift als Sicherung des Status quo auszulegen sei, nicht mehr anwendbar, weil die Eurovignetten-Richtlinie Maßstäbe für nationale Regelungen enthalte, die auch bei der Erhebung nationaler Straßenbenutzungsentgelte auf Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t Anwendung finden könnten. Insbesondere gestatteten Art. 7 Abs. 1 und Art. 7k dieser Richtlinie nationale Maßnahmen wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden.

157Das Königreich Dänemark führt aus, dass das Urteil vom , Kommission/Deutschland (C-195/90, EU:C:1992:219), auf das sich die Republik Österreich stütze, speziell und ausschließlich die Stillhalteklausel betroffen habe, die heute in Art. 92 AEUV enthalten sei, unter Berücksichtigung der Rechtslage vor dem Erlass der Regelung der Union über die Befugnis zur Erhebung von Gebühren für schwere Nutzfahrzeuge, die heute in der Eurovignetten-Richtlinie enthalten sei, aus der sich ergebe, dass die gleichzeitig eingeführten streitigen nationalen Maßnahmen mit Art. 92 AEUV vereinbar seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

158Nach Art. 92 AEUV darf ein Mitgliedstaat bis zum Erlass der in Art. 91 Abs. 1 AEUV genannten Vorschriften die verschiedenen, am oder, im Fall später beigetretener Staaten, zum Zeitpunkt ihres Beitritts auf diesem Gebiet geltenden Vorschriften in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer anderer Mitgliedstaaten im Vergleich zu den inländischen Verkehrsunternehmern nicht ungünstiger gestalten, es sei denn, dass der Rat einstimmig eine Maßnahme billigt, die eine Ausnahmeregelung gewährt.

159Im vorliegenden Fall steht zum einen fest, dass die der Infrastrukturabgabe unterliegende Verkehrstätigkeit mit Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t durchgeführt werden kann. In diesem Fall ist die Tätigkeit gemeinhin unter der Bezeichnung „Leichtverkehr“ bekannt.

160Zum anderen ist der Bereich des Straßenverkehrs zwar in weitem Umfang vom Unionsrecht erfasst, jedoch war der Leichtverkehr auf der Ebene des Unionsrechts nicht Gegenstand einer Regelung. Insbesondere wurde keine Regelung gemäß Art. 91 AEUV über die Erhebung von Abgaben für die Benutzung von Straßen mit Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t festgelegt. So geht aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. d der Eurovignetten-Richtlinie hervor, dass die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten durch diese Richtlinie nur Fahrzeuge von mehr als 3,5 t betrifft.

161Schließlich ist in Anbetracht der in den Rn. 141 und 143 des vorliegenden Urteils dargestellten Erwägungen festzustellen, dass aufgrund der kombinierten Wirkung der streitigen nationalen Maßnahmen nur die Verkehrsunternehmen, die ein Fahrzeug mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t nutzen, das in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassen ist (im Folgenden: ausländische Verkehrsunternehmen), tatsächlich von der Infrastrukturabgabe betroffen sind, da Verkehrsunternehmen, die ein Fahrzeug von weniger als 3,5 t nutzen, das in Deutschland zugelassen ist (im Folgenden: deutsche Verkehrsunternehmen), eine Kompensation dieser Abgabe zugutekommt.

162Somit ist festzustellen, dass die streitigen nationalen Maßnahmen, indem sie die neue Belastung, die in der von allen Verkehrsunternehmen zu zahlenden Infrastrukturabgabe liegt, durch eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe eines Betrags, der mindestens dem der entrichteten Abgabe entspricht, vollständig ausgleichen, die inländischen Verkehrsunternehmen zugutekommt und von der ausländische Verkehrsunternehmen ausgeschlossen sind, bewirken, dass die Lage der ausländischen Verkehrsunternehmen im Vergleich zu der der deutschen Verkehrsunternehmen in einem für Erstere ungünstigen Sinne verändert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Deutschland, C-195/90, EU:C:1992:219‚ Rn. 23).

163Folglich greift die vierte Rüge durch und ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 92 AEUV verstoßen hat, dass sie die Infrastrukturabgabe eingeführt hat und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorsieht.

164Aus alledem folgt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen hat, dass sie die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat.

Kosten

165Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 138 Abs. 3 dieser Verfahrensordnung trägt jede Partei im Fall teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens ihre eigenen Kosten, außer der Gerichtshof hält es in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls für gerechtfertigt, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt.

166Im vorliegenden Fall haben sowohl die Republik Österreich als auch die Bundesrepublik Deutschland beantragt, der jeweils anderen Partei die Kosten aufzuerlegen. Des Weiteren ist die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der ersten, der dritten und der vierten Rüge der Republik Österreich und diese mit ihrer zweiten Rüge unterlegen.

167Nach alledem sind der Bundesrepublik Deutschland drei Viertel der Kosten der Republik Österreich aufzuerlegen; im Übrigen trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

168Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen das Königreich der Niederlande und das Königreich Dänemark jeweils ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen, dass sie die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt drei Viertel der Kosten der Republik Österreich sowie ihre eigenen Kosten.

4. Die Republik Österreich trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

5. Das Königreich der Niederlande und das Königreich Dänemark tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Fundstelle(n):
OAAAH-29423