BGH Beschluss v. - V ZR 295/16

Unterbrechung des Prozesses bei Unterlassungsansprüchen gegen den Insolvenzschuldner

Gesetze: § 1004 Abs 1 BGB, § 108 Abs 1 InsO, § 15 Abs 3 WoEigG, § 240 ZPO

Instanzenzug: Az: 8 U 3112/16vorgehend LG München I Az: 40 O 11108/14nachgehend Az: V ZR 295/16 Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Ihre Wohnung liegt über der von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung/Wohnraum ausgewiesen ist.

2Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen sowie auf Unterlassung der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin nicht prozessführungsbefugt sei. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.

3Über das Vermögen des Beklagten ist mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden; der von dem Senat bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung ist daraufhin aufgehoben worden. Die Klägerin meint, das Verfahren sei infolge der Insolvenz des Beklagten nicht unterbrochen. Sie beantragt, einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

II.

4Der Antrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verfahren ist nach § 240 ZPO unterbrochen.

51. Nach dieser Vorschrift wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse genügt (vgl. , NJW 2010, 2213 Rn. 17 mwN).

62. Hier ist die Insolvenzmasse mittelbar betroffen, soweit die Klägerin von dem Beklagten die Unterlassung der Nutzung der von ihm gemieteten Wohnung als Pensionsbetrieb verlangt.

7a) Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass Verfahren, in denen Unterlassungsansprüche den Streitgegenstand bilden, durch die Insolvenz des Schuldners nicht zwingend unterbrochen werden. So wird es insbesondere liegen, wenn der Unterlassungsanspruch höchstpersönlicher Natur (vgl. BAG, NJW 2015, 2682 Rn. 12; NJW 2010, 955 Rn. 10) oder nicht vermögensrechtlicher Art ist (vgl. MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 240 Rn. 21; Musielak/Voit/ Stadler, ZPO, 16. Aufl., § 240 Rn. 5; HK-ZPO/Wöstmann, 8. Aufl., Rn. 8; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 240 Rn. 8a). Unterlassungsansprüche wegen einer Schutzrechtsverletzung zählen demgegenüber zu den die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüchen ( Ia ZR 144/63, NJW 1966, 51; Urteil vom - IX ZR 119/02, BGHZ 155, 371, 380; Teilurteil vom - I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 17 jeweils mwN). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass die Frage, ob der Verletzer die vom Verletzten beanstandete Handlung vornehmen darf, für den Gewerbebetrieb des Verletzers ein Vermögensinteresse darstellt ( Ia ZR 144/63, aaO). Eine ähnliche Lage ist bei einer auf die Störung des Eigentums gestützten Unterlassungsklage gegeben, wenn diese zu Nachteilen für die Insolvenzmasse führen würde (vgl. Uhlenbrock/Mock, InsO, 15. Aufl., § 85 Rn. 34 f.). So liegt der Fall hier.

8b) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Das Mietverhältnis wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens folglich nicht beendet. § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO. Die Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ist unabhängig davon anwendbar, ob der Schuldner als Vermieter/Verpächter oder als Mieter/Pächter an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist (, BGHZ 204, 83 Rn. 28 mwN). Dem Insolvenzverwalter ist es daher möglich, die Mietsache nach der Insolvenzeröffnung weiter zu nutzen, indem er etwa weiterhin als Zwischenvermieter Untervermietungen vornimmt und die Mietzahlungen des Untermieters einzieht (vgl. HK/InsO/Lohmann, 9. Aufl. 2018, § 55 Rn. 22). Der auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Klageantrag, die Nutzung der von dem Schuldner gemieteten Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen, betrifft somit die Insolvenzmasse; bei einem Erfolg der Klage wäre der Insolvenzverwalterin die gewerbsmäßige Untervermietung und die Einziehung entsprechender Mieten zur Masse nicht mehr möglich.

93. Die Unterbrechung des Verfahrens ist auch hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen eingetreten. Ob dies schon daraus folgt, dass sich die Unterlassungsansprüche auch auf das Verhalten der Untermieter beziehen, es dem Beklagten seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Verfügungsbefugnis aber nicht möglich ist, ihnen gegenüber von seinen Rechten als (Unter-)Vermieter Gebrauch zu machen, kann dahinstehen. Jedenfalls kommt der Grundsatz zum Tragen, dass das Verfahren insgesamt unterbrochen wird, wenn mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, von denen nur ein Teil die Insolvenzmasse betrifft (vgl. Ia ZR 144/63, NJW 1966, 51; Teilurteil vom - I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 20; Beschluss vom - XII ZR 136/12, NZM 2015, 254 Rn. 15). Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wie sie für den Anspruch auf Drittauskunft angenommen wird (, NJW 2010, 2213 Rn. 20), ist hier kein Raum. Eine Drittauskunft dient dazu, Rechte gegenüber Dritten vorzubereiten; sind diese am Insolvenzverfahren nicht beteiligt, liegt es auf der Hand, dass der Schutzzweck des § 240 ZPO eine Verfahrensunterbrechung nicht rechtfertigt. Die hier geltend gemachten Ansprüche betreffen dagegen sämtlich die Nutzung der von dem Insolvenzschuldner gemieteten Wohnung, deren Erträge die Insolvenzverwalterin zur Masse ziehen kann.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:160519BVZR295.16.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2019 S. 1032 Nr. 17
UAAAH-29366